2) König der 26. ägyptischen Dynastie (Ἄμωσις Manethos bei Georg. Sync. 141, 12. 143, 13. 397, 3; vgl. Euseb. Can. Chron. I 147, 26; wegen der Namensform s. Nr. 1), 331. König Ägyptens (Mela I 59), geboren zu Siuph (s. d.), angeblich aus niederem Stande (Her. II 172. Hellanic. bei Athen. XV 680 b = FHG I 66), kam 569 v. Chr. auf den Thron durch eine gegen die Bevorzugung ausländischer Soldtruppen gerichtete Meuterei einer aus Kriegern ägyptischer Abstammung bestehenden Heeresabteilung des Apries (s. d. und Patarbemis). Dem Verkehre und Aufenthalte der Ausländer in Ägypten zog er zwar ungleich festere Schranken, als vor ihm bestanden hatten, gewährte aber innerhalb der bestimmten Grenzen volle Freiheit (s. Naukratis); seine Macht stützte sich ebenso wie die seiner saïtischen Vorgänger auf fremdländische Söldner, nur dass die Ioner und Karer unter ihm nicht mehr am pelusischen Nilarme, sondern in Memphis selbst angesiedelt waren (Her. II 154), und er behielt eine Politik bei, welche den Hellenen und den Handelsinteressen der Hellenenstädte, vornehmlich der ionischen, günstig war. Er vermählte sich mit einer Schwester des Apries, aber ausser mehreren Ägypterinnen war unter seinen Frauen auch eine Griechin aus Kyrene (s. Ladike). Mit Hülfe seiner Flotte unterwarf er sich Kypros (Her. II 182. Diod. I 68, 6). Der Einfluss ägyptischer Vorbilder, welcher in vielen der kyprischen Kunstdenkmäler zu Tage tritt, mag zum grossen Teile erst aus diesem Zeitraume einer kurzen Herrschaft Ägyptens stammen. Auch die Silberschalen ägyptischen Stils, die auf Kypros gefunden werden (z. B. L. P. di Cesnola Cypern Taf. 19. R. Pietschmann Gesch. d. Phönizier 247), zum Teil vielleicht Erzeugnisse ägyptischer Industrie, gehören kaum einem früheren Zeitabschnitte an. Auf eine Erneuerung der Ägypterherrschaft über Syrien scheint A. nicht gesonnen zu haben, der Feldzug gegen die Araber, von dem bei Polyaen (Strat. VII 4) die Rede ist, war nach allem, was darüber erzählt wird, eher auf Abwehr als auf Angriff berechnet (vgl. auch v. Gutschmid Kl. Schr. I 138). A.s Plan ist angeblich zwar gewesen, Wirren, die in Kyrene eintraten, zu einem Eroberungszuge dorthin zu benützen, doch hat er angeblich unter dem Eindrucke persönlicher Verhandlungen mit Angehörigen der Familie des Arkesilaos, die ihn in Ägypten aufsuchten, sein Vorhaben wieder aufgegeben (Plut. mulier. virt. 25), und Her. II [1746] 181 ist von einem Bündnisse mit Kyrene die Rede. Wie Psammetichos I. mit Gyges, so stand A. mit Kroisos von Lydien (Her. I 77; vgl. Xenoph. Cyrop. VI 2, 10. VII 1, 45; anab. I 8, 9. G. Radet La Lydie au temps des Mermnades 243. 245. Ed. Meyer Gesch. d. alt. Äg. 387) und mit Polykrates von Samos im Bundesverhältnisse. Seine Regierung galt in der griechischen Überlieferung als eine Blütezeit Ägyptens, das damals 20 000 Städte besessen haben soll (Her. II 177; vgl. Plin. V 60. Mela I 60). Ein Gesetz, das jeden Ägypter anwies, alljährlich eine Erklärung über seine Einkommensverhältnisse abzugeben, wurde A. zugeschrieben. Zahlreiche Bauten rühren von ihm her; die Griechen gedenken besonders derjenigen, welche er zu Saïs und zu Memphis errichtet hat, doch hat er fast im ganzen Lande eine meist ergänzende und wiederherstellende Bauthätigkeit gefördert. Am meisten bewundert wird ein gewaltiger als Kapelle ausgearbeiteter Monolith aus dem Gestein von Syene zu Saïs (Her. II 175; vgl. Kenrick z. d. St.); sehr ansehnliche Monolithe von entsprechender Gestalt aus A.s Zeit sind noch vorhanden (Descript. de l’Ég. Ant. V 29. Burton Excerpta hieroglyph. 41. Wilkinson Manners and Customs I² 128. Letronne Oeuvr. chois. Sér. 1 I 181. II 393. 435. Perrot und Chipiez Ägypt. 337. 398. 478. P. Pierret Rec. d’inscript. inéd. I 174ff. C. Leemanns Monum. égypt. I 35. 36), ebenso der Granitsarkophag des Apis, der in A.s 5. Regierungsjahre geboren und in seinem 23. gestorben ist (H. Brugsch Gesch. Äg. 743f. 834). Zum Wiederaufbau des Tempels von Delphi gab er 1000 Talente Alaun (Her. II 180; vgl. H. Blümner Schwefel, Alaun und Asphalt 34. 49); nach Kyrene, das auch seine Gattin Ladike beschenkt haben soll, sandte er eine vollständig vergoldete Bildsäule der Athene, d. i. der Neit, und sein eigenes Bildnis ‚in gemalter Widergabe‘, dem Athenetempel zu Lindos zwei steinerne Bildsäulen (Her. II 182. Cedren. hist. comp. I 564, 7ff. 616, 14. H. Brunn Gesch. d. griech. Künstler I² 33f. M. Zucker Jahrbüch. f. Philol. CXXXV 785ff.) und einen linnenen Panzerrock mit eingewebten bildlichen Darstellungen von feinem Gespinst, dessen einzelne Fäden jeder in 360 dem Auge erkennbare Fädchen zerfielen (Her. II 102. III 47; vgl. Plin. XIX 12. Ael. n. a. IX 17); einen Rock derselben Gattung auch den Lakedaimoniern (Abbildungen von ägyptischen gewirkten Panzern mit Darstellungen darauf bei Wilkinson Manners and Customs I 220. Rosellini Mon. stor. Taf. 121, 27. Pietschmann Gesch. d. Phönizier 270), ferner der Hera zu Samos zwei hölzerne Porträtfiguren, die ihn vorstellten. Die drei Berichte, welche Herodot (III 1–3) über die Veranlassung des Zuges des Kambyses gegen Ägypten mitteilt, haben nicht allein die Tendenz, statt der sachlich-politischen ‚individuellere Antriebe‘ (F. C. Dahlmann Forschungen II 1, 148) als die bewegenden Kräfte hinzustellen, sondern zwei dieser Geschichten gehen zugleich aus dem Bestreben hervor, Kambyses zu einem Nachkommen einer legitimen ägyptischen Herrscherfamilie und A. zum leichtfertigen Urheber des mit der Perserherrschaft über Ägypten hereingebrochenen Unheils [1747] zu stempeln. Es wird dabei mitgesprochen haben, dass, wie aus einem demotischen Schriftstücke der Ptolemaeerzeit hervorgeht (E. Revillout Revue égyptol. I 60. III 105), A. als derjenige betrachtet wurde, mit welchem die teilweise Einschränkung der Tempeleinkünfte begonnen hatte. Im wesentlichen griechischen Ursprungs, obwohl mit Kenntnis des ägyptischen Orakelwesens (vgl. Proceedings Soc. Biblical Archaeology X 41ff.) entstanden, wird dagegen die Erzählung sein, dass A. als König nur denjenigen Göttern Zuwendung gemacht habe, deren Orakel ihn von den Diebstählen, die er in seiner Jugend beging, nicht freigesprochen hatten. Als φιλέλλην (Her. II 178) ist A. ein Liebling der griechischen Überlieferung (eine ungünstige Beurteilung Plut. de fort. Alex. II 3). Sie schildert ihn als einen Fürsten von umgänglichem Wesen, der nach gewissenhafter Erledigung der Regierungsgeschäfte gern beim Becher (Her. II 173. Athen. X 438b. Aelian. var. hist. II 41; dazu E. Revillout Revue égyptol. I 65ff.) weilt, als Mann von derbem, ans Cynische streifendem Humor (Her. II 172; vgl. Aristot. polit. 1259 b 8. Plut. de nobilit. 924). Man dachte ihn sich schliesslich in freundschaftlichen Beziehungen zu den griechischen Weisen, die ungefähr seine Zeitgenossen hatten sein können (Plut. sap. conv. 3. 6; frg. 41. Cedren. I 616, 14. 564, 7; vgl. Pythagoras und Solon), ja ihn selber als Weisen (Theod. Metoch. Misc. 119. Wiener Studien X 18). In Übereinstimmung mit Her. II 10 giebt Manethos nach Africanus (Georg. Sync. I 141) Ἄμωσις eine Regierungszeit von 44 Jahren, nach Eusebios (Can. Chron. I 147) dagegen von 42 Jahren. Diodoros I 68, 6 (wo Unger Manetho 283 μʹ statt νʹ verbessern will) lässt Ἄμασις nach einer Regierung von 55 Jahren Ol. 63, 3 sterben. Ungenaue Notizen (Ampelius lib. memor. 13. Cramer Anecd. Graec. Par. II 5, 14ff.) lassen ihn Reich und Leben zugleich einbüssen; in Wirklichkeit erlebte er nicht mehr die Eroberung Ägyptens durch Kambyses, der noch die Leiche des Königs aus dem Grabe zu reissen, sie beschimpfend zu misshandeln und schliesslich ins Feuer zu werfen befohlen haben soll (Her. III 16). Beigesetzt war der Sarg innerhalb eines Schreins in einer grossen steinernen Halle, die von Säulen mit Palmblattcapitälen getragen wurde, im Tempelbezirke der Neit von Saïs (Her. II 169; vgl. Perrot und Chipiez Ägypten 295ff.). Rhetorische Erwähnung des Mausoleion des A. bei Ioa. Lyd. de mag. II 21. Dass in dem grossen Sphinx von Gize nach einer Nachricht A. beigesetzt sei (Lepsius Chronologie 294), ist eine Angabe, die nur auf der minder guten Lesart Amasis für Harmais Plin. XXXVI 77 beruht. Ein Beispiel für den Nimbus, der im spätern Altertum A.s Namen umgab, ist, dass Apollonios von Tyana gerade die Seele dieses Königs in einem Löwen wiedergefunden zu haben behauptete (Philostr. vit. Apollon. V 42).