Ampe (Ἄμπη), Stadt am persischen Meerbusen, an der vorüber der Tigris ins Meer fliesst, und die Dareios I. im J. 494 den gefangenen und zunächst nach Susa geführten Milesiern als Wohnort anwies (Herod. VI 20 κατοίκισε ἐπὶ τῇ Ἐρυθρῇ καλεομένῃ θαλάσσῃ ἐν Ἄμπῃ πόλι, παρ’ ἣν Τίγρης ποταμὸς παραρρέων ἐς θάλασσαν ἐξίει). Aus Herodotos entnimmt Steph. Byz. Namen und Lage (πρὸς τῇ Ἐρυθρᾷ θαλάσσῃ) der Stadt, und auch Iohannes Tzetzes (12. Jhdt.) erwähnt sie (Chil. VII 992). Die von Herodotos angegebene Lage der Stadt stimmt in so auffallender Weise überein mit der des Dorfes Aginis (s. d.) in Susiane, das nach dem παράπλους des Nearchos (frg. 35 Müll. Arr. Ind. 42, 4. Strab. XV 729) in der Nähe der Einmündung des Tigris in eine Lagune (λίμνη) lag und von Susa 500 Stadien entfernt war (πλησίον δὲ τοῦ στόματος [τοῦ Τίγριος] κώμην οἰκεῖσθαι τὴν Σουσιανήν, διέχουσαν τῶν Σούσων σταδίους πεντακοσίους Strab.), dass man schon daraus auf die Identität von A. mit Aginis schliessen könnte. Aber es lässt sich ausserdem zeigen, dass auch die beiden Namen identisch sind. Neben der von Nearchos gebrauchten Namensform Ἄγινις muss es nämlich noch eine andere, Ἀγίνη, gegeben haben, denn der Name Aple, ΑΠΛΗ, den jenes Dorf bei Plinius (n. h. VI 134), in einer vermutlich aus dem Fahrtbericht des Onesikritos geschöpften Stelle, führt, ist zweifellos aus ΑΓΙΝΗ verlesen (s. u. Aginis und Aple); und vielleicht ist auch der Name der urbs regia Durine bei Plinius (n. h. VI 138) eine Corruptel oder eine Contraction für Duragine (s. u. Alexandreia Nr. 13). Auf ΑΓΙΝΗ ist aber nun auch ΑΜΠΗ zurückzuführen, das ein alter Fehler ist, wie es deren im Text des Herodotos noch mehr giebt (man denke an ὡυτός, das Herod. V 52 für ζάβατος [s. d.], den Namen der beiden bekannten Nebenflüsse des Tigris, steht). Bereits Steph. Byz. hat ihn dort vorgefunden. Aber schon viel früher ist dieser Fehler seinerseits wieder die Veranlassung zu einem anderen Fehler geworden, denn der Name der Stadt Auge, ΑΥΓΗ (s. d.), die in der Kosmographie des Iulius Honorius (5. Jhdt. n. Chr.) an den persischen Meerbusen, an die Mündung des Tigris, gesetzt wird (Geogr. lat. min. ed. Riese 30: currunt [sc. Chrysorroas et Tigris] ad Auge oppidum, quod est in sinu Persico; und p. 26, in der Aufzählung der Städte des Oceanus orientalis, Augae oppidum; beides abgeschrieben in der dem Aethicus beigelegten Kosmographie, ebd. 74. 76), kann nur eine fehlerhafte Wiedergabe von ΑΜΠΗ sein. Und dies wird auch von Ange, ΑΝΓΗ (s. d.), beim Geographus Ravennas (54, 13 P.) gelten müssen, das als dritte Station vor Spasinucaras (s. u. Spasinu Charax) verzeichnet ist. Beide Verderbnisse [1878] des Herodoteischen A. werden wahrscheinlich in letzter Instanz auf dieselbe Quelle zurückgehen. In Ἄγινις, sowie in dem nunmehr auch bei Herodotos nachgewiesenen Ἀγίνη, lässt sich der einheimische Name Iakin (Ia-ki-ni) mit Leichtigkeit wiedererkennen, der den Hauptbestandteil in dem Namen des südbabylonischen, unmittelbar am Meere gelegenen Staates Bît-Iakin(i) ‚Haus (d. i. Söhne) Iakins‘ und von dessen Hauptstadt Dûr-Iakin ‚Iakinsburg‘ bildet. Da der Name Iakin sich nachweislich bis in die Zeit Alexanders d. Gr. erhalten hat, sowohl in der Benennung des Dorfes Aginis oder Agine, als auch wahrscheinlich in dem Namen der Königstadt Durine, richtiger Duragine = Dûr-Iakin (s. unter Alexandreia Nr. 13), so ist eine Erwähnung desselben bei dem um ein Jahrhundert früher schreibenden Herodotos in keiner Weise befremdend. Hinsichtlich der Lage von A. sind die unter Aginis gegebenen Auseinandersetzungen nachzusehen, wonach sich eine genauere Bestimmung derselben zur Zeit noch als unmöglich erweist. Falls eingehendere topographische und archaeologische Untersuchung des Mündungsgebietes des Euphrat und Tigris die Gleichsetzung von A.-Aginis mit der alten Hauptstadt Dûr-Iakin als zulässig erscheinen lassen sollte, so würde der Widerspruch zwischen der Bezeichnung von Aginis als Dorf (κώμη, vicus) seitens des Nearchos und Onesikritos (Plin. n. h. VI 134), und der von Durine als urbs regia durch ihren Zeitgenossen Aristobulos (auf ihn gehen die Angaben Iubas über die Gründung von Alexandreia in Susiane bei Plinius n. h. VI 138 zurück) sich dadurch erklären, dass jene damit lediglich den damaligen Zustand des Ortes zum Ausdruck brachten, dieser aber, durch Angabe ihrer früheren Stellung, auf die geschichtliche Vergangenheit und Bedeutung der Stadt hinweisen wollte, der Alexander die Einwohner der von ihm gegründeten neuen Hauptstadt des Landes am erythraeischen Meere entnahm (s. unter Alexandreia Nr. 13). Über die Art und Weise, wie die in der vorstehenden Erörterung als identisch erwiesenen Namen bald zu einander in Beziehung gebracht, bald getrennt worden sind, ist das Nötige schon unter Aginis gesagt worden. Klar und bestimmt ausgesprochen ist die Identität der Örtlichkeit von Aginis, Aple, Auge und A., aber mit irrtümlicher Heranziehung auch des ptolemaeischen Ἄγαρρα (s. d.), zuerst von C. Müller (Geogr. gr. min. I 368), der aber, wie es scheint, die damit notwendig zusammenhängende Forderung, die Übereinstimmung auch der Namen herzustellen, nicht erkannt hat. Dies hat aber neuerdings Tomaschek (S.-Ber. Akad. Wien CXXI 1890, VIII 86), dessen Untersuchung unter Aginis noch nicht gedacht worden ist, versucht, indem er zunächst in den ‚Schreibweisen‘ ΑΠΛΗ, ΑΥΓΗ, ΑΜΠΗ den Hinweis auf ein ursprüngliches ΑΓΜΗ erblickt und dann auch den bei Nearchos (Arr. Ind. 42, 4) vorkommenden Accusativ ΑΓΙΝΙΝ auf ΑΓΜΗΝ zurückführt. Ἄγμη aber soll der Ort geheissen haben nach den benachbarten Sümpfen, assyrisch agammê, aramaeisch aghmê (syrisch eghmê) ‚Sümpfe‘. Die Vermutung Tomascheks und die hier und unter Aginis begründete Auffassung berühren sich in der Gemeinsamkeit ihres Ausgangspunktes, denn [1879] beiderseits wird als die zu lösende Aufgabe die Herstellung einer einzigen Form ins Auge gefasst, aus der sich die verschiedenen überlieferten Namen ungezwungen als Fehler in der Überlieferung erklären lassen. Die hier gegebene Lösung der Frage bietet aber gegenüber der von Tomaschek vorgeschlagenen wesentliche Vorzüge. Während bei Tomaschek alle Namen als fehlerhaft überliefert gelten müssen, erweist sich hier doch wenigstens einer, das Ἄγινις des Nearchos, als richtig, und selbst die Änderung von ΑΠΛΗ in ΑΓΙΝΗ bei Plinius ist eine so unbedeutende, dass bei einem bekannten Namen von einer unrichtigen Überlieferung kaum die Rede sein würde; nur für die auf A. zurückgehenden Formen ist, wie übrigens auch bei der Tomaschekschen Hypothese, die vorauszusetzende Verderbnis eine etwas stärkere. Und während uns in dem Ἄγμη Tomascheks nur ein zum Nomen proprium erhobenes Appellativum geliefert wird, von dem es trotz der benachbarten Sümpfe fraglich bleiben muss, ob die Verwendung desselben als Stadtname gerade hier am Platze ist, ergiebt das Festhalten an der Form Ἄγινις sowie die sich daran anschliessende Herstellung von Ἀγίνη die Möglichkeit einer überzeugenden Identification mit dem Namen eines in der Geschichte des Euphrat-Tigris-Gebietes wichtigen Landes, dessen Erwähnung bei den Griechen ebenso natürlich ist, wie das vollständige Schweigen über dasselbe auffallend gewesen wäre. Das Verdienst, zuerst jene Identification vorgeschlagen zu haben, gebührt, wie hier nachträglich bemerkt wird, H. Rawlinson (Journ. Roy. Geogr. Soc. London XXVII 188), der Bît-Iakin = Aginis in der Gegend des heutigen Baṣra sucht. Ein praktisches Resultat aber auch all dieser Erwägungen ist, dass der zukünftigen topographischen und archaeologischen Erforschung jener Gegenden hinsichtlich A.s ein klar umgrenztes Problem geboten wird, dass sie nur mit der Thatsache einer einzigen Stadt, nicht mit der von vieren oder fünfen zu rechnen hat. Von denjenigen Localisierungen und Identificationen, die sich ausschliesslich oder so gut wie ausschliesslich auf das Herodoteische A. beziehen, mögen die folgenden noch zur Sprache gebracht werden: Mannert (Geogr. d. Gr. u. Röm. V 2, 311), der für Alexandreia in Susiane, als den älteren Charax, eine andere Lage annimmt als für das jüngere Spasinu Charax (s. u. Alexandreia Nr. 13), vermutet, dass A. mit jenem einerlei sei, was jedoch unter keiner Voraussetzung wahrscheinlich sein würde. Ainsworth (Researches in Assyria, Babylonia and Chaldaea 181), der A. und Aple für identisch hält, verlegt es nach Suêb (Ainsworth fälschlich Suáb), auf dem linken Ufer des Šaṭṭ al-ʿArab, unweit des Zusammenflusses des Euphrat und Tigris. An diesen Zusammenfluss selber setzt es H. Kiepert (Atlas antiquus Tab. II), indem er es, im Namen-Verzeichnis dazu, zweifelnd dem heutigen Qorna (Korna) gleichsetzt. Forbiger (Handb. d. alt. Geogr. II 624), der A. ganz von Aginis-Aple und den übrigen trennt, identificiert es mit Ἰάμβα (s. d.) bei Ptolemaios (V 19, 8), offenbar auf den blossen Namensanklang[WS 1] hin und ohne die Lage dieses Ortes in Betracht zu ziehen, der 2° westlich von Teredon (s. d.), also der damaligen Euphratmündung (s. [1880] Arr. Ind. 41, 6. Strab. XVI 765), nach Arabien zu lag. Ebensowenig gerechtfertigt erscheint die weitere Identification von A. mit Ampelone (s. d.), das bei Plinius (n. h. VI 159) unter den Städten im Binnenlande Arabiens mit dem Zusatze colonia Milesiorum aufgeführt wird. Hier scheint die Übereinstimmung der beiden ersten Silben des Namens mit A., sowie der Umstand, dass Ampelone eine milesische Colonie gewesen sein soll, den Ausschlag gegeben zu haben. Aber die Annahme, dass Plinius, infolge von Flüchtigkeit oder eines Missverständnisses, einen am persischen Meerbusen, an der Tigrismündung, gelegenen Ort in das Innere Arabiens verlegt habe, ist nicht zulässig.