Agnatio bezeichnet eine engere Gruppe innerhalb der cognatio, des Inbegriffes der durch eine gemeinsame Abstammung Verbundenen (ausschliesslich der unehelichen Kinder gegenüber ihrem Erzeuger und dessen Anverwandten und einschliesslich der durch adoptio in die Familie Eingetretenen). Sie ist die civilis oder legitima cognatio, d. h. die engere vollberechtigte Familie. Gai. I 156. Ulp. XI 4. XXVI 1. Coll. leg. Mos. et Rom. XVI 2, 9–16. Isid. orig. IX 6. Das ius civile zeichnete diesen Verband dadurch aus, dass es nicht blos den Verlust der vollen Familienrechte in gewissen Fällen eintreten liess (Gai. III 21: nomen agnationis capitis deminutione perimitur), sondern auch die Kinder grundsätzlich von der vollen Zugehörigkeit zur Familie der Mutter ausschloss. Gai. III 10: legitima autem cognatio est ea, quae per virilis sexus personas coniungitur. Die Kinder, welche der väterlichen Familie zuwuchsen, wurden somit deren agnati, denn agnasci heisst: in eine geschlossene Gruppe hineingeboren werden, arg. Dig. VII 1, 68, 2; vgl. übrigens auch Isid. IX 6 und den Ausdruck agnatio sui heredis Gai. II 131. 138. Kuntze Cursus der Inst. § 899. Agnati sind hiernach die durch ihre eheliche
Zeugung oder Adoption mit einander in Verbindung getretenen und nicht aus einem besondern Grunde von dem vollberechtigten Familienverbande losgelösten Verwandten. Je mehr die
Staatsgewalt die Macht der Geschlechtsverbände [831] zurückdrängte, desto mehr wurde Schritt für Schritt die blosse Cognation der Agnation gleichgestellt, am durchgreifendsten in Iustinians Gesetzbuch. Litt. Rein Privatrecht d. Römer 500. Kuntze Cursus d. r. R. § 401. Böcking Instit. I 198ff. § 50ff. Puchta Institutionen § 194. Schulin Lehrb. d. Gesch. d. r. R. 35. 439ff. und über das Verhältnis der Agnatio zur Gens Lange Röm. Altertümer I 162ff. gegen Niebuhr Röm. Geschichte I 321ff. Leist Altarisches Jus civile, Jena 1892, I 277ff. Karlowa Röm. Rechtsgeschichte II 73ff.