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RE:Autorrecht

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Recht des Schriftstellers zur freien Verfügung über die Verbreitung seiner Werke
Band II,2 (1896) S. 26082611
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Autorrecht, d. h. das gesetzlich anerkannte Recht eines Schriftstellers und seiner Rechtsnachfolger, über die Verbreitung seiner litterarischen Erzeugnisse durch längere oder kürzere Zeit noch nach ihrem ersten Bekanntwerden frei zu verfügen, gab es im Altertum nicht, somit auch keine Anerkennung des sog. geistigen Eigentums im modernen Sinne, insbesondere auch kein Verlagsrecht der Buchhändler, das diese nur durch Übertragung seitens der Autoren oder durch Privilegien, von denen sich keine Spur im antiken Buchhandel findet, hätten erwerben können (s. z. B. L. Friedländer Sitt.-Gesch. III⁵ 381). Die entgegenstehenden Ansichten neuerer Gelehrten, wie z. B. von Th. Birt Ant. Buchw. 358, 2 und Fr. Blass Handb. d. kl. Alt. I 319f., zum Teil auch von L. Haenny Schriftst. u. Buchh. im alt. Rom (1885) 107ff., sowie von einzelnen älteren Juristen (s. bei J. Kohler in Jhering Jahrb. f. Dogm. XVIII 457) sind als irrig zu bezeichnen; vgl. Dziatzko Rh. Mus. XLIX 559ff. Nur solange die Schrift eines antiken Autors in seinen Händen blieb, war sie natürlich als sein Privateigentum geschützt und konnte von ihm verschenkt, verkauft, Privatleuten oder Buchhändlern zum Abschreiben überlassen oder in selbstbesorgten Abschriften verbreitet werden. In Griechenland lebten Redner von der Abfassung der Gerichtsreden für andere, Dichter, wie Simonides und Pindar, von den Festgesängen, die sie auf Bestellung der Städte, hervorragender Geschlechter und Fürsten dichteten. In Rom verkauften die scenischen Dichter ihre neue Stücke – aber nur diese – an die Festgeber mit einem gewissen Risico der Theaterdirectoren (Ter. Eun. 20; Hec. 56f. und Donat z. d. St. Suet. v. Ter. p. 29 Rff.; vgl. p. 35. Laber. 55 versorum, non nummorum numero studuimus. Hor. ep. II 1, 175f. Ovid. trist. II 507ff. Iuven. VII 87. Macrob. II 7, 7), und Terenz wollte die Hecyra, die infolge eigentümlicher Verhältnisse das erstemal (589 = 165) nicht aufgeführt werden konnte, sich nochmals bezahlen lassen (Hec. 6f.), was wohl beweist, dass mit dem (einmaligen) ersten Bekanntwerden ein Drama aus dem ausschliesslichen Eigentum und dem Verfügungsrecht des Verfassers trat. Dass es Gemeingut wurde und verschiedene Direktoren, auch minder erwünschte, das gleiche Stück auf die Bühne bringen durften, lehrt Plaut. Bacch. 214f. [2609] (anders Ritschl Parerg. 331 und Dziatzko Rh. Mus. XXI 471ff.). Um Verkauf aus dem Privatbesitz handelt es sich auch Plin. ep. III 5, wo dieser von seinem Oheim berichtet, er hätte seine Collectaneen und Commentare, die später der jüngere Plinius erbte, in Hispanien an Largius Licinius, einen Beamten und Schriftsteller, welcher sich dadurch der Mühe eigener Sammlungen überheben wollte, für 400 000 Sesterze verkaufen können (vgl. Mart. II 20. X 102, 3. u. XII 46. I 29, 4. 66, 5ff.). Auch bei Suet. de gramm. 8 mit den Elenchi des Pompilius Andronicus und früher bereits mit den Büchern des Philolaos, sowie denen des Speusippos (Gell. III 17. Diog. Laert. III 9. IV 5) handelt es sich um sonst nicht zugängliche Einzelexemplare, und ebenso haben wir Digest. XXXII 76 an unedierte Privatexemplare zu denken (vgl. Instit. II 1, 33). Principiell wäre daher eine Honorarzahlung an den Autor seitens des Buchhändlers, welcher zuerst eine Schrift vervielfältigte zum Zwecke des Vertriebes, nicht ausgeschlossen gewesen, aber sie war für ihn geschäftlich zu gewagt, da nach dem Verkauf der ersten Exemplare es jedem freistand, weitere Abschriften davon zu nehmen. Bestimmte Nachrichten von Honorarzahlung seitens der Buchhändler finden sich auch nirgends, vielmehr trugen sogar Schriftsteller von dem Ansehen eines Cicero unter Umständen zu den Kosten der Veröffentlichung ihrer Schriften zum Teil selbst bei (ad Att. XIII 25, 3). Horaz (a. p. 345 hic meret aera liber Sosiis) spricht nur vom Verleger, dem ein gutes Buch Gewinn bringt. Dagegen hatte sich eine andere Gewohnheit ausgebildet, welche dem bedürftigen Schriftsteller eine Verwertung seines Talents ermöglichte. Er schenkte oder widmete einzelne Gedichte oder ganze Bücher bei ihrem ersten Schritte in die Öffentlichkeit reichen Freunden und Gönnern, welche diese ihren Namen zugleich mit dem Schriftwerk verbreitende Ehre mit entsprechenden Geschenken erwiderten. Diese Sitte war wohl in Alexandrien aufgekommen und gestaltete sich in Rom vom Ende der Republik an zur mehr oder weniger verschämten Bittstellerei. Bereits Horaz besingt c. IV 8 den Preis, die Unsterblichkeit, mit welcher Dichter beschenken konnten (vgl. Censor. de d. nat. I 5), und mit diesem Preise wussten spätere Schriftsteller wie Statius und Martial sehr gut zu rechnen. Unter dem praemium libellorum bei Mart. X 74, 7 ist nicht mit Fr. Blass (a. O. I 319) ,das feste Honorar‘ (der Buchhändler), sondern sind Geschenke der Gönner zu verstehen. Diese übernahmen wohl auch die Kosten der Herausgabe oder doch einer besonders schönen Ausstattung (Mart. ep. 3, 2). Eine Honorarzahlung konnte also nicht zur Begründung fester, rechtlicher Verhältnisse zwischen Autor und Verleger führen. Manches spricht noch entschieden dagegen: Cicero arbeitet seine Academica um, obschon von Atticus bereits Abschriften der ersten Ausgabe hergestellt waren (ad Att. XIII 13, 1); er lässt durch Atticus eine Schrift des Hirtius wegen des für ihn schmeichelhaften Inhaltes verbreiten (ad Att. XII 40, 1). Nicht selten wurden Schriften durch Freunde oder Schüler des Verfassers ohne dessen Vorwissen veröffentlicht (Quint. inst, or. I prooem. 7. III 6, 68 und Galen an mehr. Stell.; vgl. Birt [2610] Buchw. 346), ja selbst auf Grund entwendeter Exemplare (Diod. Sic. V 186 Dind.; s. auch C. Wachsmuth Rh. Mus. XLV 476 über Diod. I 5, 2). Auch das Vorgehen Hermodors mit den Schriften Platons (s. Suid. s. λόγοισιν Ἑρμόδωρος ἐμπορεύεται) ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Collegiale Rücksichten und die Furcht vor Repressalien, sowie der grosse Vorteil, welchen der Besitzer des Autographons vor anderen Buchhändlern hinsichtlich der Herstellung von Abschriften hatte, mögen freilich in Rom dahin geführt haben, dass in der Regel nur einzelne bibliopolae die Schriften der einzelnen Autoren verlegten. Von Martials Epigrammen wurden Bd. I—IV bei Tryphon (IV 72, 1f.), Bd. I in schön ausgestatteter Chartarolle bei Atrectus (I 117, 10ff.), den man für einen Kleinhändler (Sortimenter) hält, wenigstens Bd. I und II als Pergamentband (I 2) verkauft; damit ist aber nicht gesagt, dass nicht noch andere Buchhändler die gleichen Gedichte vervielfältigten und feilboten. Einen rechtlichen Schutz des Autors oder Verlegers hat es jedenfalls nicht gegeben. Mit Unrecht beruft man sich dafür auf Sen. de benef. VII 6, 1: libros dicimus esse Ciceronis; eosdem Dorus librarius suos vocat, et utrumque verum est. alter illos tamquam auctor sibi, alter tamquam emptor adserit: at recte utriusque dicuntur esse, utriusque enim sunt, sed non eodem modo: sic potest T. Livius a Doro accipere aut emere libros suos. Wie in allen vorausgehenden Beispielen braucht Dorus nicht der einzige zu sein, der dem andersgearteten Besitzer (hier Cicero) gegenüber eine Sache als ein Eigentum in Anspruch nimmt. Käufer der Bücher Ciceros heisst er vermutlich, weil er — vielleicht aus des Atticus Nachlass — die Originale jener gekauft hatte und darnach als librarius besonders geschätzte Abschriften herstellte. Klaren Ausdruck giebt Symmachus dem factischen Verhältnis in einem Briefe an Ausonius (epist. I 31 [25]); set in eo mihi verecundus nimio plus videre, quod libelli tui arguis proditorem. nam facilius est ardentes favillas ore comprimere quam luculenti operis servare secretum. cum semel a te profectum carmen est, ius omne posuisti; oratio publicata res libera est; auch Martial I 52, 7 bezeichnet seine einmal veröffentlichten Verse als manu missos, die der Verfügung des Autors also entrückt sind. Sehr bezeichnend für die durch kein Autor- oder Verlagsrecht beschränkte Freiheit der Herstellung und des Verkaufes von Abschriften sind die Bestimmungen, welche Kaiser Iustinian trifft, um den Gebrauch von Abkürzungen (sigla) in den auf seinen Befehl ausgearbeiteten Rechtsbüchern zu verhindern, de confirm. Dig. § 22 (… ipse autem librarius, qui eas inscribere ausus fuerit …, si et ipse dominus ignorans talem librum vel comparaverit vel confici curaverit); vgl. Iust. ad Antecess. § 8 und de concept. Dig. § 13 und de emend. Cod. 2. Der Grund solcher Verhältnisse, welche dem Autor eine Verwertung seines geistigen Eigentums nur bei dessen erster Herausgabe gestatteten, lag in der Unmöglichkeit, berechtigte und unberechtigte Abschriften eines litterarischen Werkes nach sicheren Merkmalen äusserlich zu unterscheiden. Erst die Buchdruckerkunst bot dazu die Möglichkeit, [2611] und selbst dann fand ein Schutz des Autorrechtes erst sehr spät, der des Verlagsrechtes zunächst nur auf dem unzureichenden Wege des Privilegiums statt.