Zum Inhalt springen

RE:Τιμοῦχοι

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
korrigiert  
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Synedrion aus angesehenen Bürgern in Oligarchien
Band VI A,2 (1937) S. 13661369
Bildergalerie im Original
Register VI A,2 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|VI A,2|1366|1369|Τιμοῦχοι|[[REAutor]]|RE:Τιμοῦχοι}}        

Τιμοῦχοι sind in Oligarchien das aus den altbürgerlichen angesehensten und reichsten Bürgern bestellte Synedrion als Regierungsorgan, als Plenum oder als regierender Rat. Das Kollektivum τιμουχία, die Körperschaft der die Ehrenämter inne habenden Bürger, ist gleich gebildet wie γερωχία, die Bezeichnung der lakedaimonischen γερουσία im lakonischen Dialekt, eigentlich ,die Gesamtheit der die Ehrenstellung eines Geron Besitzenden‘ nach der schönen Erklärung von [1367] Wackernagel zu Busolt Griech. Staatskunde 679, 4.

T. als Titel für die Mitglieder der Behörde der τιμουχία, aber auch als Bezeichnung eines Beamten überhaupt, sind besonders in Ionien und ionischen Pflanzstaaten nachweisbar.

Am besten aber kennen wir die Verhältnisse für Massalia. Hier konnten ursprünglich unter der strengen Oligarchie nur solche Bürger τ. werden, und zwar auf Lebenszeit, die im dritten Gliede von bürgerlicher Abstammung waren und Kinder aus rechtmäßiger Ehe besaßen. Später hatte die strenge Oligarchie früherer Zeit sich allmählich gemildert, indem nach Aristot. Pol. VI 7 p. 1321 A 30 die Liste der Berechtigten revidiert und auch bisher Nichtberechtigte als ‚Würdige‘ aufgenommen werden konnten. Nachweislich seit dem 3. Jhdt., aber gewiß schon viel früher, lag die Regierung in den Händen der ‚Sechshundert‘ (οἱ ἑξακόσιοι), die den Titel τιμοῦχοι ‚Amtsinhaber`, führten. Diese ursprünglich allein durch Herkunft und Vermögen zur Regierung Berechtigten ἑξακόσιοι oder τιμοῦχοι sind mehrfach bezeugt. So durch den Beschluß der Lampsakener von 196/95, Syll.³ 591 = IGR IV 179), ein Ehrendekret für Hegesias, πλεύ[σας τὸν εἰς Μασσαλ]ίαν πλοῦν πολὺν καὶ ἐπικίνδυνον ἐπ[ελθὼν ἐπὶ τοὺς ἑξακο]σίους παρεστήσατο αὐτοὺς κτλ. Die Funktion der ἑξακόσιοι als Richter bei gesetzwidrigem Antrag bezeugt Lukian. Toxaris 24 ὁ Μενεκράτης (Μασσαλιώτης) ἀφῃρέθη τὴν οὐσίαν ἐκ καταδίκης, ὅτε περ καὶ ἄτιμος έγένετο ὑπὸ τῶν ἑξακοσίων ὡς ἀποφηνόμενος γνώμην παράνομον. Vgl. auch Val. Max. II 6, 7 (über Massilia): venenum cicuta temperatum ... datur ei, qui causas sescentis – id enim senatus eius nomen est – exhibuit, propter quas mors sit illi expetenda. Am ausführlichsten berichtet Strab. IV 179 (nach Poseidonios) διοικοῦνται ἀριστοκρατικῶς οἱ Μασσαλιῶται πάντων εὐνομώτατα, ἀνδρῶν ἑξακοσίων καταστήσαντες συνέδριον διὰ βίου ταύτην ἔχοντες τὴν τιμήν, οὓς τιμούχους καλοῦσι. πεντεκαίδεκα δ’ εἰσὶ τοῦ συνεδρίου προεστῶτες (als geschäftsführender Ausschuß, der auch anderwärts vorkommt). In Massilia leiteten die τ. nicht bloß die Staatsverwaltung und die auswärtige Politik, sondern besaßen auch, wie die Lukianstelle beweist, weitreichende richterliche Befugnisse, indem sie wegen gesetzwidriger Anträge Atimie und Konfiskation des Vermögens verhängten. Sie regierten also als das Plenum der überhaupt Berechtigten mit souveräner Machtvollkommenheit. Vgl. Cic. rep. I 27, 34 Ac modo, si Massilienses ... per delectos et principes civis summa iustitia reguntur, inest tamen in ea condicione populi similitudo quaedam servitutis. Vgl. ebd. 28, 44 und Cic. pr. Flacc. 26, 63 Massilia ... quae sic optimatium consilio gubernatur, ut omnes eius instituta laudare facilius possint quam aemulari.

Ἑξακόσιοι bzw. τιμοῦχοι sind für folgende Staaten bezeugt.

In Teos zuerst vom 5.-2. Jhdt. durch die alten Verwünschungen SGDI 5632 (Syll.³ 38) 25 οἵτινες τιμοχέοντες τὴν ἐπαρὴν μὴ ποιήσεαν ἐπὶ δυνάμει ...ἐν τἠπαρῆι ἔχεσθαι, wo die τιμοχέοντες von Swoboda-Hermann Staatsalt. I 3, 65, 1 richtig als οἱ τὰς ἀρχὰς ἔχοντες bestimmt wurden. Im Briefe des Antigonos über den Sympolitievertrag [1368] von Teos und Lebedos von ca. 303, Le Bas–Waddington III 86 (Syll. or. I 309. Syll.³ 344) Z. 115 ἡμῖν οὖν οὕτως δοκεῖ ἔχειν, τοὺς μέν γε εὐποροῦντας εἶναι ἑξακουσίους. Syll.³ 578 (2. Jhdt.) 60 ἀναγγελλέτωσαν δέ οἱ ἑκάστοτε γινόμενοι τιμοῦχοι πρὸς τῆι ἀρᾶι und dazu Ziebarth.

Sinope. Syll.³ 1017, 10 (3. Jhdt.) ὑπάρξει δέ αὐτῷ (dem Priester des Poseidon Helikonios) καὶ ἀνθινὸς στέφανος ἐν ἅπασι τοῖς ἀγῶσιν καθότι καὶ ταῖς τιμουχίαις (den Beamtenschaften).

Pergamon. Beschluß über das Priestertum des Asklepios Inschr. v. Pergamon 251 (= Syll.³ 1007) Z. 30 ἐπιτελεῖν ὁρκωμόσιον τὴν πόλιν ἐν τῆι ἀγορᾶι ...καὶ ὁμόσαι τὰς τιμουχίας, d. h. hier die Beamtenkollegien, συναρχίαι. Sonst ist, wie Dittenberger not. 11 bemerkt hat, τιμουχία überall der Name eines einzelnen Kollegiums oder einer einzelnen Körperschaft, wie in Massalia und Teos (Syll.³ 578. 60).

Magnesia am Maiandros. Der Volksbeschluß Kern Inschr. v. Magnesia 97 aus der ersten Hälfte des 2. Jhdts. zeigt sie gemeinsam mit den Strategen als Antragsteller [τιμ]ούχων καὶ στρατηγῶν γνώμη, wozu zu vergleichen ist γνώμῃ oder γνώμη στρατηγῶν in Priene; s. o. Bd. VII S. 1489. In bezeichnender Weise stehen die τ. und die Strategen nebeneinander in Syll. or. I 309, 13 εὐνοεῖσθαι καθ’ ἕκαστον ἔτος τοὺς τιμούχους καὶ τοὺς στρατηγούς, wozu zu vgl. ist Dittenberger Anm. 8.

Priene. Für dieses kennen wir τ. durch Inschriften des 4. und aus dem Anfang des 3. Jhdts. Hiller v. Gaertringen Inschr. v. Priene 4 τῶι τῶν νομοφυλάκων κ[αὶ τιμού]χωγ γραμματεῖ. Nr. 6 und 8 Ehrendekrete der Bule und des Demos mit den τ. als Antragstellern, γνώμη τιμούχων.. Richterliche Funktionen der τ. bezeugt nr. 10. In Priene kommt auch der Name ihres Verwaltungsgebäudes vor, τιμούχιον, in welchem sie als Ratsausschuß ihren Sitz haben, nr. 12 ἐν [Πανιωνί]ωι σίτησιν καὶ ἐν τιμουχίωι, entsprechend der athenischen σίτησις ἐν πρυτανείῳ.

Messene. Suid. τιμούχος• οὕτως καλοῦσι τοὺς ἄρχοντας οἱ Μεσσήνιοι.

Olbia. In der bald nach 334 beschlossenen Isopolitie der Milesier und der Olbiopolitai (Rehm Milet I 289, 136 = Syll.³ 286) wird bestimmt Z. 8ff. ἐὰν δὲ θέληι τιμουχιῶν μετέχειν, ἐπὶ βουλὴν ἐπίτω καὶ ἀπογραφεὶς μετεχέτω καὶ ἔστω ἐντελής, καθότι καὶ ἄλλοι πολῖταί εἰσιν, wozu Dittenberger zu vergleichen ist.

Naukratis. Hier finden sich τ. in dem Pariser Papyrus Notices et extraits des manuscrits XVIII 2 (1865) p. 347 nr. 60. 16. 37. S. Dittenberger Anm. 1 zu Syll. or. 120 und Athenaeus IV 149f., wo die Strafkompetenz der τ. bezeugt ist.

Gilbert Griech. Staatsalt. II 140 betrachtete mit Boeckh die τ. als den vorsitzenden Ratsausschuß, Dittenberger dagegen als Rat. Die staatliche Stellung der τ. war, wie sich aus obigen Belegen ergibt, offenbar in verschiedenen Orten und zu verschiedener Zeit verschieden und nicht an die oligarchische Verfassung gebunden. An die Teier wendet sich Antigonos Syll.³ 344, 110, und zwar an Rat und Volk Βασιλεὺς Ἀντίγονος Τηῗων τῆι βουλῆι καὶ τῶὶ δήμωι χαἰρειν. Von Antigonos war 313/12 Milet die Freiheit und die Demokratie verliehen worden (Rehm [1369] Milet I 123 = Syll.³ 322) ἡ πόλις ἐλευθέρα καὶ αὐτόνομος ἐγένετο ὑπὸ Ἀντιγόνου καὶ ἡ δημοκρατία ἀπεδόθη). Möglicherweise erfuhr um die gleiche Zeit auch Teos die gleiche Gnade mit Beibehaltung der τ.

Literatur. Busolt Griech. Staatskunde 357f. und fast erschöpfend Ad. Wilhelm Österr. Jahresh. XII 137f. zu einer Inschrift aus Erythrai.