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RE:Ἀπαγωγή

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Athenisches Anklageverfahren
Band I,2 (1894) S. 2660 (IA)–2661 (IA)
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Ἀπαγωγή, Abführung, ist in Athen der Name eines besonderen Anklageverfahrens, bei welchem ursprünglich der auf frischer That ertappte Verbrecher in das Gefängnis abgeführt und, wenn er geständig war, sofort bestraft, wenn er leugnete in Haft behalten (Demosth. XXIV 146) und vor Gericht gestellt wurde. Es gab also bei diesem Verfahren keine πρόκλησις. Später konnte an die Stelle der wirklichen Abführung eine schriftliche Anzeige treten, welche gleichfalls ἀ. hiess (Lys. XIII 85. Demosth. LIV 1. Bekk. anecd. 414, 9), der Begriff auf frischer That ἐπ` αὐτοφώρῳ (s. d.), wurde abgeschwächt zu blossem ‚offenbar‘ (Lys. a. O.), daher man jetzt auch sagte κλέπτης ὢν ἐπ` αὐτοφώρῳ, Isai. IV 28, endlich wurde der Verhaftete gegen Stellung von drei Bürgen freigelassen (Ant. V 17).

Dies Verfahren fand statt 1) gegen die κακοῦργοι (Harpokr. s. ἄπαγε), worüber es ein besonderes Gesetz gab (Ant. V 9), d. i. gegen κλέπται (in schwereren Fällen, vgl. Demosth. XXIV 113), ἀνδραποδισταί, λωποδύται (Lys. X 10). τοιχώρυχοι (Demosth. XXXV 47) und βαλλαντιοτόμοι (Xen. mem. I 2, 62. Plat. rep. IX 575 b). Die ἱερόσυλοι, welche vielfach mit jenen zusammengestellt werden, standen nicht im Gesetze der κακοῦργοι (Ant. V 10). Einleitende Behörde waren die ἕνδεκα, Strafe der Tod (Arist. resp. Ath. 52). Der Ankläger dagegen verfiel in die Strafe der 1000 Drachmen, wenn er nicht den fünften Teil der Stimmen erhielt (Demosth. XXII 26). Dies Verfahren wurde später auch auf Unredlichkeiten im Marktverkehr angewandt (Athen. VI 226 a. CIA II 476).

[2661] 2) Gegen die ἄτιμοι, die sich die Ehrenrechte anmassten (Poll. VIII 49. Demosth. XXIV 105), dazu gehören auch Verbannte, sei es wegen Mord oder Verrat, die ins Land zurückkehren (Demosth. XXIII 28. Lykurg. 121. Dein. I 44), und wenn es schon ursprünglich in der Absicht des Gesetzgebers lag, dass auf diesem Wege nur solche belangt werden sollten, die die Ehrenrechte durch Rechtsspruch verloren hatten, so bediente man sich dieses scharfen Verfahrens später auch gegen die, denen man ein Verbrechen schuld gab, das mit Atimie verbunden war, z. B. gegen den Mörder, der sich in Tempeln oder auf dem Markte blicken liess (Demosth. XXIII 80), und spätere Gesetze gestatteten ein solches Vorgehen ausdrücklich (Demosth. XX 156. LVIII 11). Dadurch musste die ἀ. bedeutend an Ausdehnung gewinnen, und es wird in diesen Zusammenhang auch die gegen ἀσέβεια gerichtete ἀ. gehören (Demosth. XXII 27). Diese Art der ἀ. war schätzbar (Demosth. XXIV 105), wenn auch die Strafe des Mörders und des Bannbrüchigen selbstverständlich der Tod war (Demosth. XXIII 80). Die Vorstandschaft hatten teils die ἕνδεκα (Demosth. XXIV 105), teils die Thesmotheten (Demosth. XXIII 28; vgl. Arist. resp. Ath. 52). Der Ankläger war gleichfalls in Gefahr, 1000 Drachmen zu verlieren (Demosth. XXIII 80).

Auch die beiden vorhandenen Reden über ἀ. in Mordprocessen, Ant. V und Lys. XIII, fallen, glaube ich, unter den Gesichtspunkt der ἄτιμοι, die sich die Ehrenrechte angemasst, wenn gleich in beiden Reden derselbe nicht zu Tage tritt. Bei Antiphon spricht dafür, trotz des Geredes über die κακοῦργοι § 9, der Umstand, dass der Process schätzbar ist, § 10, bei Lysias das Bestreben, den Agoratos als ἀνδροφόνος hinzustellen, § 81. 82. 88; vgl. Demosth. XXIII 80. Andere erklären die Anwendbarkeit der ἀ. daraus, dass in beiden Fällen die Angeklagten Nichtbürger waren (Meuss De ἀπαγωγῆς actione apud Athenienses 27, vgl. 25). Vgl. Meier-Lipsius Att. Proc. 273. Meuss a. a. O. Sorof Jahrb. f. Phil. 1883, 105, s. auch Ἔνδειξις.