Alikadra (Ἀλικάδρα, var. Ἀλιδράκα), Stadt im nordöstlichen Medien unter 93° Länge und 39° Breite (Ptolem. VI 2, 11). Sie lag somit 40′ westlich und 2° 20′ nördlich von Rhaga (s. d.), das Ptolemaios (VI 2, 17) unter dem seleukidischen (s. Strab. XI 524) Namen Europos (s. d.) aufführt. Dieser Längen- und Breitendifferenz zwischen A. und Rhaga-Europos entspricht eine directe Entfernung von 1196 Stadien, gleich 221 Km. Misst man auf der Karte diese Entfernung ab in nördlicher oder nordwestlicher Richtung von den Ruinen von Rhaga (Rai) bei Šâh Abd ulʿ Aẓîm, 10 Km. südsüdöstlich von Tährân, so gerät man in das kaspische Meer, etwa 80–100 Km. von der Küste ab; denn Ptolemaios, oder wahrscheinlich bereits sein Vorgänger Marinos von Tyros, hat den Breitenabstand zwischen Rhaga und dem Südufer des kaspischen Meeres (s. die Breiten der Positionen bei Ptolem. VI 2, 2) um 2½ mal zu gross angenommen, indem er ihn offenbar aus einem Itinerar abgeleitet hat, das von Rhaga oder einem benachbarten Punkte quer über das Älburzgebirge zum kaspischen Meere führte, und in dem die Entfernungen der einzelnen Stationen infolge der Schwierigkeit, der vielen Krümmungen und des An- und Absteigens der Gebirgswege unverhältnismässig hoch angenommen worden sind, wie dies so häufig in Gebirgsgegenden geschieht. Auf dieselbe Ursache ist es zurückzuführen, wenn diejenige Linie, welche die Haupterhebung des Älburz nördlich von Europos bezeichnet (Ptol. VI 2, 4 τοῦ Κορώνου τὸ δυτικὸν μέρος), in einem Abstande von 1⅓° (667 Stadien = 123 Km.) von dieser Stadt angesetzt wird, der das Gebirge thatsächlich mit der Küstenlinie des kaspischen Meeres zusammenfallen lässt. Unter diesen Umständen wird man auf die Identificierung und genauere Localisierung von A. verzichten müssen, auch abgesehen davon, dass der betreffende Teil von Persien bisher in durchaus ungenügender Weise erforscht und kartographisch dargestellt ist. Aus den Angaben des Ptolemaios kann zunächst nur ganz allgemein dies eine festgestellt werden, dass A. auf der Nordseite der als Koronos (s. d.) bezeichneten Kette des Älburzgebirges gelegen haben muss, vielleicht noch im Gebirge selbst, da die jenem Namen beigefügte Position wohl nur die Lage der wasserscheidenden Hauptkette zum Ausdruck bringen sollte. Ausserdem aber lässt die zusammenhängende Betrachtung der von Ptolemaios in der Tabelle von Medien verzeichneten Positionen noch deutlich erkennen, dass A. eine der Stationen der Strasse war, die von Rhaga-Europos über den Älburz nach der Küste des kaspischen Meeres führte (s. auch Auradis, Trauaxa, Veneka, Rhazunda und Phanaka), und dass es an derselben [1482] zwischen Rhazunda und Phanaka lag. Sicherlich bildeten die Wegemasse dieser Route einen Teil desjenigen Materials, aus dem Ptolemaios oder Marinos den Breitenabstand der Hauptälburzkette sowie den der Südküste des kaspischen Meeres von der grossen Westoststrasse berechnet hat. Vielleicht ist jener Weg identisch mit dem, der jetzt von Tährân über den Pass von Gäčäsär (Kutäl i Gäčäsär) und jenseits desselben längs des Čâlûsflusses nach dem kaspischen Meere führt. Dann würde A. an diesem Flusse zu suchen sein, und man würde scheinbar mit Notwendigkeit darauf geführt, den jetzigen Čâlûs für denselben Fluss zu halten wie den Charindas (s. d.) des Ptolemaios (VI 2, 2), dessen Mündung unter genau denselben Längengrad gelegt ist wie A., und an den deswegen auch Forbiger A. gesetzt hat. Trotzdem ist aber die Verbindung der Lage von A. und des Charindasflusses unhaltbar, damit auch die Identificierung der beiden Flüsse hinfällig, denn Ptolemaios oder Marinos hat seine aus dem Fahrtbericht des Patrokles gewonnenen Positionen an der Südküste des kaspischen Meeres nicht in das richtige Verhältnis zu den Positionen an der grossen Heerstrasse von Westen nach Osten gebracht, die die eigentliche Grundlage für die Bestimmung der Längen und Breiten der angrenzenden Gebiete bildete. Er hat den Längenabstand zwischen Rhaga-Europos und der Mündung des Amardos (jetzt Sefîd-Rûd), dem Ausgangspunkte des Stadiasmos des Patrokles, zu 7° 10′ angenommen, also selbst im besten Falle, wenn man die Einmündung des Amardos in das kaspische Meer der Lagune (Murdâb) von Änzälî gleichsetzt, um etwa dreimal zu gross, so dass sie anstatt östlich von Ekbatana (Hämädân) westlich davon zu liegen kommt (s. das Nähere u. Amardos). Mit der notwendigen Verschiebung der Amardosmündung nach Osten verschieben sich aber auch alle anderen Positionen in entsprechender Weise. Jene Übereinstimmung in der Länge von A. und der Charindasmündung beruht also lediglich auf einer irrtümlichen Berechnung des Ptolemaios oder Marinos. Der Name A., der in der Form Alikodra (s. d.) auch in Baktrien (Ptolem. VI 11, 8) wiederkehrt, lässt für seinen ersten Bestandteil, der auch in Alisdaka (s. d.) enthalten ist, eine dreifache Deutung zu; entweder ist dieser die jüngere Form des altîrânischen arta ‚wahr, gerecht‘, auch ,die personificierte Gerechtigkeit und Frömmigkeit’, oder von arti ‚Segen‘, dann ,der Genius des Segens, die Glücksgöttin‘, welche in beiden Fällen ahr oder ahl lauten musste, oder er ist mit neupersisch âluh ‚Adler‘ zu identifizieren, das sich gerade in jener Gegend in dem Namen der berühmten Assassinenfeste Âl-âmût ‚Adlernest‘ nachweisen lässt. Für den zweiten Bestandteil von A. bietet sich keine irgendwie sichere Erklärung; es mit neupersisch kada, älterem katak ‚Haus‘ in Verbindung zu bringen, erscheint sehr gewagt, obgleich bereits im 1. nachchristlichen Jhdt. älteres intervocalisches t als tönende Spirans dh gesprochen worden ist.