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RE:Ῥάψιοι

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Äthiop. Völkerschaft
Band I A,1 (1914) S. 237244
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Ῥάψιοι, zuerst von Ptolem. IV 8, 3 als äthiopische Völkerschaft (Αἰθίοπες) nach den am Βαρβαρικὸς κόλπος. wohnenden Αἰθίοπες ἀνθρωποφάγοι erwähnt (vgl. I 17, 9). Sie sind nicht [238] zu trennen von dem in den genannten Meerbusen einmündenden Flusse Ῥάπτος (Ptolem. I 17, 12. IV 7, 12. 28), für dessen Mündung Ptolemaios die Maße 72° 30’, 7° S. verzeichnet, von dem Vorgebirge (ἄκρον, ἀκρωτήριον) Ῥάπτον (Ptolem. I 17, 7. 12. IV 7, 3. 4. 12. 28. 8, 1. VII 3, 6, auch erwähnt von Markian. peripl. mar. ext. I 13. Müller Geogr. Gr. min. I 523), für welches Ptolem. IV 7, 12. 8, 1 die Maße 73° 50’, 8° 25’ S. angibt, endlich von der Stadt (τὰ) Ῥάπτα, der Hauptstadt des Landes der R. (Ptolem. I 9, 1. 14, 4. 17, 6. 12. IV 7, 12). Die letzterwähnte Stelle bietet auch für die Stadt die verhältnismäßig deutlichste Angabe: Ῥάπτα wird dort als die Hauptstadt, μητρόπολις, der Landschaft Βαρβαρία, ein wenig landeinwärts gelegen, bezeichnet mit den Maßen 71°, 7° S. Damit stimmt auch die Angabe I 17, 12, daß sich beim Vorgebirge (Ῥάπτον der Fluß Ῥάπτος ins Meer ergieße und ein wenig vom Meere entfernt die gleichnamige μητρόπολις liege. – Wenn nun Ptolemaios die Landschaft, deren Hauptstadt Ῥάπτα war, Βαρβαρίαa nennt und den Meerbusen, an welchem die Nachbarn der R., die Αἰθίοπες ἀνθρωποφάγοι, wohnten, den Βαρβαρικὸς κόλπος oder das Βαρβαρικὸν πέλαγος (IV 7, 4. 11. 8, 1), so ist für das genauere Verständnis des geographischen Ausdruckes Barbaria zu bemerken, daß Ptolemaios an dieser Stelle sowie IV 7, 28 (vgl. auch I 17, 6) Barbaria nicht nur jenen Küstenstrich nennt, welcher heute die Somaliküste heißt, sondern auch die weitere südwestlich streichende ostafrikanische Küste von Opone (Hāfūn) bis zum Vorgebirge Ῥάπτον, während seit dem 1. nachchristlichen Jhdt. andere Geographen, z. B. der Verfasser des Periplus marin Erythraei (vgl. den Art. Barbaria), unter Barbaria (Land der Barābra) nur das heutige Somaliland, an dessen Küste noch heute der Ort Berbera den alten Namen trägt, bis zum Emporion und Vorgebirge Aromata (Ǧarad Hāfūni, nach dem Portugiesischen verballhornt zu Gardafui, dafür später auch Rās Aṣir) verstehen (vgl. Peripl. 5. 7. 12), dagegen die südliche Küste von dem südlich von Aromata gelegenen Hafen Opone an bis zum Vorgebirge Ῥάπτον Azania nennen (Peripl. 15f.). Wenn auch Ptolem. I 17, 9 in seiner Polemik gegen Marinus Ἀζανία im landläufigen Sinn als Küstengebiet zu verstehen scheint (doch vgl. I 17, 6), so bringt er dennoch IV 7, 28 unbestreitbar seine Βαρβαρία παράλιος in ausdrücklichen Gegensatz zu Ἀζανία als dem mit ihr parallel verlaufenden Binnenlande. Dann ist es von diesem seinen Standpunkte aus nur folgerichtig. wenn er IV 7, 12 Ῥάπτα die Hauptstadt von Barbaria nennt und nicht von Azania und ebenso den Meeresteil an dieser Küstengegend von Aromata bis Ῥάπτον, den selbst Plin. n. h. VI 153 richtig als Azanium mare bezeichnet, Βαρβαρικὸς κόλπος; (an den oben zitierten Stellen). Doch diese Einschränkung des geographischen Terminus Azania auf das Hinterland, gegen welche andere Zeugnisse der Literatur sowie auch der später nachweisbare arabische Name für einen Teil dieses Küstenstriches, Aǧān, sprechen, ist es nicht allein, welche in Ptolemaios’ Beschreibung der ostafrikanischen Küste zum Widerspruche herausfordert: schwerer wiegt, daß [239] er in unrichtiger Verwertung der ihm zugekommenen Nachrichten über Schiffahrten in der Äquatorialgegend die Dimensionen des in Frage stehenden Teiles der Küste ganz verzeichnet, namentlich daß er die Entfernung zwischen Opone und dem Vorgebirge Rhapton viel zu kurz annimmt (s. die nähere Ausführung bei K. Müller Ptolem. I 48). Während von manchen Geographen an der Ptolemäischen Beschreibung der ostafrikanischen Küste die Erwähnung des Vorgebirges Πράσον (I 7, 2. 10, 1. II 1, 6. IV 8, 1. 2) und der Πρασώδης θάλασσα (VII 2, 1. 3, 6), einer Gegend, welche übrigens auch die Grenze der geographischen Kenntnisse des Altertums bedeutete, als wichtige Erweiterung gerühmt wird, ist K. Müller (a. a. O. und I 763) in konsequenter Verfolgung der irrigen Distanzangaben des Ptolemaios, welche nicht auf Autopsie beruhen, zu der Annahme gelangt, daß die beiden von Ptolemaios genannten Vorgebirge Πράσον und Ῥάπτον in Wahrheit ein einziger Punkt seien und die Lage, die er Πράσον anweist, tatsächlich für das wirkliche Vorgebirge Ῥάπτον gelte, aber eine irrige Zweiteilung vorliege, die schon aus der Zeit vor Dioskoros und Marinus (Ptolem. I 9) stammen soll. Wenn man auch dieser Annahme nicht beipflichten kann, so ist doch nicht zu leugnen, daß die Positionen des Ptolemaios, auf die Karte aufgetragen, ein Zerrbild der ostafrikanischen Küste ergeben.

Ein nur wenig besseres Bild von dieser Küstengegend gewinnen wir aus der Darstellung des schon erwähnten Periplus, welche auch nächst Ptolemaios die zweite Quelle für unsere Kenntnis der Stadt Ῥάπτα ist. Übrigens lehrt der Vergleich zwischen den Nachrichten des Periplus und des Plinius, daß Plinius den Periplus nicht gekannt hat, und spricht damit zugleich, wie K. Müller Ptolem. I 763 richtig bemerkt hat, gegen die zuerst von Schwanbeck verfochtene und von A. Dillmann (Zur Frage über die Abfassungszeit des Periplus, M.-Ber. Akad. Berl. 1879, 413f.) wiederaufgenommene Ansicht, Plinius habe den kurz vor Abschluß der nat. hist., also vor 77, veröffentlichten Periplus noch nachträglich benützt. Der Periplus nennt zunächst (15. 16. 18) den fraglichen Küstenstrich richtig Azania und nicht wie Ptolemaios Barbaria und bezeichnet ferner (16) als den südlichsten von Kauffahrern aus Arabien besuchten Handelsplatz Azanias Ῥάπτα südlich vom Äquator, welches somit für Azania ebenso das letzte Emporion war wie Aromata für Barbaria. Doch läßt der Periplus nicht wie Ptolemaios Ῥάπτα ein wenig vom Meere entfernt im Innern des Landes gelegen sein, sondern als Küstenort erscheinen. Darin ist jedoch kein Widerspruch zu erblicken, denn sowie in Arabien manche Küstenorte den Namen der Binnenstädte führen, deren Hafenplätze sie sind, so ist die von Ptolemaios erwähnte und ausdrücklich als μητρόπολις bezeichnete Stadt Ῥάπτα als Hauptstadt der R. und im Innern des Landes gelegen, der im Periplus ἐμπόριον genannte Ort als Hafenplatz dieser Hauptstadt zu verstehen. Ein Beweis hiefür ist auch das Zeugnis des Steph. Byz., der einen ὅρμος Ῥάπτα nennt mit ausdrücklicher Unterscheidung von [240] der μητρόπολις Ῥάπτα. Dieser demnach durch zwei Zeugnisse beglaubigte Hafenplatz Rhapta kann mit Wahrscheinlichkeit nur an der Mündung des Flusses Rhaptos angenommen werden, also nach der Karte des Ptolemaios 7° S. K. Müller war im Unrecht, wenn er Ptol. I 2, 765 auf Grund der kurzen Mitteilung des Anon. Geogr. 43 in den Geogr. gr. min. II 505 (τὸ ἀπὸ Ἐσιναῦ ἐμπορίου τῆς Βαρβαρίας ἠ τῶν Ῥαπτῶν μητροπόλεως) Essinau für den Hafen der binnenländischen Stadt Rhapta hielt (vgl. Geogr. gr. min. I 270). Essinau, welches auch Ptolem. IV 7, 11 (vgl. I 17, 11) erwähnt (Ἐσσινὰ ἐμπόριον, 73° 30’, 2° 30’ 8.; die Variante Ἐσσινάευ erhält durch die vom Anon. gewährleistete Namensform eine beachtenswerte Stütze), ist das heutige Wassina gegenüber der Insel Pemba (s. den Art. Essina) und von Ptolem. um 4° 30’ seiner Karte nördlicher gedacht als die Mündung des Rhaptos. Richtiger äußerte sich Müller in der ersten Hälfte seines I. Bandes, 48, wo er nur die Identifikation mit Wassina erwähnt und erklärt, es sei in derselben Gegend gelegen wie Rhapta (vgl. Geogr. gr. min. II 506); unrichtig hatte Vivien de Saint Martin Le Nord de l’Afrique 1863, 305f. Essina nach Hhassen, einer Bucht von Pemba, verlegt. Der Verfasser des Periplus berichtet, daß aus Rhapta und anderen Handelsplätzen dieser Gegend Elfenbein, Schildkrot, Nashorn und Kokosöl ausgeführt (16. 17), dafür namentlich die in Muza (s. d.) fabrizierten Lanzen und andere Waffen, ferner Glas-(Kristall-)Waren, Wein und Getreide eingeführt werden, jedoch nicht als Handelsartikel, sondern zum Zwecke der Erhaltung guten Einvernehmens mit den βάρβαροι (17). Die Bewohner der Umgegend von Rhapta bezeichnet der Periplus (16) als räuberische Menschen von gewaltigem Körperbau, von denen sich jeder in seinem Gebiete als unumschränkter Machthaber fühle; über die große Statur der Bewohner dieser Gegend berichten Reisende wie Capitain Th. Boteler Narrative of a voyage of discovery, 1835, II 220 (worauf auch Fabricius Der Periplus, 1883, 135 hinweist; vgl. die Nachricht über den hohen Körperwuchs der Αἰθίοπες μακρόβιοι bei Her. III 20. 114, ferner Jesaia 18, 2. 45, 14). Den auf solcher Kulturstufe stehenden R. reihen sich ihre von Ptolemaios erwähnten Nachbarn, die Αἰθίοπες ἀνθροποφάγοι, ebenbürtig an. Speziell für seine Zeit berichtet derselbe Gewährsmann (16), daß diese Küstengegend dem südarabischen Königreiche unterstehe und unmittelbar von dem Herrn der Maphareitis (des Landes der Maʿāfir, s. Maphoritae) verwaltet werde. Doch hatten diese Gegend damals die Einwohner Muzas vom Könige gepachtet und schickten Kauffahrteischiffe dahin. Jener arabische König war der im Periplus (23. 26. 31) genannte Ḥimjarenkönig Charibaël (s. Homeritae), dessen Residenz Ẓafār war; das Land stand also unter himjarischer Oberhoheit; sein Vasall Cholaibos (arab. Kulaib) residierte in Save (22; s. Saba). So beherrschten Araber schon damals wie später im Mittelalter und selbst in der Neuzeit den Handel in der dortigen Küsten- und Binnengegend. Daß [241] im Periplus weder der Fluß Rhaptos noch ein Vorgebirge Rhapton erwähnt ist, erklärt sich schon daraus, daß der Verfasser diese Gegend offenbar nie gesehen hat. Nur flüchtig wird die Stadt Rhapta als μητρόπολις von dem bereits erwähnten Anonymus angeführt.

Der Ausdruck bei Steph. Byz. s. Ῥάπτα klingt allerdings so, als ob zwischen der μητρόπολις τῶν ἐντὸς Αἰθίοπων, deren Einwohner Ῥ. genannt werden, und einer gleichnamigen μητρόπολις in Barbaria unterschieden werden müßte; doch ist selbstverständlich, wie schon der Vergleich der Worte des Stephanos mit den Angaben bei Ptolemaios und im Periplus lehrt, dabei nur an eine einzige Stadt zu denken, dieselbe, die eben Ptolemaios nennt, nur daß Stephanos das Land mit Ptolemaios Barbaria nennt und nicht wie der Periplus Azania; auch sind des Stephanos Ῥ. identisch mit jenen des Ptolemaios und nicht, wie man früher zuweilen annahm, verschieden von ihnen. Der von Stephanos außerdem gebrauchte Ausdruck Ῥάπτα ὅρμος bezieht sich, wie bereits erwähnt, auf den Hafenplatz Rhapta an der Mündung des gleichfalls von Stephanos erwähnten Flusses Ῥάπτος, bezeichnet also denselben Punkt wie das ἐμπόριον Ῥάπτα im Periplus.

Was nun die Frage nach der Lokalisierung der Stadt, des Flusses, des Vorgebirges und der Völkerschaft anbelangt, so lehrt zunächst der Vergleich der Maßangaben des Ptolemaios, daß nach seiner Vorstellung die Stadt in gleicher Höhe lag wie die Mündung des Flusses (7° S.), nicht an der Küste, sondern (um 1½°) westlich von ihr (K. Müller Ptolem. I 767 schlug vor, 72° (οβ’ statt οα’) zu schreiben, damit die Entfernung vom Meere nicht zu groß erscheine, sondern nur 30’ betrage, doch ist an eine Textänderung keinesfalls zu denken), sicherlich am Flusse selbst, ferner daß sie nördlicher (um 1° 25’) und westlicher (um 2° 50’) gedacht war als das gleichnamige Vorgebirge, welches Ptolemaios zugleich als Grenzpunkt Äthiopiens bezeichnet (IV 7, 3), so daß also in der Ptolemäischen Karte der Meridian der Flußmündung und des Hafens (72° 30’) zwischen die Meridiane der Stadt (71°) und des Vorgebirges (73° 50’) hineinfiel, während die Höhe der Flußmündung und des Hafens (7° S.) mit jener der Stadt zusammenfiel und (um 1° 25’) nördlicher lag als die des Vorgebirges. Ganz verfehlt war die früher versuchte Zusammenstellung der in der Adulisinschrift (CIG III 5127) erwähnten Ῥαῦσαι (Ῥαυσοί) mit den R. (s. d. CIG). Vivien de Saint Martin a. a. O. 312f. hielt den heutigen Fluß Pangani für den Rhaptos und das Kap Puna (ungefähr 7° südl. Breite) für das Vorgebirge Rhapton. Denselben Ansatz für Rhapton empfahl mit anderen K. Müller (vgl. Geogr. gr. min. I 271 und Ptolem. I 763). Guillain Documents sur l’histoire ... de l’Afrique Orientale 1865, I 115f. suchte mit anderen (so Vincent) das Vorgebirge bei dem heutigen Kilwa und identifizierte den Fluß Rhaptos mit dem Ufidži. (Lufidži). Mit Unrecht sprach Sprenger Die alte Geographie Arabiens 1875, 255 im Anschlusse an den Periplus 16 von einer arabischen Kolonie Rhapta in Zanzibar. Ähnlich [242] wie Guillain meinte auch Glaser Skizze der ... Geographie Arabiens II 1890, 206, der jedoch von Guillain nichts gewußt zu haben scheint, daß Rhapta ,keinesfalls viel südlicher als bei Dār-es-Salām oder bei Kilwa‘ zu suchen sei. Die Frage nach der Lokalisierung des Flusses und Vorgebirges wollte er zuerst (207), wenn auch zweifelnd, dahin beantworten, daß man ‚am Ende an den Rowuma denken könnte, der neben (nördlich von) einem Vorgebirge, nämlich dem Kap Delgado, mündet. Allein genau lokalisieren läßt sich der Ort bei unserer heutigen Kenntnis jener Küsten nicht‘. Glaser sah selbst ein, daß er mit diesem seinen Ansatz zu tief geraten war – und eben daran scheitern auch die Konstruktionen Guillains. Mit Rücksicht auf die von Ptolemaios angegebene Breite 8° 25’ S. erklärte er später (299), das Vorgebirge Rhapton sei ,kein anderes als das Gebirge von Usaramo, also etwa die Gegend von Dār-es-Salām‘. Dann darf er freilich den Fluß Rhaptos nicht mehr im Rowuma erblicken, sondern hat ,nur die Wahl zwischen dem Rufu (Kingani), der bei Bagamoyo mündet, und dem bei Saʾdāni sich ins Meer ergießenden Wami‘. Für diese Alternative findet er folgende Lösung: ,Ich glaube, wir haben es mit dem Kingani zu tun. ... Dann aber lag die Stadt Rhapta sowohl des Ptolemaios als auch des Periplus gar nicht weit oberhalb (flußaufwärts) von Bagamoyo, etwa bei Dunda oder bei Madimola‘. Daß Glaser den Unterschied zwischen den Angaben des Ptolemaios und dem Berichte des Periplus über die Stadt Rhapta, den wir oben erörtert haben, gar nicht erkannte, ist hier minder belangreich; daß aber seine Erklärung auch ihrem Hauptinhalte nach ebensowenig befriedigen kann, wie seine frühere, bekannte Glaser selbst mit seinem Zugeständnis, daß er unter seiner nunmehrigen Voraussetzung ,auf einen großen Flußlauf (den Rowuma) verzichten und sich mit einem kleineren begnügen‘ muß. Es wäre in der Tat seltsam, daß Ptolemaios gerade den verhältnismäßig unbedeutenden Kingani zum einzigen Repräsentanten der Küstenflüsse des Landes der R. gewählt haben sollte. Auch ist zu bedenken, daß eine an diesem Flusse in gleicher Breite mit seiner Mündung im Landinnern gelegene Stadt, wie es Ptolemaios voraussetzt, nicht denkbar ist, weil die Mündungsstelle des Kingani zugleich sein nördlichster Punkt ist und die von Glaser erwähnten zwei Orte nicht wenig südlicher liegen.

Den angeführten Aufstellungen gegenüber empfiehlt es sich wohl, den Fluß Rhaptos allerdings für den Rufu zu halten, aber nicht für den Kingani, dessen Mündungsstelle gegen 6° 23’ südl. Breite liegt, sondern für den Pangani, der auch Rufu heißt und ca. 5° 27’ südl. Breite ins Meer mündet. Die Lage der alten binnenländischen Hauptstadt Rhapta wäre dann nur in der Nähe des heutigen Korogwe am Rufu-Pangani zu suchen, der alte gleichnamige Hafenplatz an der Mündung des Flusses beim heutigen Orte Pangani. Somit ergibt sich als Gebiet der alten R. der Norden des heutigen Deutsch-Ostafrika, das Land zu beiden Seiten des Rufu-Pangani südlich vom Gebirgsland Usambara, [243] also das Suaheliland. In der Bestimmung des Flusses Rhaptos pflichten wir also sachlich Saint Martin bei. Wenn dieser bewährte Kenner mit anderen das Vorgebirge Rhapton im Kap Puna erblickte, so zog er nur die nötige Konsequenz aus der Kombination seiner an sich richtigen Ansetzung des Flusses mit den Angaben des Ptolemaios. Doch ist es nicht eben wahrscheinlich, daß, wie man diesen zufolge annehmen müßte, das Vorgebirge um ca. 106¼ Milien südlicher liegen sollte als die Mündungsstelle des gleichnamigen Flusses, zumal da Ptolemaios selbst I 17, 12 ausdrücklich bemerkt, daß sich der Fluß Rhaptos beim Vorgebirge Rhapton ins Meer ergieße. So lassen sich die verschiedenen Angaben des Ptolemaios weder untereinander noch mit geographischen Tatsachen in Einklang bringen. Es hat vielmehr den Anschein, daß nicht, wie K. Müller meinte, die beiden von Ptolemaios genannten Vorgebirge Rhapton und Prason in Wahrheit nur einen geographischen Punkt bezeichnen, nämlich Kap Puna, sondern daß nur die Entfernung zwischen dem Vorgebirge Rhapton und dem gleichnamigen Fluß von Ptolemaios zu groß angegeben und das Vorgebirge weit näher der Mündung des Flusses zu suchen ist, wie dies nicht nur an sich naturgemäß ist, sondern von Ptolem. I 17, 12 selbst bezeugt wird. Dann ergibt sich als das Vorgebirge Rhapton, der Endpunkt Azanias, jenes Vorgebirge, welches den Abschluß der von der Mündung des Pangani nach Süden verlaufenden Bucht bildet, der Rās Utondwe, die östlichste gegen Zanzibar vorspringende Spitze des Küstenstriches Udoë, 6° 12’ südl. Breite. Schwer ist auch die Frage nach der Lage des Vorgebirges Prason zu beantworten; des Ptolemaios Positionen führen in ein Wirrsal von Unmöglichkeiten. Es hindert nichts, dieses Vorgebirge mit dem Kap Puna, beziehungsweise dem Rās Kanzi (7° südl. Breite) zu identifizieren, also die Lagebestimmungen, welche Ptolemaios seinem Rhapton gibt, für Prason gelten zu lassen.

Was endlich den Akzent der griechischen Namensform für Stadt, Fluß und Vorgebirge betrifft, so schwanken bei Ptolemaios die Hss. (vgl. Wilberg und K. Müller zu I 9, 1) zwischen Ῥάπτα und Ῥαπτά, Ῥάπτος und Ῥαπτός, Ῥάπτον und Ῥαπτόν, und zwar derart, daß dieselbe Hs. denselben Namen an verschiedenen Stellen bald in barytonierter, bald in oxytonierter Form schreibt. Die Oxytonierung erklärt sich aus der allerdings naheliegenden gräzisierenden Etymologie des arabischen Namens, welche auch ein Sprachkenner wie der Verfasser des Periplus 16 befolgt, wenn er meldet, das Emporion Ῥαπτά habe seinen Namen (πὸ τῶν ῥαπτῶν πλοιαρίων, den ‚zusammengenähten‘, zusammengebundenen Fahrzeugen, welche an dieser Küste für den Fisch- und Schildkrötenfang verwendet werden, womit (vgl. 15) Fahrzeuge gemeint sind, welche aus Baumstämmen, die mit Stricken aus Palmen- oder Kokosnußfasern aneinandergebunden sind, und daraufgelegten Planken (vgl. K. Müller Geogr. gr. min. I 270. Fabricius a. a. O 135) verfertigt sind und sich infolge der Biegsamkeit ihres Materials für die durch Brandung erschwerte Küstenfahrt besonders eignen. [244] Fahrzeuge solcher Art, Dau oder Zambuko genannt, werden noch heute im Indischen Ozean zu Küstenfahrten verwendet. Diese Etymologie, eines von den zahlreichen Beispielen für die rein äußerliche, auf Grund des bloßen Klanges versuchte Angleichung eines semitischen Namens an eine griechische Wurzel, scheint jedoch der Wahrheit zufällig darum nahezukommen, weil der arabische Name Rabta, der als Original der griechischen Form Ῥάπτα unschwer zu ermitteln ist, tatsächlich von einem Verbum (rabaṭa) herkommen dürfte (vgl. Glaser a. a. O. 207), das ‚binden‘ bedeutet, sich also begrifflich mit dem griechischen ῥάπτειν immerhin berührt. Da aber die Hss. des Ptolemaios selbst vielfach die barytonierten Formen zeigen, ferner die Hss. des Steph. Byz. und auch die Hs. des Markianos (an der gleich anfangs zitierten Stelle) Ῥάπτα bieten, so hat K. Müller in seiner Ptolemaiosausgabe im Gegensatze zu Nobbe, Wilberg und anderen, welche mit der Vulgata gingen, mit Recht durchweg Ῥάπτα, Ῥάπτος und Ῥάπτον eingesetzt. Er betont auch unter Hinweis auf das bekannte Akzentdifferenzierungsgesetz, daß die Eigennamen, selbst wenn sie mit ῥαπτός zusammenhingen, als Barytona geschrieben worden wären. Sicher steht, was K. Müller nicht wissen konnte, daß der arabische Name auf der ersten Silbe betont war.

[Tkač. ]