Ancile. Zu den Symbolen des italischen Altertums und zu den Palladien der römischen Herrschaft gehörten die 12 ancilia (nach den Monaten des Jahres, Preller Röm. Myth. I 189. 334, 1), der Hauptbestandteil des Waffenschmuckes der Salii. Diese heiligen Schilde – nach ihnen konnte jeder ähnlich gestaltete Schild besonders in altertümlicher Redeweise a. genannt werden – waren von länglich-runder oder ovaler Gestalt, in der Mitte der beiden Seiten halbkreisförmig ausgeschweift, so dass sie dem Boden einer Violine ähnelten. Nach einigen auf Münzen vorkommenden Darstellungen scheinen sie aus zwei kreisförmigen Platten bestanden zu haben, auf welchen ein sie zusammenhaltendes ovales Mittelstück befestigt war (Fest. ep. p. 131 s. Mamuri. Varro de l. l. VII 43. Dionys. ant. II 70. Plut. Numa 13. Non. p. 554. Isid. Orig. XVIII 12. Gloss. Cyr. Baumeister Denkm. 1547. Marquardt Staatsverw. III 429ff.). Nach der Etymologie der Alten ist a. zusammengesetzt aus amb (= ἀμφί, utrimque) und caedo, wie Varro a. a. O. sagt: ancilia dicta ab ambecisu, quod ea arma ab utraque parte, ut Thracum, incisa. Preller Röm. Myth. I 355f. Andere bringen das Wort mit ἀγκύλος gekrümmt, ἀγκύλη die Öse zusammen; Kettner Varron. Stud. 8 Anm. Dagegen spricht Ovid (fast. III 377f.) atque ancile vocat, quod ab omni parte recisum est, quaque notes oculis, angulus omnis abest nur von einem kreisrunden Schilde ohne Ausschnitt. Auf einer Bronze des Domitianus (Cohen Méd. imp. I² 476, 72) findet sich ein kreisrunder Salierschild abgebildet und runde ancilia ohne Ausschnitt führen auch auf zwei Reliefdarstellungen [2113] die Salier von Anagnia und Tibur (Marquardt a. a. O. 431). Vielleicht trugen nur die (zwölf) salii Palatini, der Sage nach das ältere Collegium, welches von Numa mit der Bewachung der zwölf ancilia betraut worden war, solche ancilia von der ausgeschweiften Form, während die salii Collini mit runden ancilia ohne Ausschnitt ausgerüstet waren. Nach der besonders bei Ovid fast. III 357ff. Dionys. II 70f. Plut Numa 13. Fest. ep. p. 131 erhaltenen Überlieferung soll im 8. Jahre der Regierung des Numa ein zu beiden Seiten ausgeschnittener Schild vom Himmel (nach den späteren Dichtern, namentlich Lucan. IX 475. Stat. silv. V 2, 132 alle ancilia; caelestia Martis arma bei Ovid fast. III 259. Liv. I 20, 4) in die regia Numae oder gar in dessen betend emporgestreckte Hände gefallen sein, und Numa, dem eine Stimme verkündete, dass von der Erhaltung des Schildes das Heil und die Macht des Staates abhänge, liess durch den Künstler Mamurius Veturius, dessen Name zum Dank in das carmen saliare aufgenommen wurde, elf ganz gleiche machen, damit der echte nicht von Feinden herausgefunden und geraubt werden könnte. Aufbewahrt wurden die ancilia in der curia saliorum Palatinorum (sacrarium Martis) auf dem Palatinus (Cic. de div. I 17. Dionys. frg. XIV 2, 5. Val. Max. I 8, 11. Serv. Aen. VII 603. VIII 3. Hist. Aug. Heliog. 3, 4. Becker Topogr. 230. Jordan Topogr. II 271ff.; vgl. aber Preller Röm. Myth. I 353); im März – die Feier begann am 1., an welchem das a. vom Himmel gefallen sein soll, und dauerte fast den ganzen Monat hindurch (Polyb. XXI 10, 12. Dionys. II 70. Liv. XXXVII 33. Lyd. de mens. III 15. IV 29. 42. Minuc. Fel. Oct. 24. Photius Amphil. 134. Serv. Aen. VIII 285. CIL I p. 387) – wurden sie in feierlichem Umzuge unter Absingung von Liedern, mit Waffentanz und Reigen von den Saliern durch die Stadt getragen (ancilia ferre, movere, Liv. I 20, 4; epit. LXVIII. Val. Max. I 1, 9) – jeden Tag endete die Procession an einem Stationshause (mansio, CIL VI 2158, dazu Orelli 2244), in welchem die ancilia die Nacht über blieben, während die Salier daselbst ein prächtiges Mahl einnahmen – und schliesslich wieder feierlich aufbewahrt (ancilia condere). Vom 24. März an hörte der Dienst der ancilia auf, bis am 19. Oktober wieder ein armilustrium auf dem Aventin stattfand, nach welchem sie für den Winter reponiert wurden. Alle diese Tage, während welcher die ancilia in Bewegung waren, galten für religiosi und ungeeignet für jede öffentliche und private Unternehmung; an ihnen vermied man in den Krieg zu ziehen (Suet. Otho 8. Tac. hist. I 89), eine Schlacht zu liefern (Fest. ep. p. 226), eine Ehe zu schliessen (Ovid fast. III 393) und kämmte die flaminica Dialis ihr Haar nicht (Ovid fast. III 397). Marquardt a. a. O. 436f. Preller Röm. Myth. I 365f. Ruggiero Diz. I 466f.