Ἐγγύη, die Bürgschaft. Ihr Begriff ist schon völlig ausgebildet bei Hom. Od. VIII 351, wo Hephaistos die Bürgschaft des Poseidon für Ares anfangs mit den Worten zurückweist: δειλαί τοι δειλῶν γε καὶ ἐγγύαι ἐγγυάασθαι, in dem Sinne ,Ohnmächtig sind die Bürgschaften, die man Ohnmächtigen gibt‘. Vgl. Thalheim Progr. Hirschberg 1894, 8. Die Ableitung des Wortes war schon den Alten so dunkel, daß sie sogar auf γῆ verfielen (durch Vermittelung von γύη), Suid. s. v., jedenfalls beweist die Erklärung ἀσφαλὴς ἀντιποίησις und die Glosse ἔγγυον ἀσφαλές, daß in der Bedeutung der Begriff der Sicherheit hervortrat. Das Eigentümliche aber bei dem Geschäft ist, daß ein Dritter die Verpflichtung des einen dem andern gegenüber nötigenfalls an dessen Stelle übernimmt. Daher auch die Bezeichnung ἀναδέχεσθαι (s. d.). Darnach konnte jener andere, wenn der erste seiner Verpflichtung nicht nachkam, die Erfüllung ohne weiteres von dem Bürgen fordern. Dieser mochte dann sehen, wie er sich mit dem Verbürgten abfand, ein Verhältnis, das auch bei den Griechen schlimme Folgen zeitigte, so daß man früh das Sprichwort hatte ἐγγύα πάρα δ’ ἄτα Plat. Charmid. 165 a, vgl. v. Leutsch zu Paroemiogr. I p. 394. Sich für jemanden verbürgen heißt ἐγγυᾶσθαί τινα, [Demosth.] XXXIII 22. 24. Schoemann zu Isai. p. 307, dazu τινι jemandem gegenüber, [Demosth.] a. O. 28, auch διεγγυᾶσθαι, Isokr. XVII 14. Bezüglich des Bürgen sagt Moiris: ἔγγυον Ἀττικοί, ἐγγυητὴν Ἕλληνες, indes das ist Verderbnis oder Verwechslung, das Umgekehrte bestätigen Schriftsteller und Inschriften. Aus Thespiai findet sich neben ἔγγυοι IG VII 1740f. auch die Bezeichnung προστάται, Bull. hell. XXI 554. Erfüllung der Bürgschaft fordern heißt τὴν ἐγγύην πράττεσθαι, εἰσπράττειν, ἀπαιτεῖν [Demosth.] XXXIII 23f., sie leisten ἀποδιδόναι, LIII 27. Isai. V 3. Ein [Demosth.] XXXIII 27 erwähntes Gesetz: τὰς ἐγγύας ἐπετείους εἶναι kann auch in Athen nur eine in nicht näher bestimmbarer Weise beschränkte Geltung gehabt haben, jedenfalls haften die Bürgen für Pachtverträge IG II 565. 1056. 1058 länger. Die Anwendung der Bürgschaft war eine äußerst mannigfache, zunächst beim Darlehen, Demosth. XXXIII 7. IG VII 3172, 61. 86. Wescher-Foucart Inscr. de Delphes 139. Dittenberger Syll.² 510, 42, auch neben der Hypothek, Dittenberger a. O. 510, 44. 306, 32. 645. Bull. hell. VI 66, ferner beim Kauf für Zahlung des Kaufgeldes, Hyper. Athenog. IX 25. Dittenberger Syll.² 600. CIG 2338, 84. 95, wie auch für die sichere Gewähr des Verkaufsgegenstandes (βεβαιωτήρ, προαποδότας s. Βεβαίωσις), sodann bei Lieferungsverträgen, Dittenberger Syll.² 653, 74. 522, 5, wie Unternehmungsgeschäften, IG II 5, 1054 d und f. IG VII 4255 und Fabricius De arch. graec. 29, ferner bei Pachtverträgen, IG II 565. II 5, 53 a. Dittenberger Syll.² 531. IG VII 1740. Bull. hell. XXI 554, auch bei Gefällpachten, [Demosth.] LIII 27. Demosth. XXIV 144, ja selbst für Ehrenbezeugungen, die eine Stadt gewährte, wie Proxenie, werden Privatleute als Bürgen in den Beschlüssen verzeichnet, wie dies im ganzen nordwestlichen Griechenland Brauch war, Dittenberger Syll.² 478 n. 4. Auch sonst erscheint Bürgschaft bei jeder Art von Verträgen und Vergleichen, Demosth. XXXVLII 40. [Demosth.] XXXIII 15. LIX 65. Isai. V 1. Isokr. XVII 37, ja es finden sich auch [Demosth.] XXXIII 10 bei einem in Vermögensverfall geratenen Bankgeschäft ἐγγυηταὶ τῆς τραπέζης erwähnt, welche, wie es scheint, die Masse verwalten. Ferner erscheint Bürgschaft im Besitzstreit nach den Gesetzen des Zaleukos, wo der tatsächliche Besitzer bis zur Entscheidung im Besitz verbleibt, aber dem Gegner Bürgen für die Erhaltung des streitigen Gegenstandes stellt, Polyb. XII 16. Im [2567]
attischen Prozeß kommt die Bürgschaft vor teils dafür, daß der Beklagte sich vor Gericht stellte, und zwar für Bürger bei gewissen öffentlichen Klagen, wie Apagoge, Ephegesis, voraussichtlich auch Endeixis, öfter auch bei Eisangelie, überhaupt wo andernfalls Verhaftung einzutreten hatte, für Nichtbürger aber sogar in einzelnen Privatprozessen, Isokr. XVII 12. [Demosth.] XXXII 29. Andererseits wurde Bürgschaft geleistet für Erfüllung des Urteils, und zwar gleich bei Beginn des Rechtsstreits bei der ἀφαίρεσις εἰς ἐλευθερίαν, Lys. XXIII 9f. [Demosth.] LIX 40, und bei Anfechtung eines Contumacialurteils, Poll. VIII 60, ferner nach ergangenem Urteil in den Handelsklagen, um dem Gefängnis zu entgehen, [Demosth.] XXXIII 1, und wo sonst Gefängnis als Zusatzstrafe angeordnet war, Demosth. XXIV 39, vgl. Plat. Apol. 38b. Vgl. Meier-Lipsius Att. Proz. 703f. Über Ἐ. = ἐγγύησις s. d.