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RE:Buphonia

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Bezeichnung einer Opferzeremonie an d. Dipolien
Band III,1 (1897) S. 10551057
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Buphonia hiess eine Opferceremonie, die an den Dipolien, dem Feste des Zeus Polieus, in Athen üblich war (Töpffer Attische Geneal. [1056] 149). Theophrast (bei Porph. de abst. II 30. Bernays Theophr. üb. d. Frömmigkeit 99ff.) schildert sie folgendermassen: Man treibt sattgeweidete Stiere an den mit einer Erzplatte bedeckten Altar, auf dem ein Opferkuchen und Gerstenschrot liegen. Während dessen haben dazu erwählte Jungfrauen Wasser zum Schleifen eines Beiles und Messers gebracht. Der das Beil geschliffen hat, reicht es einem andern, dieser giebt es wiederum, sobald einer der Stiere von den Opfergaben gefressen hat, dem Priester, der das Tier niederschlägt, scheinbar erschreckt das Beil fortwirft und flieht. Das Rind wird geschlachtet, abgezogen, zerlegt, zubereitet, und alle kosten von dem Fleische. Aber sie werden dafür zur Rechenschaft gezogen und vor den Richterstuhl des Archon Basileus beim Prytaneion geführt. Die ὑδροφόροι schieben die Schuld auf den, der das Beil geschärft, dieser auf den, der es hingereicht, dieser auf den δαιτρός, der das Tier geschlachtet und zerlegt hat; denn der Hauptschuldige, der Priester, ist entflohen. Endlich wird das Mordinstrument verurteilt und ins Meer versenkt. Die Haut des Tieres aber wird ausgestopft, und der so scheinbar dem Leben zurückgegebene Stier vor einen Pflug gespannt.

Wir haben zwei Versionen der Legende, die diesen schon früh als seltsam empfundenen (Aristoph. Nub. 984) Brauch erklären soll. Die ältere (vgl. Töpffer a. a. O. 155ff.) liegt namentlich bei Porph. de abst. II 10 vor: Diomos (wie dieser Name statt des richtigen und ursprünglichen Thaulon hineingekommen ist, setzt Töpffer 156 auseinander), der Priester des Zeus Polieus, sollte seinem Gotte am Dipolienfeste (Schol. Arist. nub. 985. Suid. s. Βουφόνια) nach alter Sitte (Porph. II 10) ein unblutiges Opfer darbringen, tötete aber mit Beihülfe der Anwesenden am Altar (Paus. I 28, 10), auf dem bereits die Opfergaben lagen (Paus. I 24, 4), einen Stier. Er warf das Beil weg (Paus. I 28, 10) und floh (Paus. I 24, 4. Schol. Il. XVIII 483; vgl. Theophr. bei Porph. II 29). Die Mithelfer wurden vor Gericht gestellt, schoben die Schuld, wie natürlich, auf den Flüchtigen, schliesslich wurde das Beil verurteilt (Paus. I 24, 4. 28, 10. Theophr. bei Porph. II 30; über das ἀφείθη) bei Paus. I 28, 10 s. Daremberg-Saglio Dict. III 270, 24); der getötete Stier wurde vergraben (Theophr. bei Porph. II 30). Die spätere Fassung liegt bei Theophrast (bei Porph. II 29) vor: Ein ackerbauender Metoeke (Diomos oder) Sopatros hat sich seine ländlichen Opfergaben auf einem Tisch zurechtgelegt, um sie bei einem Staatsfeste in Athen den Göttern darzubringen. Da kommt ein Stier und frisst sie auf. Der Mann, darüber ergrimmt, ergreift ein Beil und erschlägt den Stier. Erschreckt über seine rasche That vergräbt er das Tier und geht in freiwillige Verbannung nach Kreta. Die Gottheit sendet zur Strafe Dürre und Misswachs. In Delphoi empfängt man das Orakel, der Verbannte in Kreta werde Heil schaffen, und nach Bestrafung des Mörders und Auferstehung des Gemordeten an demselben Opferfeste, bei dem er den Tod gefunden habe, werde es besser gehen, wenn sie von dem Gemordeten kosten und sich seiner nicht enthalten wollten, d. h. ein Speiseopfer darbringen. Sopatros wird zurückgerufen, [1057] opfert den Stier, alle essen von dem Fleisch, er selbst flieht, die andern werden vor Gericht gestellt, das Beil verurteilt, die Haut des Tieres ausgestopft, und diese Ceremonie wird alljährlich am Dipolienfeste wiederholt.

Der Sinn der Ceremonie ist offenbar, dass ein ursprünglich unblutiger Kult (vgl. Hesych. s. Διὸς θᾶκοι. Suid. s. Διὸς ψῆφος und Mommsen Heort. 450f.) in einen blutigen umgewandelt wurde. Zur Entschuldigung und Erklärung dieser Änderung des heiligen Brauches erfand man die Legende und den Orakelspruch. Der Priester, der das erste Rind am Altar, der für unblutige Gaben bestimmt war, tötete, hatte sich einer ἀσέβεια schuldig gemacht und ging dafür in die Verbannung. Die φυγή aber bleibt auch die Strafe jedes Priesters, der seither am Dipolienfeste den ersten Stier schlachtet.

Bemerkenswert ist das Gericht des Archon Basileus. Er richtete im Prytaneion 1) über unbekannt gebliebene oder entflohene Mörder; 2) über leblose Gegenstände, die den Tod eines Menschen verursacht hatten; 3) über Fälle von ἀσέβεια. Schon diese Thatsache schliesst aus, dass der Priester als vorsätzlicher Mörder vor seinen Stuhl citiert werden konnte; ebenso wenig die Teilnehmer, höchstens konnten sie als Zeugen im Process gegen den Abwesenden auftreten. Im übrigen sind die Fälle hier vermischt (vgl. Paus. I 28, 10). Die Sage aber enthält unzweifelhafte Spuren, dass es sich um einen Fall von ἀσέβεια handelt. Φυγὴν δὲ ἑκούσιον ἀράμενος ὡς ἠσεβηκώς heisst es bei Theophrast (Bernays 89 Z. 434), und in der ursprünglichen Fassung der Legende (bei Porph. II 10) geschieht die That gar nicht in Zornesaufwallung, sondern mit Überlegung: συνεργοὺς γὰρ λαβὼν τοὺς ἄλλους, ὅσοι παρῆσαν, (ὁ ἱερεὺς) ἀπέκτεινε τὸν βοῦν. Er hat sie also zu dem (verbotenen) Opfer überredet.

Der Priester (βουφόνος oder βουτύπος) wird dem Geschlecht der Thauloniden entnommen, die κεντριάδαι, die das Rind an den Altar treiben, und die δαιτροί dem der Keryken (Töpffer a. a. O.).

Vgl. ausser den bereits angeführten Stellen Ael. var. hist. VIII 3. Suid. s. Θαύλων. Hesych. s. βούτης, βουτύπον, κεντριάδαι, δαιτρός. Bekker anecd. I 221 und βουτύποι. Etym. M. 210, 31 s. βουφονία. Schol. Apoll. Rhod. Arg. II 91. Von Neueren ausser den Genannten: Schoemann Griech. Alt.³ II 505. Hermann Gottesd. Alt.² 420 § 61, 15ff. Boeckh-Fränkel Staatshaush. II 126. Preller-Robert Griech. Myth. I 131. Mannhardt Mythol. Forsch. (Strassburg 1884) 69ff. v. Wilamowitz Eur. Her. I 60. Band De Diipoliorum sacr. Ath., Halle 1873. Stengel Herm. XXVIII 489ff.

[Hoefer. ]