Abortio. Das Abtreiben der Frucht war in republicanischer Zeit gesetzlich nicht bestraft (natürlich konnte aber der Censor rügen oder der pater familias züchtigen). Dass diese Unsitte immer mehr in den höheren Schichten der römischen Gesellschaft überhand nahm, ist vermutlich auch eine der Veranlassungen zu Augustus Ehegesetzgebung geworden. Auch suchte man ihr, wie es scheint, durch die Ausdehnung der lex Cornelia de sicariis et veneficis auf alle, die Mittel zum Abtreiben gaben, entgegenzuwirken (Dig. XLVIII 8, 3, 2). Das Abtreiben wurde dann als crimen extraordinarium nach einem Rescripte von Severus und Antoninus bestraft: die Strafe bestand in zeitweiliger Relegation und wurde mit dem Rechte begründet, das der Mann an dem noch ungeborenen Kinde habe; demnach konnte also nur die verheiratete Frau bestraft werden oder die geschiedene, die schwanger war (Dig. XLVII 11, 4. XLVIII 19, 39). Als Mord konnte man die Abtreibung nicht betrachten, da der Ungeborene nicht als Mensch angesehen wurde. Gleichwohl ist es möglich, dass man in späterer Zeit, von diesem Gesichtspunkte nicht ganz unbeeinflusst, die Strafe verallgemeinerte (Dig. XLVIII 8 ad l. Corn. de sic. et ven. 8). Ein derartiges Vorgehen der Frau war für den Mann ein gesetzlicher Scheidungsgrund. Litteratur: Platner quaest. de iure crim. Rom. 208ff. Rein Crim.-Recht 445ff., woselbst auch die ältere Litteratur; Geib Deutsch. Str.-R. I 92f.