5) Eine von griechischen Seefahrern spätestens wohl im 7. Jhdt. v. Chr. geschaffene Sagengestalt, welche die Ungastlichkeit der Ägypter und ihre – für die ältere Zeit vielfach stark übertriebene – Feindschaft gegen alle Fremden auf das drastischste zum Ausdruck bringt. Den Namen hat die im Delta gelegene Stadt Pe Asar, Haus des Osiris, geliefert, welche die griechischen Kaufleute und Söldner auf ihrem Wege ins Innere wohl meist passierten, vgl. Nr. 1; Eratosth. bei Strab. XVII 802. Diod. I 88. Steph. Byz. Et. M. Ed. Meyer Gesch. d. Alt. I § 57. Das hesiodische Epos erwähnt ihn ohne Zusammenhang mit Herakles, vielleicht einfach als Sohn des Aigyptos (Hes. frg. 222 Rz. bei Theon progymn. 6, der stark auf Isokrates Rücksicht nimmt; vgl. Apd. II 1,
[1075] 5, 3); wahrscheinlich fällt jedoch die Ausbildung der Sage nach Ionien, wohin Furtwängler die vortrefflich ausgeführte archaische Vase Monum. d. Inst. VIII 16 setzt (in Roschers Myth. Lex. I 2215), wenn wir nicht noch lieber an die dorische Hexapolis denken wollen, der dann auch die Einflechtung in die Heraklessage zu danken wäre. Der Halikarnassier Panyassis frg. 26 Ki., angeführt von Seleukos bei Athen. IV 172 d, behandelte dieselbe und nicht minder die ionischen Logographen (Hekataios? A. v. Gutschmid Kl. Schr. I 47 nach Klausen), gegen die Herodot II 45 ankämpft, auf die Isokrates sich im allgemeinen bezieht (XI 87 ὁμολογεῖται παρὰ πάντων τῶν λογοποιῶν). Nach Pherekydes frg. 33 tötete B., der Sohn des Poseidon, wie so viele Unholde, in Memphis (wo eine zweite Stadt mit Namen B. lag, s. Nr. 2) die Fremden am Altar des Zeus; Herakles kam hinzu und brachte ihn, seinen Sohn Iphidamas, seinen Herold Chalbes (semitisch כלב Hund; A. v. Gutschmid Kl. Schr. II 49, 3) und seine Diener um; das Gedicht des Panyassis (untergeschoben?) knüpfte daran anscheinend die Stiftung eines reineren, dem Gotte wohlgefälligen Opfers von Vögeln und Kuchen; s. Lütke Pherecydea, Diss. Gott. 1893, 29. Meist ist B. Sohn des Poseidon und der Libye, Tochter des Epaphos (Isocr. XI 9 nach den ,λογοποιοί‘) oder Lysianassa (Apd. II 5, 11, 6); in den Darstellungen bei den Schriftstellern und zum Teil auch auf den Vasen des 5. und 4. Jhdts., über welche Furtwängler (a. a. O. 2233 mit Nachtrag Arch. Anz. 1892, 89) das Erforderliche gesagt hat, kommt namentlich zum Ausdruck, wie sich Herakles ruhig zum Altar führen lässt, bekränzt wie ein Opfertier, und erst bei Beginn der Opferhandlung, als man ihm die Locke abschneiden will, sich anfängt zu wehren und nun schonungslos mordet. Bereits in der ältesten bildlichen Darstellung (s. o.) ist ein starker Zug zum Burlesk-komischen bemerkbar, in der Bildung des Herakles und noch mehr der im Vergleich zu dieser athletischen Riesengestalt fast zwergenhaften Neger (nicht Ägypter). Dies und die Wandlung in der Auffassung des Herakles, die v. Wilamowitz Eur. Her. I 333f. charakterisiert hat, vereinigte sich, um die B.-Sage zu einem beliebten Gegenstande der Komoedie zu machen. Wir wissen schon von einem B. des Epicharmos, der den Herakles als Fresser beim Siegesmahl – oder beim Wettkampf im Essen, vgl. unten Dion – schildert (p. 228 Lorenz), dann von späteren Stücken des (jüngeren?) Kratinos (Kock FCA I 19. II 289), des Antiphanes, welcher die πομπή, den Zug zum Opfer beschrieb (II 37), des Ephippos (II 251) und des Mnesimachos (II 436). Zu einem Satyrdrama hatte bereits Euripides den Stoff verarbeitet (frg. 315ff.). Dieser Richtung gegenüber war es ein colossales Paradoxon, denselben B. als Ausbund aller Tugendhaftigkeit und Idealfürsten hinzustellen; doch gerade dies reizte die Sophisten, nachdem schon Herodot II 45 auf Grund seiner Kenntnis Ägyptens die innere Unmöglichkeit des Menschenopfers in der Sage hervorgehoben hatte. Was dem Polykrates wenigstens nach der Versicherung seines Gegners Isokrates nicht geglückt war (nach ihm war B. sogar ein Menschenfresser), eine ἀπολογία Βουσείριδος, führte Isokrates or.
[1076] XI durch, indem er alles, was je zum Lobe Ägyptens und seiner Bewohner gesagt war oder hatte gesagt werden können, auf B. überträgt, dabei aber immer deutlich zu verstehen giebt, dass er es gar nicht ernst meint, sondern nur seinem Gegner zeigen will, wie er es hätte machen sollen. Herakles konnte nie mit B. zusammentreffen, denn er lebte über 200 Jahre + drei Generationen (Isokr. § 36 = elf Generationen bei Theon progymn. 6) später! Ein seltsames Stück, und doch hatte es seine Nachwirkungen. Euemeros (bei Diod. I 17, vgl. Steph. Byz.) macht den B. in recht hellenistischer Weise zum ἐπιμελητής des Osiris für einen Teil des Reiches; eine andere Quelle des Diodor (I 88, Hekataios von Abdera?) und etwas anders Eratosthenes bei Strab. XVII 802 schaffen den Wüterich B. ganz bei seite. Zwei Könige des Namens kennt das wertlose Schema Diod. I 45; der zweite gründet sogar, ganz isokrateisch, Theben. In letzter Linie gehört hierher der ägyptische König Bôsir bei arabischen Geschichtschreibern: A. v. Gutschmid Beitr. zur Gesch. des alten Orients 1858, 85. Für die Ausgestaltung des Mythos kommen diese rationalistischen Plattheiten kaum noch in Betracht; da war für die Folgezeit das Aition des Kallimachos massgebend, der die für seinen Zweck zurechtgemachten Geschichten von Phalaris und B. in Parallele gestellt hatte. Der kyprische Seher Thrasios riet dem B., um Ägypten von einer schon neun Jahre währenden Dürre zu befreien, jährlich einen Fremden zu opfern; B. opfert darauf zuerst den Ratgeber selbst, was den gewünschten Regen bringt, und dann alle hinzukommenden Ausländer, bis Herakles seinem Wüten ein Ende macht (die gute Interpolation des Ps.-Plut. parall. 39 citiert die αἴτια II Buch für Phalaris; Phalaris-Busiris: Kallimachos frg. 194 Schneider, vgl. mit Ovid. trist. III 11, 39ff.; ars am. I 646ff.; ex Ponto III 6, 41; Ibis 397f.; danach Claudian. in Eutrop. I 159ff.). Wenn Vergil Georg. III 5 fragt: wer kennt nicht den Altar des nie gelobten B.?, so vergisst er die Sophisten; als Dichter schwebt ihm nur Kallimachos vor (inlaudati mit Servius als Polemik gegen Isokrates zu fassen, gleich wie inlaudabilis, der nie hätte gelobt werden sollen, ist zu fein). Auch die Mythographen gehen meist auf Kallimachos zurück: so Apd. II 5, 11, 6, vgl. Kallimachos frg. 182. Ps.-Plut. Parall. min. 39. Hyg. fab. 56. Serv. und sein Interpolator a. a. O. und sonst (mit Ausschreibern). Für alles dies ist auf die näheren Ausführungen von Knaack Callimachea, Progr. Stettin 1877, 6ff. zu verweisen; die ältere Anschauung bei Preller-Plew Griech. Myth.³ II 219, wonach eine ähnliche massgebende Stellung dem Satyrdrama des Euripides zuzuschreiben wäre, ist damit wohl endgültig beseitigt. Von den Späteren scheint nur Dio vielmehr der Komoedie gefolgt zu sein (or. VIII 82); bei ihm ist B. ein Fresser und rühmt sich seiner Ringkunst; aber Herakles wirft ihn (nach vorangegangenem Fresswettkampf wie bei Lepreos Paus. V 5, 4?, vgl. oben zu Epicharm) nieder und zerreisst ihn ὥσπερ τοὺς θυλάκους τοὺς σφόδρα γέμοντας. Die Übertragung des Ringkampfes vom Antaiosmythos (W. Helbig Ann. d. Inst. XXXVII 1865, 296) hat schwerlich erst Dio besorgt.
[1077] Die richtige Auffassung des Mythos – wenn man von Mythos sprechen will – lag von jeher auf der Hand; vgl. K. O. Müller Prolegomena 174f. A. v. Gutschmid Kl. Schr. II 49 u. a. Mit Diodor I 88 (Hekataios von Abdera?) und Preller a. a. O. einen ursprünglich mit Menschenopfern verbundenen Kult des Osiris (bezw. Typhon!) in der Stadt B. als religiösen Kern anzunehmen, möchte ich nicht raten; das Regenopfer bei Kallimachos passt ebenfalls besser auf das Lykaion oder Laphystion als nach Ägypten! B. hat mit Osiris nichts gemein als den Namen seiner Stadt, deren Eponym er für diese bestimmte griechische Sage ist. Noch weniger steht er in Beziehung zur Hyksosherrschaft in Ägypten, wie Haackh und Reinisch R.-E.² I 2548 andeuten; die war bereits graue Vorzeit, als die ersten griechischen Horden unter Merneptah und Ramses III. in Ägypten einbrachen, und interessierten die Griechen damals schwerlich genügend, um ihnen noch Anlass zur Sagenbildung zu geben.