RE:Bonorum collatio
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Schadloshaltung durch Gleichstellung im Erbrecht | |||
Band III,1 (1897) S. 704 (IA)–705 (IA) | |||
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Bonorum collatio ist der Beitrag, den der Abkömmling eines Verstorbenen bei der Erbteilung den miterbenden anderen Abkömmlingen gewähren soll, um eine unbillige Ungleichheit der Vermögenslage zu verhindern. Man kann bei der collatio hier nicht ein Princip der Schadloshaltung von einem Princip der Gleichstellung unterscheiden (s. Köppen Lehrbuch des heut. röm. Erbrechts 1888 § 250); denn in Wahrheit tritt überall bei ihr eine Schadloshaltung durch Gleichstellung ein, und der Schaden, um den es sich handelt, ist eine unbillige Ungleichheit. Der alten Zeit erschien freilich eine Ungleichheit des Erwerbs mehrerer Kinder aus dem Nachlasse ihres Vaters nicht unbillig, doch kam in mehreren Fällen der entgegengesetzte Gedanke zur Anerkennung.
Diese Fälle sind: 1) Die collatio emancipatum. Das emancipierte Kind, das nach civilem Rechte keine Erbbefugnisse hatte, aber nach praetorischen Grundsätzen gleichberechtigt neben die Hauskinder trat, hatte vor dem Erbfalle, in der Zeit zwischen der Emancipation und dem Tode des Vaters, für sich selbst Vermögen erworben während aller Erwerb der Hauskinder in derselben Zeit dem Vater zugefallen war und sich darum in der Nachlassmasse befand. Deshalb wurden die Emancipierten zur Teilung des väterlichen Nachlasses nur dann zugelassen, wenn sie den Erwerb der genannten Zwischenzeit den Hauskindern gegenüber, die durch ihr Miterbrecht beeinträchtigt wurden, als Teil der Nachlassmasse gelten liessen, da ja auch diese Kinder das, was durch sie in demselben Zeiträume erworben worden war, als einen Erbschaftsteil ansehen mussten. Diese Gleichstellung der emancipierten Erben mit den Hauskindern war jedoch keine unbeschränkte. Solchen Hauskindern gegenüber, die der emancipierte Erbe durch seine Teilnahme an der Erbschaft gar nicht beeinträchtigte, brauchte er auch keinen Ausgleichungsbeitrag zu leisten. Es erklärt sich dies daraus, dass diesen Kindern die neuere praetorische Erbordnung ihre älteren civilen Erbrechte nicht minderte, es also auch nicht für nötig hielt, sie durch collatio zu entschädigen. Dadurch, dass die Hauskinder (im neuesten römischen Recht) in der Regel für sich selbst erwerben, wurde der Inhalt ihrer Collationsrechte gegenüber den emancipierten Kindern dementsprechend beschränkt (Näheres hierüber s. in Köppen Lehrb. des heut. röm. Erbrechts 1888 § 249 unter ββ). Die Collationspflicht konnte durch Auszahlung des Beitrages oder durch ein sicherstellendes Versprechen erfüllt werden, aut re aut cautione Dig. XXXVII 6, 1, 11.
2) Die collatio dotis. Unter den Hauskindern nahm die dotierte Tochter insofern eine bevorzugte Stellung ein, als die dos, die vom Vater kam, nicht in dessen Vermögen blieb, und die von einem andern der Tochter bestellte dos dem Vater nicht erworben wurde, während jede andere Zuwendung vom Vater an das Kind rechtlich dem Vater als Eigentum verblieb und jeder Erwerb der Hauskinder dem Vater zufiel und sich daher in der Regel in seiner Nachlassmasse befand. Die dos gehörte nämlich dem Manne, der sie bei Auflösung der Ehe nach des Vaters Tode nur der Gattin allein, nicht aber ihren Geschwistern herauszugeben [705] verpflichtet war. Um diese Bevorzugung der dotierten Tochter auszugleichen, musste sie den andern Hauskindern die dos conferieren. Späterhin, als die Hauskinder ihren Erwerb in der Regel für sich behielten, fiel die collatio der dos, die nicht vom Vater herrührte, weg; denn dieser Erwerb war seitdem nicht mehr vor dem sonstigen Erwerbe der Hauskinder bevorzugt. Die collatio dotis blieb also nur noch bei einer solchen dos übrig, die vom Vater herrührte. Hier wurde aber die dos als vorausempfangenes Erbgut conferiert, und so verlor die collatio dotis ihre Sonderstellung (Arndts Pand. § 526 Anm. 2b), da (s. u.) auch andere vorausempfangene Gaben des Vaters schliesslich conferiert werden mussten.
3) Der Grundgedanke der vom Vater bestellten collatio dotis wurde in der späteren Kaiserzeit (und noch mehr im deutschen Gewohnheitsrechte) weiterhin verallgemeinert (Collation der durch besondere Gaben bevorzugten Abkömmlinge). Nicht blos die dos sollte wie eine Vorauszahlung auf den Erbschaftsanteil behandelt werden, sondern auch die donatio propter nuptias (s. Donatio propter nuptias, und Leonhard Institutionen § 319 III b), ebenso auch die militia (der Erwerbspreis eines käuflichen Amtes), sogar unter besonderen Umständen die gewöhnliche Schenkung (Cod. VI 20, 17. 19. 20). Es liegt dem der Gedanke zu Grunde, dass vermutlich nach dem Wunsche der Eltern nach deren Tode alle Abkömmlinge in gleicher Weise aus ihrem Vermögen bedacht sein sollen. Iustinian führte diese collatio sogar unter solchen Testamentserben ein, die ohne Testament als Abkömmlinge gleichfalls berufen worden wären (Nov. 18, 6), während die ältere Zeit offenbar davon ausging, dass ein Testator, der in seinem letzten Willen eine B. c. nicht anordnete, diese jedenfalls nicht wünschte; denn noch im neuesten Recht war der Erblasser zu dem Verbote der Collation unbedingt berechtigt, insofern nicht etwa das Pflichtteilsrecht seiner Kinder dem entgegenstand (Dig. X 2, 39, 1 ex voluntate defuncti collationem cessare); vgl. Köppen Lehrb. des heut. Erbrechts § 261 Anm. 4.
Litteratur: Francke Grundzüge der Lehre des röm. Rechts von der Collation in dessen Civil. Abh. nr. 4 (1826). Fein Das Recht der Collation 1842. Köppen Lehrbuch des heutigen römischen Erbrechts 1888, 246ff. § 41ff. Leonhard Institutionen 371 § 118. Nähere Angaben bei Windscheid Pand. III § 609. Dernburg Pand.⁴ III § 139ff.