Boarium forum (Cic. pro Scauro 28) in Rom, Platz am Tiber, zwischen dem Fluss und den Abhängen des Capitols, Palatins und Aventins. Den Namen leitete man in der Kaiserzeit ab vom Weiden der Rinder des Geryones, die Hercules hierhergebracht habe (Propert. V 9, 17), oder von dem Bronzebild eines Stiers (Ovid. fast. VI 478. I 582), der aus Aigina als Kriegsbeute nach Rom gebracht war (Plin. XXXIV 10; vgl. Tacit. ann. XII 24): beides willkürlich, da vielmehr die Bestimmung als Viehmarkt die ursprüngliche, und wenigstens der Grosshandel in Vieh noch in später Zeit hier localisiert war (Inschrift der Ehrenpforte für Septimius Severus und seine Familie neben S. Giorgio in Velabro, CIL VI 1035: argentari et negotiantes boari huius loci qui invehent devoti numini[574]eorum; 204 n. Chr.). Das f. B. diente als Markt der ältesten palatinischen und der Septimontialstadt, erst nach der Vereinigung dieser mit der sabinischen Niederlassung auf dem Quirinal wurde der sumpfige Thalgrund zu Füssen des Capitols als Forum Romanum (durch Anlage der Cloaca maxima) der Bebauung gewonnen. Als uralt galt der Kultus des Hercules auf dem f. B.: der Gott sollte hier, nach Überwindung des Cacus, den Grossaltar (ara maxima Ovid. fast. I 576. Dionys. I 40. Serv. Aen. VIII 271. Tacit. ann. XII 24. XV 41. CIL VI 314–319) gegründet haben, in dessen Nähe dann sein runder (Liv. X 23, 3) Tempel (templum Herculis Invicti oder Victoris: Diod. IV 21. Tacit. ann. XV 41. Plin. X 79. XXXV 19. Fest. 242. Solin. I 10. Macrob. III 6, 10. Hemerologien zum 12. August, s. CIL I² p. 324) errichtet war (De Rossi Ann. d. Inst. 1854, 28ff.). Einen zweiten, auch bei der Ara maxima, erbaute Pompeius (Vitruv. III 2, 5. Plin. XXXIV 57), letzterem gehören zum Teil die unter die Kirche S. Maria in Cosmedin erhaltenen Reste an, während der Rundtempel und die Ara maxima nördlich von der Kirche gelegen haben müssen. Auf dem f. B. lagen ferner: ein Tempel der Fortuna (Liv. XXIV 47, 15. Dionys. IV 27) und der Mater Matuta (Liv. V 19, 6. XLI 28, 8. Ovid. fast. VI 481. Hemerologien zum 11. Juni, s. CIL I² p. 320), letzterer wahrscheinlich jetzt Kirche S. Maria Egiziaca, ersterer ihm nördlich benachbart (beide zusammen genannt Liv. XXXV 7, 6. XXXIII 27, 4); ein Tempel des Portunus, vielleicht der noch erhaltene Rundtempel am Tiber (Portunium, Fronto ad Marcum I 7 p. 19 Nab. Hemerologien zum 17. August; derselbe Name durch Conjectur herzustellen bei Varro de l. 1. V [573] 145 und in der Not. reg. XI), endlich ein kleines Heiligtum der Pudicitia patricia nahe dem runden Herculestempel (Liv, X 23, 3. Fest. 242). Nach der Galliereroberung sollen bei dem doliola genannten Orte (s. d.) Heiligtümer vergraben sein. [574] Die öfters hierher gerechneten Tempel der Ceres und der Felicitas liegen schon nicht mehr im Gebiete des f. B. Das f. B. war ein lebhafter Platz, inmitten eines volkreichen Viertels (dreistöckige Häuser schon vor dem zweiten punischen Kriege, [575] Liv. XXI 62, 3); ein Brand verheerte es im J. 210 (Liv. XXXV 40, 8), doch wurden die zerstörten Gebäude mit etwas veränderter Orientierung bald wieder aufgebaut (Lanciani Not. d. scavi 1890, 213. Bull. com. 1892, 279). Das erste Gladiatorenspiel sah Rom 264 v. Chr. auf dem f. B. (Valer. Max. II 4, 7). In Zeiten der Not wurden (sogar noch in der Kaiserzeit, Plin. XXVIII 12) auf dem f. B. Menschenopfer durch lebendig Begraben dargebracht (Liv. XXII 57, 6. Oros. IV 13, vgl. Dio frg. 47 = Zonar. VIII 19, 9). An das Forum stiessen die ältesten Navalia, der Circus maximus und in späterer Kaiserzeit die statio annonae (s. d.); die älteste Brücke Roms, der pons sublicius, sowie die erste Steinbrücke, pons Aemilius, verbanden das f. B. mit dem rechten Tiberufer (Ovid. fast. VI 478). Erhalten sind, ausser den erwähnten Tempelresten und der kleinen Ehrenpforte der argentarii et negotiantes boari (s. o.; Reber Ruinen Roms 345) noch der sog. Ianus quadrifrons, ein vierthoriger Bogen (s. d.). Erwähnt wird das f. B. noch bei Fest. ep. 30, im Appendix der constantinischen Regionsbeschreibung, bei Polem. Silv. (Mommsen Chron. min. I 545), bei Aethic. p. 716 Gron. Ein antikes, auf dem Esquilin 1668 gefundenes Bild stellt u. a. auch den forus boarius und forus olitorius dar; die Beziehung auf Rom ist wahrscheinlich (Hülsen Röm. Mitt. 1896, 213–226), aber die schematische Darstellung für unsere Kenntnis der Topographie von geringem Werte. Vgl. Jordan Top. I 2, 474–487. Gilbert I 74–80. III 433–441. Hülsen Atti dell’Acc. Pontificia di Archeologia N. S. VI 231–275.
Vgl. jetzt Richter Topogr.² 184-192; über Portunus v. Domaszewski Österr. Jahresh. II (1899) 182f. Maass Griechen und Semiten auf dem Isthmus von Korinth (Berlin 1902) 131-135.