Ἄμυλον, Kraft- oder Stärkemehl, hat seinen Namen davon, dass es ohne Anwendung einer Mühle hergestellt wurde (Diosc. II 123. Plin. XVIII 76. Etym. M. 87, 43. 46). Bei ὁ ἄμυλος könnte man teils σῖτος, Speise, teils ἄρτος, geformtes Brot, oder πλακοῦς, Kuchen, ergänzen; er wird nämlich bald als βρῶμα, Speise (Etym. M. 87, 43. Hesych.), bald als Kuchen aufgefasst (Diog. bei Hesych. Symm. Sam. exod. 16, 31), ja in letzterem Sinne auch (Athen. XIV 647 f) τὸ ἄ. genannt. Der Sprachgebrauch mag daher geschwankt haben, doch wird das Masculinum in der Regel ein Brot (Schol. Theokr. IX 21) oder einen Kuchen (so namentlich Aristoph. Ach. 1092), das Neutrum das Kraftmehl oder, gleichbedeutend mit καταστατόν, einen daraus bereiteten Milchbrei (Schol. Theokr. a. Ο. Boissonade Anecd. gr. II 394) bezeichnet haben. Das Kraftmehl, 56–67% des Weizenmehls bildend, ist in mikroskopischen Körnchen in den Pflanzenzellen eingelagert und kann, wenn die in feuchtem Zustande zerquetschten Weizenkörner in einen leinenen Sack gethan werden, mit dem Wasser durch mechanischen Druck durch die Poren der Leinwand hindurchgetrieben werden, während der zu einer zähen Masse sich zusammenziehende Kleber, sowie die Häute in dem Sacke zurückbleiben. So schildern Cato (de agr. 87) und Plinius (a. O.) den Vorgang, während Dioskorides (a. O.), bevor die zerquetschte Masse in den Durchschlag gebracht wird, durch neuen Aufguss von Wasser die Häutchen, welche leichter als Wasser sind und daher aufschwimmen, entfernen will. Das gewonnene ἄ. wurde dann auf Backsteinen unter der Einwirkung heisser Sonnenstrahlen getrocknet (Diosc. und Plin. a. O.). Die genannten empfehlen zu dem Zwecke den feinen Siligoweizen oder mehr noch den leichten Dreimonatsweizen. Nach Plinius war das ἄ. von den Bewohnern der Insel Chios erfunden und wurde hier am besten hergestellt, nächstdem auf Kreta und in Ägypten. Man kochte es in Milch (Cato und Diosc. a. O.) oder setzte es andern Speisen zu (Diosc. a. O.). Vielfach wurde es auch als Medicament gebraucht, so um in Wolle den Mund des blutenden Uterus nach einem Klystier zu verschliessen (Ps.-Hipp. II [2002] 862 K.), um den Schleim zu verdicken (Cels. II 23), um harte Backen zu erweichen (Plin. XXII 137; vgl. Galen. VI 500), gegen Thränenfluss, Geschwüre und Pusteln (Diosc. II 123. Plin. a. O.), gegen Blutspeien (ebd.), Luftröhrenkatarrh (Diosc. a. O. Galen. XIII 10. Marc. 14, 42), Geschwüre am Zäpfchen des Mundes (Aret. in Med. gr. XXII p. 229 K. Marc. 4, 42) u. s. w.; die adstringierende Wirkung (Plin. a. O.; vgl. Marc. 27, 138) wird von Galenos (XI 442) bestritten; bei Samenfluss war sein Genuss schädlich (Cels. IV 28).