Akazie, ägyptischer Schotendorn oder Gummibaum, ἀκακία, ἄκανθα, acacia, spina Aegyptia, oder blos spina (z. B. Plin. n. h. XIII 66 u. 63), eine vorzugsweise dem Orient angehörende, reichlich verbreitete (Theophr. h. pl. IV 2, 8), baumartige Pflanzengattung aus der Familie der Mimosaceen oder Sinnpflanzen, nicht zu verwechseln mit unseren aus Nordamerika stammenden Akazien (Robinia pseudacacia L.), vgl. Seidensticker Waldgeschichte des Altert. II 69. Nach Theophrast (h. pl. IV 2, 8) heisst der Baum ἄκανθα, weil er, den Stamm ausgenommen, allenthalben – auch an Trieben und Blättern – dornig ist, vgl. Serv. Georg. II 119. Man unterschied zwei africanische Arten: eine weisse und eine schwarze (Hauptstelle Theophr. a. a. O.; vgl. auch Hellan. bei Athen. XV 679f. = FHG I 66); erstere – von Lenz Botan. d. a. Gr. u. Röm. 736 ohne genügenden Grund für Acacia Farnesiana Willd. gehalten – war schwach und der Fäulnis unterworfen, dagegen fand letztere, weil von viel festerem und unverweslichem Holze, weit mehr Beachtung. Diese μέλαινα ἄκανθα ist sicherlich gleichbedeutend mit Mimosa Nilotica L. (Acacia vera Rich., Acacia Nilotica Link, Acacia Arabica Decand.) und war die bekannteste, noch jetzt in Oberägypten als Nilmimose heimische Akazienart. Wird der wohlriechende ([Lactant.] De Phoenice 85), immergrüne (Verg. Georg. II 119 und Serv. z. d. St. Claud. Epithal. Hon. 95), übrigens selten ganz gerade wachsende Baum gefällt, so treibt er nach drei Jahren Stockausschlag. Plin. XIII 63. Demetrios (bei Athen. XV 680 a. b) nennt die Früchte „rund“ und die Blüten „schön leuchtend“. Die letzteren sind bei allen Arten weiss oder gelb, die Blätter meist doppelt gefiedert, was ihnen ein schönes Aussehen verleiht. Im Freien kommen diese Bäume bei uns nicht oder nur äusserst selten [1160] fort, wohl aber in Treibhäusern, wenn ihnen Wärme, mässige Bewässerung und Heideboden zu teil wird. Dioskorides (I 133) erwähnt ausser der ägyptischen A. noch eine niedrigere in Kappadokien und Pontus, aber auch auf Kreta heimische Art (neugr. γαζία, in Italien als gaggia odorosa in Gärten gezogen, vgl. Fraas Synops. pl. fl. cl. 66; von Sprengel – zu Diosc. I 133 – mit Unrecht für Spartium Scorpius gehalten), mit steifen Stacheln und rautenartigen Blättern. Ihr Samen wird im Herbste reif, ist kleiner als eine Linse (vgl. Plin. n. h. XXIV 109) und sitzt in gegliederten, drei- bis vierräumigen Hülsen. Eine wertlose galatische Art erwähnt Plinius XXIV 109. 110. Von einer in Gedrosien wachsenden ἄκανθα-Art erzählt Arrian (anab. VI 22), sie habe so starke Dornen, dass einer, der vorüberreite und zufällig hängen bleibe, eher vom Pferde geworfen werde, als dass er die Dornen vom Baume reisse. Auch fingen sich an ihm die Hasen von selber, indem sie im Vorüberlaufen leicht mit ihrem Felle in seinen Stacheln hängen blieben. Diesen Baum hält Lenz (a. a. O. 737) – mit welchem Rechte, sei dahingestellt – für die ostindische Katechu-Akazie (Acacia Catechu Willd., bekannt durch das Catechu – terra Iaponica oder succus Catechu – einen eingedickten officinellen Extract, vgl. Billerbeck Flora class. 246). Akazienartig (ἀκανθώδης) waren auch mehrere andere Pflanzengattungen, z. B. ein eigentümlicher Baum, dessen Blätter bei Berührung angeblich wie verdorrt zusammensanken, vgl. Theophr. h. pl. IV 2, 11. Die Αἰγυπτιακὴ ἄκανθα war jedenfalls am bekanntesten und wurde deshalb zu Vergleichungen mit anderen Bäumen öfters herangezogen, z. B. Diosc. I 77. Diod. Sic. V 41. Die wichtigsten aussereuropäischen A.-Arten – es giebt im ganzen über 400 – sind namhaft gemacht bei Leunis Synops. 2. Teil³ 2. Bd. § 438, 4. In ihrem Vaterlande schwitzen viele A.-Arten einen unter den verschiedensten Namen (arabischer Gummi, Senegalgummi u. s. w.) in den Handel kommenden Saft, Gummi (κόμμι, cummis, z. B. bei Plin. XIII 63, vgl. Lenz 221) genannt, aus, welch letzteres ausfliesst, sowohl wenn der Baum verletzt worden ist, als auch von selbst, d. h. ohne Einschnitte. Theophr. h. pl. IV 2, 8. Wegen dieses Gummis, von dem zu des Plinius (XIII 66) Zeit das Pfund 3 Denare kostete, waren die A. jederzeit ganz besonders geschätzt. Das wurmförmige, glasartige, durchsichtige, von Holzstückchen ganz freie Gummi galt für das beste, während eine geringere Sorte weiss aussah und schmutziges ganz unbrauchbar war. Diosc. I 133. Plin. XIII 66. Die Blüten wurden von den Ärzten wegen ihrer Arzneikräfte eifrig eingesammelt. Theophr. h. pl. IV 2, 8. Der aus den unreifen Hülsenfrüchten gepresste gelbe, übrigens wohlriechende Saft wurde dem aus den reifen Früchten gepressten schwarzen Safte vorgezogen und in der Medicin vielfach angewandt, z. B. gegen blutigen Auswurf (Plin. XX 48. 233), Dysenterie (Plin. XXX 56f.), Augenleiden, Blutfluss und Blutsturz (Gal. X 329), rot aussehende Hautentzündungen, Geschwüre (vgl. Hippocr. II 689. Gal. X 298), Frostbeulen, Überwachsen des Fleisches und Mundgeschwüre. Hemmend wirkte [1161] er bei Durchfall, zu reichlicher Menstruation, Gebärmuttervorfällen u. dgl. Ein Decoct wurde als Bähung angewandt, um ausgerenkte Glieder wieder einzurichten. Plin. XXIV 110. Diosc. I 133. Scribon. Larg. comp. med. 23; vgl. 41. 85. Corn. Cels. V 1. 2. 7. VI 6, 1. 5. 6. 7 etc. Zuweilen wurde der eingedickte Saft auch zu Pillen oder Pastillen (pastilli, τροχίσκοι) verarbeitet. Genaueres hierüber bei Plin. XXIV 109. Das Gummi wirkte verstopfend und wurde scharfen Medicamenten beigemischt, um ihre ätzende Kraft abzustumpfen. Mit einem Ei auf verbrannte Stellen gestrichen, wirkte es insofern günstig, als so behandelte Stellen angeblich nie Blasen bekamen. Der hauptsächlichste Heilwert der ägyptischen A. bestand in ihrer zusammenziehenden und abkühlenden Kraft, vgl. Plin. XXIV 110. Gal. X 199 und besonders XI 817. Auch der kappadokischen und pontischen A. fehlten diese Eigenschaften nicht, doch hatte sie solche in weit geringerem Grade und war z. B. bei Augenkrankheiten gar nicht verwendbar. Diosc. I 133. Über Anwendung der acacia nigra in der Tierheilkunde s. Vegetius II (III) 34, 3; vgl. I 16, 5 (acacia rufa). Auch das Holz der A. fand Verwendung (vgl. Blümner Technologie II 249): man schnitt daraus Dachsparren bis zu zwölf Ellen Länge. Theophr. h. pl. IV 2, 8. Die schwarze A. wurde vornehmlich von den Ägyptern beim Schiffsbau verwertet, indem man die Rippen oder den Rumpf des Schiffes, ja selbst den Mastbaum gern von ihrem Holze herstellte. Theophr. a. O. Plin. XIII 63, am ausführlichsten Herod. II 96. Nach Velleius II 56, 2 war das Gerät beim pontischen Triumph des Caesar ex acantho gefertigt, worunter sicher Akazienholz zu verstehen ist, möglicherweise in diesem Falle das Holz der pontischen A. Die präparierte Hülsenfrucht wurde von den Ägyptern statt der Galläpfel zum Gerben und zur Lederappretur gebraucht (Theophr. h. pl. IV 2, 8. Plin. XIII 63. XXIV 109), anscheinend auch zum Reinigen von Kleidern (Plin. XXIII 65). Mit dem aus ihr gedrückten Safte färbte man die Haare schwarz. Diosc. I 133. Plin. XXIV 110. Petron. 23. Die Blüten sind so schön, dass man aus ihnen Kränze flocht. Theophr. a. O. Plin. XIII 63. Dies berichtet von den alten Ägyptern ausdrücklich Hellanikos (bei Athen. XV 680a). Ihres Wohlgeruchs wegen fanden die Blüten auch Verwendung bei Herstellung der ägyptischen Salbe (Αἰγύπτιον μύρον). Galen. expos. voc. Hipp. p. 414 ed. Franz. Ein ἔλαιον ἀκάνθινον, das in Karmanien gewonnen und vom Perserkönig selbst gebraucht wurde, erwähnt Ktesias (fr. 96 M. bei Athen. II 67 a). Ein ἄλσος ἀκανθῶν τῶν Αἰγυπτίων lag beim ägyptischen Orte Abydos und war dem Apollo heilig. Strab. XVII 813. Demetr. bei Athen. XV 680 a = FHG IV 383. Dass die in Mittelägypten, südlich von Memphis gelegene Stadt Akanthos (s. d. Nr. 5) ihren Namen einem Haine von echten Akazien verdankte, ist so gut wie sicher. Auch der Name Ἀκανθίνη (Ptol. IV 7, 37) wird mit Recht auf die A. bezogen. Vgl. Murr Die geogr. u. myth. Namen d. altgriech. Welt in ihrer Verwertung für antike Pflanzengeogr. II 21. Anders verhält es sich mit den griechischen Städten, die Ἄκανθος (‚Dornstedt‘) heissen und [1162] mit der (orientalischen) A. nichts zu thun haben. Vgl. Murr Die Pflanzenw. i. d. griech. Myth. 273.