Agri decumates, das Zehntland, heisst gewöhnlich das Land am rechten Rheinufer, das vom Neckar und dessen Zuflüssen bewässert wird, samt dem Schwarzwald, bis zur Schwäbischen Alb hin. Ursprünglich sassen hier keltische Stämme, besonders Helvetier (Tac. Germ. 28), Germanen machten ihnen aber das Gebiet bald streitig, vielleicht schon vor Ariovist. In der zweiten Hälfte des 1. Jhdts. n. Chr. besetzten es die Römer, wahrscheinlich unter Domitian (Tac. Germ. 29 mox limite acto promotisque praesidiis sinus imperii et pars provinciae habentur, also vor dem J. 98) und sicherten es durch eine Reihe starker Befestigungen (s. unter Limes). Unter römischem Schutz blühte das Land auf, erst im 3. Jhdt. wurde es durch Einfälle germanischer Stämme (Alamannen) erheblich beunruhigt und ging nach Probus Tod an die Alamannen verloren. Die Bezeichnung A. d. findet
sich nur bei Tacitus (Germ. 29 non numeraverim inter Germaniae populos, quamquam trans Rhenum Danuviumque consederint, eos qui decumates agros exercent); sie kann kaum etwas anderes bedeuten als ‚zehntpflichtiges Land‘. Möglich, dass das in der früheren Kaiserzeit als Eigentum des Staates betrachtete Gebiet von denen, die es zuerst besetzten (levissimus quisque Gallorum et inopia audax dubiae possessionis solum occupavere Tacit.) gegen Abgabe des Zehnten benutzt werden konnte, wenngleich solche Einrichtungen in der Kaiserzeit unbekannt sind (Mommsen Röm. Gesch. V 138). Eine andere Ansicht vertritt Zangemeister Westd. Zeitschr. III 244. Er fasst nach dem Vorgange G. F. Creuzers Altröm. Cultur (1833) 81ff. an der Tacitusstelle decumates als Nominativ und bemerkt, die zum Ackerbau verwendeten Teile dieses Gebiets seien zehntpflichtig (agri decumani) gewesen und daher würden die Ackerbauer selbst als decumates bezeichnet. Diese sprachlich nicht unmögliche Erklärung dürfte aber schwerlich das richtige treffen (vgl. Hübner Rhein. Jahrb. LXXX 60), ebensowenig wie die kürzlich von Alex. Riese (das Rheinische Germanien 471) aufgestellte, der Name decumates sei von einem (uns unbekannten) Hauptort des rechtsrheinischen Gebiets Decuma oder ad Decumum (scil. lapidem) abzuleiten (wie Taurinates von Taurinum). Vgl. auch die Bemerkungen von J. Asbach Westd. Zeitschr. V 372. Von dem Kulturzustand des Landes erfahren wir durch litterarische Zeugnisse fast nichts; deutlicher sprechen die Inschriften und die Überreste einer Menge Strassen- und sonstiger Bauten (vgl. die zum Limes angeführte Litteratur, besonders Hübners Studien über den Grenzwall in Deutschland, Rhein. Jahrb. LXIII. LXVI. [894] LXXXVIII. Näher ebenda LXX. LXXI. LXXIV. LXXIX). Blühende Orte dieses Gebiets waren Sumelocenna (Rottenburg a. N.), Civitas Aurelia Aquensis (Baden), Lopodunum (Ladenburg), Arae Flaviae (Rottweil) u. a. Weitere Litteratur: O. Hirschfeld Comm. Momms. 435ff. J. Asbach Westd. Ztschr. III 1ff. Herzog und Kallee Westd. Ztschr. III 326ff. Zangemeister ebenda III 237ff. 307ff. Das Königreich Württemberg I (1882) u. a.
Seit den Darlegungen von Ihm Bd. I S. 893f. ist die Frage, was unter den A. D. oder – wie die richtige, für die Bedeutungserklärung nicht unwichtige Wortstellung lautet – Decumates Agri zu verstehen ist, etc. etc.