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RE:Avulsio

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Losreissen eines Stück Landes durch Naturgewalt
Band II,2 (1896) S. 26142615
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Avulsio ist ein Ausdruck, der bei Plinius vorkommt (n. h. XVII 9 arbores avulsione proveniunt), und erst in der nachrömischen Zeit in die juristische Redeweise eingedrungen ist (Landucci Archivio giuridico XXXI 157, 2. Schneider Krit. Vierteljahrsschrift f. Gesetzgeb. und Rechtswissenschaft XXVII 80). In dieser bedeutet es die Losreissung eines Stückes Land aus seinen Eigentumsgrenzen durch die Strömung eines Flusses oder auch durch eine andere Naturgewalt (Erdrutsch oder Bergsturz), Dig. XXXIX 2, 9, 2. Im neuesten römischen Rechte darf der Grundeigentümer das losgerissene Stück seines Bodens vom Besitzer zurückverlangen. Andererseits kann auch dieser beanspruchen, dass der Eigentümer es entweder abholt oder ihm überlässt (Schneider a. a. O. 86). Ist jedoch ein bewachsenes Stück Land vom Flusse abgerissen und an ein fremdes Ufer angeschwemmt (unbewachsene Landstreifen pflegen, wenn sie abgerissen sind, sich aufzulösen oder zu versinken), so verliert der Eigentümer des Stückes sein Recht zu Gunsten dessen, dem das Uferland gehört, von dem Zeitpunkte ab, in dem die Baumwurzeln des angeschwemmten Stückes in die Erde des Ufergrundstückes hineingewachsen sind. Dieses Hineinwachsen gewährt im Gegensatze zu der gewöhnlichen implantatio nicht blos Eigentum an der [2615] eingewurzelten Pflanze, sondern an dem ganzen Erdstücke, auf dem sie stand (andrer Meinung in Anlehnung an ältere Schriftsteller Landucci a. a. 0. XXXI 157ff. 498ff., vgl. dagegen die bei Windscheid Pandekten I § 188 A. 24 Aufgeführten), Gai. II 71. Inst. II 1, 21 und Theophilus paraphras. ad h. l. Dig. XLI 1, 7, 2. Das ältere Recht unterschied nach Hyginus grom. p. 124ff. Lachm. die agri occupatorii, welche nicht von Agrimensoren abgegrenzt waren (Karlowa Röm. Rechtsgeschichte II 430ff.), von der divis aet assignata regio, und liess nur bei dieser das später allgemein gewährte Rückforderungsrecht des Eigentümers auf das vom Flusse abgerissene Land zu (nihil amittet possessor), während bei den ersteren der Satz galt: Quidquid vis aquae abstulerit, repititionem nemo habebit. Ebenda ist berichtet, dass Cassius Longinus das vom Po abgerissene Land da, wo keine vis maior vorlag, dem bisherigen Eigentümer nicht zurückgewähren wollte, weil er ripam suam sine alterius damno tueri debet, vgl. Sic. Flacc. p. 150. 151. Frontin. p. 51, auch Dig.XLIII 15. Cod. VII 41, 1. Diese Unterschiede sind dem späteren Rechte vielleicht dadurch verloren gegangen, dass die obrigkeitliche Fürsorge den erwähnten mittelbaren Zwang zur Uferbefestigung überflüssig erscheinen liess.

Litteratur: siehe die unter Aqua angeführten Schriftsteller des Wasserrechtes. Bechmann Zur Lehre vom Eigentumserwerb durch Accession und von den Sachgesamtheiten 1867, 27. Windscheid Pandekten I 188, 4. Landucci Archivio giuridico XXXI 157ff. 498ff. Pampaloni ebd. XXXI 424, 95. XXXII 167ff.; Rivista critica delle scienze giurid. II 44; Sopra l’isola formata per avulsione Prato 1885; Studii Sinesi III 241f. Serragli Archivio giuridico XLI 477–492. Schneider Krit. Vierteljahrsschr. für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft XXVII 80–86. XXVIII 366ff. XXX 56ff. Karlowa Röm.Rechtsgesch. II 431.