Abiuratio. Forderungen auf creditierte Geldsummen und andere certae res können nicht blos im regelmässigen Gerichtsverfahren, sondern nach praetorischem Recht auch in der Weise verfolgt werden, dass der Gläubiger seinem Schuldner vor dem Magistrat (in iure) einen Eid über den Bestand des behaupteten Anspruchs zuschiebt. Dieses iusiurandum muss angenommen oder zurückgeschoben werden (Demelius Schiedseid und Beweiseid 1–82). Die eidliche Ableugnung, insbesondere die fälschliche Ableugnung der Schuld von Seiten des Delaten heisst A. (Serv. Aen. VIII 263. Isid. Orig. V 26, 21). Schon Plaut. Rud. 14; Persa 477 (dazu Curc. 495) erwähnt das abiurare in iure, und im J. 45 v. Chr. die Lex Iulia mun. 113; vgl. auch Cic. ad Att. I 8, 3. Sall. Cat. 25, 4. Der Gläubiger verliert durch die A. die Aussicht, seine Forderung gerichtlich durchzusetzen (Cod. Iust. IV 1, 1). Je nach Lage des Falls würde ihm der Prätor entweder die Actio denegieren oder dem Gegner exceptio iurisiurandi geben (Ulp. Dig. XII 2, 7 und 9). Der Meineidige aber wird vom Censor notiert (Mommsen St.-R. II³ 380, 2), wahrscheinlich (arg. L. Iul. mun. 113) verfiel er auch der praetorischen Infamie (das Edict Dig. III 2, 1 ist unvollständig überliefert: Rudorff Ztschr. f. Rechtsgesch. IV 49–52. Lenel Edictum 62–64). Ob gegen ihn actio doli zu gewähren sei, darüber stritten die römischen Juristen (Ulp. Dig. IV 3, 21. Paul. Dig. IV 3, 22); Iustinian verweigert sie. Die Gesetzgebung der Kaiser bedrohte das periurium mit Criminalstrafen; s. Rein Criminalrecht 795 bis 799 und unten Art. Periurium. Unbegründet ist die verbreitete Ansicht, dass der Zwangseid zur Legisactio per condictionum nach den Leges Silia und Calpurnia gehöre (s. Keller-Wach Röm. Civilproz. Note 247a). Das Zeugnis des Plautus hindert keineswegs die Annahme praetorischen Ursprungs, s. Wlassak Röm. Prozessgesetze II 347 – 353. In der L. Iul. mun. 113 ist zu abiurauerit etwa creditum oder rem creditam (Serv. Aen. VIII 263) hinzuzudenken (so Mazochi u. A.), vielleicht nur pecuniam creditam, nicht mit Mommsen (CIL I p. 122, vermutlich wegen Cic. ad fam. IX 16, 7. Fest. ep. p. 77, 17; vgl. Bethmann-Hollweg Civilproz. II 666, 32) bonam copiam einzuschalten.
Litteratur: Mazochi Comment. in tabul. Heracleenses 430f. Marezoll Fragm. legis rom. in aversa tab. Heracl. parte 142f. Huschke Nexum 137f. Demelius Krit. Vierteljschr. f. Gesetzgeb. u. Rechtswissensch. VIII 511. Bethmann-Hollweg Röm. Civilproz. I 152. II 573–583. III 289 (irrig). Gallinger Offenbarungseid 58. Demelius Schiedseid und Beweiseid 73, 4. Ruggiero Dizion. epigr. I 16.