RE:Aule 4
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Der ummauerte Hof des Hauses | |||
Band II,2 (1896) S. 2401 (IA)–2402 (IA) | |||
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4) Αὐλή, aula, der Hof, der mit dem Hause verbundene ummauerte Platz, besonders häufig erwähnt bei Homer. Die α. der heroischen Zeit kennen wir teils aus den Andeutungen der homerischen Gedichte, teils durch die Ausgrabungen von Tiryns (Schliemann Tiryns 200ff.). Sie liegt vor dem Hause, zwischen der Strasse (in Tiryns ist noch ein äusserer Hof vorgelegt) und den Hauptwohnräumen, namentlich dem grossen Saale (μέγαρον). In Tiryns ist sie viereckig, und auch bei Homer kann dies ohne Schwierigkeit angenommen werden. Säulen- oder Pfeilerhallen (αἴθουσαι, s. d.) umgeben sie ganz oder teilweise; namentlich deutlich bezeugt ist bei Homer die der Eingangsseite, mit der der Strasseneingang (πρόθυρον) in enger Verbindung steht, wie auch in Tiryns, daher auch die Bezeichnung der Strassenthür (οὖδος αὔλειος Od. I 104, αὐλεῖαι θύραι ΧΧIIΙ 49) als αἰθούσης θύραι (Od. XVIII 101; vgl. auch XXII 449 mit XXIII 49) und das öfter wiederkehrende ἐξέλασαν (-σεν) προθύροιο καὶ αἰθούσης ἐριδούπου. An der Rückseite liegt die Vorhalle (πρόδομος; auch αἴθουσα, s. d.) des Megaron, ebenda, vielleicht auch seitwärts, die πρόδομοι anderer Wohnräume (θάλαμοι Il. IX 473; Od. I 425). In Tiryns sind αἴθουσαι auf allen vier Seiten, aber einzelne Hallen, keine umlaufende Porticus. In der α. steht der Altar des Zeus Herkeios (Od. XXII 334. 375. 379; vgl. Il. XI 473), dessen Fundament in Tiryns erhalten ist, und die θόλος, ein Kuppelbau unbekannter Bestimmung (Küche? dass in der α. auch gekocht wurde, zeigt Od. II 300), nach Od. XXII 442. 459 nahe einer Ecke des Hofes.
[2402] Α. heisst bei Homer auch das ländliche, rings von einer Mauer umgebene Gehöft, Od. XIV 5 (so auch lateinisch aula, Prop. IV 13, 39), sonst μέσσαυλον (oder –ος?). So war auch das Blockhaus des Achilleus rings von einem Hofe umgeben, Il. XXIV 452. Dass dies auch bei den Anaktenhäusern, namentlich in der Ebene, manchmal der Fall war, ist eben deshalb wahrscheinlich, und auch beim Hause des Odysseus ist es nicht ausgeschlossen, wenn auch nur von dem vor dem Hause liegenden Teil der α. die Rede ist.
Auch in der attischen Blütezeit gehört zum Hause die davorliegende α. So war sie bei dem gewiss bescheidenen Hause des Sokrates (Plat. Protag. 311 a) und bei Lysias I 17; man betrat sie durch die αὔλειος θύρα und kam aus ihr durch die μέταυλος (später μέσαυλος) θύρα (s. d.) in die eigentlichen Wohnräume. Beide Thüren werden oft erwähnt, z. B. Lysias a. O., vgl. auch Plat. symp. 212 c. d. Bei Plat. Protag. 314 e ff. hat der Hof des Kallias wenigstens auf der Eingangs- und Rückseite Säulenhallen (ob auch seitwärts, bleibt zweifelhaft), also ganz ähnlich wie bei Homer. Auch der Altar behauptete seinen Platz, Plat. rep. I 328 c. Harpocr. s. ἕρκειος Ζεύς. Eust. Od. 1930, 26.
Indem die Säulenhallen ganz herum geführt und ringsam Wohn- und Wirtschaftsräume angelegt wurden, wurde die α. aus einem Vorhofe zu einem Binnenhofe, zum περίστυλον, peristylium, der Andronitis des von Vitruv VI 9 (7) beschriebenen Palastbaues, welches dann mit letzterem Namen auch dem italischen Atriumhause angefügt wurde. Auch den Peristylien der Andronitis und Gynaikonitis kam der Name α. zu; daher die sie verbindende Thür μεσαύλιος; vgl. auch Vitr. VI 9 (7), 5. Ein zweiter Hof als Mittelpunkt der Gynaikonitis ist schon in Tiryns.
Da bei reicherer Entwicklung des Hausbaues die α. immer mehr der Mittelpunkt der ganzen Anlage wurde, so wurde α. Bezeichnung eines grossen und reichen Hauses, namentlich des Königspalastes. So schon Hom. Od. IV 74, und später oft, namentlich bei Dichtern, aber auch wiederholt bei Polybios, z. Β. V 26, 9. Auch lateinisch wird aula in diesem Sinne gebraucht, ganz wie bei uns ‚Hof‘, s. die Lexica. Bei Hor. ep. I 1, 87 ist aula eine uneigentliche, griechisches und römisches vermischende Bezeichnung des Atrium: das Atriumhaus hat keinen Hof; der ländliche Hof heisst cohors.
Litteratur s. unter Haus.