RE:Εἰσαγωγεῖς
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Eisagogeis, Behörde im Gericht für Tribute der Bundesgenossen 425 v. Chr. | |||
Band V,2 (1905) S. 2138 | |||
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Εἰσαγωγεῖς heißt zunächst allgemein diejenige Behörde, welche Prozesse zur Entscheidung vor die Richter bringt, Demosth. XXXVII 33f. Poll. VIII 38. Bekker Anecd. I 246, dann im besonderen eine Gerichtsbehörde in Athen, welche im J. 425/4 bei Feststellung der Tribute der Bundesgenossen mit der Leitung der Gerichtsverhandlung beauftragt ist (IG I 37). Ihre Mitwirkung tritt dabei derart in den Vordergrund, daß die Schatzungsurkunde neben dem Archon nach ihrem Schreiber datiert ist. Die gerichtliche Entscheidung war endgültig, IG I 266: [πόλεις ἃς ἡ] βουλὴ καὶ οἱ πεντακόσιο[ι οἱ ἡλιασταὶ ἔτ]αξαν. Die Verhandlungen waren innerhalb eines Monats zu Ende zu führen IG I 38. Im 4. Jhdt. gab es fünf erloste εἰ., welche, ein jeder für zwei Phylen, den größten Teil der Monatsklagen (s. Ἔμμηνοι δίκαι) einzuleiten hatten (Arist. resp. Ath. 52, 2). Gleichfalls mit der Leitung von Gerichtsverhandlungen betraut erscheinen die εἰ. in Ephesos. Dittenberger Syll.2 510, 6. und Lampsakos CIG 3641 b 27f.; in Tenos werden unter den Beamten hinter den λογισταί und ἀγορανόμοι drei εἰ. aufgeführt, CIG 204. 205 (welche Urkunden nach Einleitung zu nr. 2329 aus Tenos stammen).
Nachträge und Berichtigungen
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Band S III (1918) S. 423–427 | |||
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- S. 2138 zum Art. Εἰσαγωγεῖς:
Die εἰ., in Athen stets nur in Monatsklagen (δίκαι ἔμμηνοι) zuständig, worüber am besten Lipsius Att. Recht u. Rechtsverfahren I 84f. gehandelt hat, entwickelten sich in hellenistischer Zeit in einer Reihe von Staaten zu der für alle Prozesse kompetenten Instruktionsbehörde. Außer den o. Bd. V S. 2138 angeführten Fällen gehört hierher auch das aus zwei Mitgliedern bestehende, als eponyme Behörde erscheinende Kollegium der εἰ. von Arkesine auf Amorgos, in der von E. Szanto Athen. Mitt. XVI (1891) 30ff. behandelten Inschrift, nunmehr IG XII 7 nr. 3 Z. 18. 28. 39: μηδὲ ἐσα[γ]ωγεὺς ἐσαγέτω, d. h. ,der εἰσαγωγεύς darf den Prozeß nicht als einen instruierten der Gerichtsversammlung vorlegen' (Szanto 36, der diese Bestimmung scharfsinnig erörtert).
Als Instruenten der Prozesse faßte M. Schede Athen. Mitt. XXXVII (1912) 216 nr. 17 auch die εἰσαγωγεῖς einer Inschrift aus Samos von etwa 100 v. Chr. Es ist eine Weihung an Ἑρμῆς εἰσαγωγός und Ἀφροδίτη συναρχίς. Dedikanten sind οἱ ἐν τῶι ἐπὶ Δη[μη]τρίο[υ τ]οῦ Ἀρ[τεμ]ιδώρου [ἐν]ι[αυ]τῶι [ε]ἰσαγωγεῖς (folgen fünf Namen) καὶ ὁ πραγμ(α)τευσάμενος αὐτοῖς Φιλωνίδης Δημη[τρί]ου (nach Schede ein Unterbeamter als Sekretär) καὶ ὁ ἐπὶ τοῦ ἀρχήου [ἀ]ποτεταγμένος Φαρνάκης (wegen des Fehlens des Vaternamens wohl ein Unfreier in nicht näher bestimmbarer Funktion). Diese εἰ. werden von Schede zu den drei εἰ. der Beamtenverzeichnisse von Tenos CIG 202–206, jetzt IG XII 5 n. 880–883, gestellt. Gegen die Auffassung der samischen εἰ. als Gerichtsbehörde hat aber B. Laum Athen. Mitt. XXXVIII (1913) 53ff. gewichtige Bedenken erhoben, vor allem, daß die Beziehung dieser Gerichtsbehörde zum Ἑρμῆς Εἰσαγωγός völlig unerklärt bleibt. Laum, von der Bedeutung εἰσάγειν, ,importieren‘, ausgehend, betrachtet die εἰ. von Samos als ein aus fünf Mitgliedern auf ein Jahr bestelltes staatliches Kollegium von Importeuren für die vom Staate selber als eine Art Einkaufsmonopol an die Hand genommene Getreideeinfuhr, den πραγματευσάμενος als ihren ,Aufkäufer‘ (Privatmann oder Beamter, sicherlich aber nicht Zwischenhändler) und den Φαρνάκης, der seinem Namen nach aus dem Pontos stammt, als Vertreter oder Kommissionär der Produzenten oder Grossisten im Pontos, der in der Stadt der Konsumenten an das ἀρχῆον, d. h. in diesem Falle das Amtslokal der εἰ., abbeordert oder entsandt ist, wobei ἀποτεταγμένος für den aus der Fremde kommenden das charakteristische Wort ist (Laum 58, 2). Ἑρμῆς ὁ εἰσαγωγός, eine besondere Benennung des Handel und Wandel der Ionier schützenden Ἑρμῆς Ἀγοραῖος, ist der Spezialgott dieses Kollegiums der εἰ., dem Aphrodite, wie oft, als συναρχίς beigesellt ist. Darum steht [426] beim Epitheton des Hermes der Artikel, bei dem der Aphrodite nicht, Z. 16f. 'Ἑρμεῖ τῷ εἰσαγωγῶι καὶ Ἀφροδίτῃ συναρχίδι (Laum 59, 3).
Wenn, wie ich glaube, Laum recht hat, so sehe ich nicht ein, warum man die εἰ. der Beamtenverzeichnisse von Tenos weiter als juristisches Kollegium betrachten soll. Daß sie darin hinter den ἀγρανόμοι und in der Nähe der ἀστυνόμοι, πράκτορες und λογισταί erscheinen, spricht doch eher gegen als für den Charakter des Kollegiums als eines juristischen; denn die genannten Behörden sind Polizeibehörden und funktionieren nur in den speziell das Marktwesen betreffenden Klagen als Gerichtsbehörde. Es hatte daher meines Erachtens Laum 53, 2 keinen Grund, diese Deutung abzulehnen und die ganz unsichere Vermutung zu äußern, vielleicht seien sie als Gerichtsbeamte εἰ. für die ἀγορανόμοι gewesen; denn diese werden doch wohl, wie jeder griechische Beamte, für ihren Ressort selber Instruenten der Klagen gewesen sein. In meiner Auffassung werde ich auch dadurch nicht wankend, daß A. Plassart und Ch. Picard Bull. hell. XXXVII (1913) 171, 6 Schede zustimmen.
Einen εἰσαγωγεύς besonderer Art, nämlich einen εἰσαγώγευς τῶ νόμω, weist die von Plassart und Picard a. a. O. auf Grund alter Abklatsche der École française d’Athènes in den Lesungen berichtigte und ergänzte Inschrift aus Kyme, Bull. hell. XII (1888) 362 nr. 6 (= Hoffmann Griech. Dial. II nr. 157), auf. Darnach stand Z. 11 τὸν δὲ ἀποδεδειγμένον εἰσαγ[ώ]γεα τῶ νόμω . . . εἰσενέγκαι αὐτὸ (sc. τὸ ψάφισμα) εἰς τὸ νομοθέτικον δικαστήριον, ἵνα κτλ. Kyme hat eine geregelte Nomothesie und Nomographie (Swoboda Griech. Volksbeschl. 236). Gesetze, und im vorliegenden Falle, wo es sich um eine wichtige Maßregel zur Sicherung der φυλακὰ καὶ σωτηρία τᾶς πόλιος καὶ τᾶς χώρας handelt, auch ein Psephisma, werden durch den εἰσαγώγευς τῶ νόμω vor das νομοτέτικον δικαστήριον gebracht, wodurch das Psephisma Gesetzeskraft εἰς πάντα τὸν χρόνον erhält.
Besonderer Art und nicht ohne weiteres mit den oben behandelten εἰ. als instruierender Gerichtsbehörde zu parallelisieren ist der εἰσαγωγεύς des ptolemäischen Ägyptens. Wir finden öfter dem Chrematistengericht, einem aus drei Mitgliedern bestehenden Richterkollegium, über das Gregor Semeka Ptolemäisches Prozeßrecht I (1913) 120–145 handelt, außer einem Sekretär (γραμματεύς) und einem Gerichtsdiener (ὑπηρέτης) einen εἰσαγωγεύς zugeteilt, so P. Tor. 1, II 6. 3, 37. P. Petr. 2, 38 c = 3, 25. Inschr. von Ghazim bei Dittenberger Or. Gr. 106. 13 (172 v. Chr.). P. Grenf. I 40. P. Amherst 33, 9. P. Tor. 13, 26 und an andern von Semeka 120, 3 verzeichneten Stellen. Die Wichtigkeit der Stellung dieses εἰσαγωγεύς ergibt sich daraus, daß ein Chrematistenkollegium zur Unterscheidung von einem andern durch seinen εἰσαγωγεύς näher bezeichnet ist, so P. Amherst 33, 9 οἱ ἐν τῷ προγεγραμμένωι νομῶι . . . χρηματισταί, ὧν εἰσαγωγεὺς Δεξιός, ähnlich wie der attische Rat nach dem Ratschreiber. Jedoch deckte er die Chrematisten lediglich nach außen, war aber weder amtlicher Vertreter der Klage noch überhaupt Mitglied des Richterkollegiums [427] (Semeka 133 nach Gradenwitz Archiv f. Papyrusforsch. III 24). Von seinen Funktionen läßt sich mit Sicherheit bloß feststellen, daß er lediglich als Geschäftsführer, wir würden vielleicht am besten sagen, Kanzleichef, wie besonders P. Grenf. 140 zeigt, das Äußerliche des Geschäftsganges leitet, die Rechtssachen zur Verhandlung vorbereitet und die Amtskorrespondenz für die Kommission führt, ,namentlich aber alle für das Gericht bestimmten Klagen und Eingaben empfängt, prüft und vorlegt‘, wie es Dikaiomata (1913) 54 heißt nach Dittenberger Or. Gr. 106, 13, 6, der hierin mit Recht eine Entlastung des Chrematistengerichtes erblickte. Er handelt aber dabei nicht selbständig, sondern im Namen der Chrematisten nur als ,Introduktor der Klageschriften‘, wie Semeka 128f. namentlich aus P. Fay. 11 mit Recht schließt. Dagegen läßt sich die ursprünglich in seinem Amtstitel steckende Funktion des εἰσάγειν der einzelnen Prozesse und die früher behauptete Leitung der Gerichtsverhandlung durch ihn nicht erweisen, und ist eine Mitwirkung des εἰσαγωγεύς bei der Urteilsfällung nicht nur unwahrscheinlich, sondern direkt ausgeschlossen. Das Nähere bei Gradenwitz a. a. Ο. 26ff. Mitteis Grundzüge d. Papyruskunde II 1 S. 4 und Semeka 130, 2. Völlige Klarheit hat hierüber Pap. Halens. 1, 40 gebracht. Aus dieser Stelle ergibt sich für die alexandrinischen δικαστήρια, die Laiengerichte, im Gegensatz zu den alexandrinischen διαιτηταί und κριτήρια, als Charakteristikum, daß sie einen εἰσαγωγεύς haben (Dikaiomata (1913) 52. 56. 128). Seine Obliegenheiten bei den alexandrinischen δικαστήρια sind dieselben, wie die des γραμματεύς bei den κριτήρια; er ist also vor allem ebensowenig wie dieser Mitglied des Richterkollegiums. Besonders wichtig aber ist die durch P. Halens. bezeugte Tatsache, daß der εἰσαγωγεύς nicht auf das Chrematistengericht beschränkt ist, wie er denn auch durch P. Petr. 3, 21 (g) in der neuen Lesung von Smyly bei Mitteis Pap. Chrest. II 2 nr. 21 Z. 33 bereits für das Zehnmännergericht von Krokodilopolis (Arsinoë) für 226/5 v. Chr. nachgewiesen war (Dikaiomata 56, 1).
Über die Funktionen des εἰσαγωγεύς der Chrematisten bei einer συγχώρησις in Pap. demot. Wiss. Gesellsch. Straßburg 18, 11 s. Partsch Arch. f. Papyrusf. VI 466. P. Hamburg. 18 heißen die Aktenrollen aus der Kanzlei des Praefekten von Ägypten συνκολλήσιμα τάξεως ἰσαγωγέως. Dieser ἰσαγωγεύς ist Registraturdirektor der Kanzlei des Praefekten (aus dem letzten Jahre Elagabals), wie der ἰσαγωγεὺς στρατηγοῦ Ἀμμωνιακῆς P. Fay. 23 a (2. Jhdt.) beim Strategenamt des Ammonsoase. Über ihn und die übrigen ägyptischen εἰ. Artur Stein Untersuchungen zur Gesch. u. Verwalt. Ägyptens unter röm. Herrschaft. Stuttgart 1915, 187ff.
Grundverschieden von den im vorstehenden behandelten sind, wie Laum a. a. O. 53, 4 mit Recht bemerkte, die zwei εἰ. einer attischen Ephebenliste IG III 1, 1193, 30. Dumont Essai sur l’ephébie attique I 310 hat ade nach Plat. Ges. VI 765, wo das Wort freilich nicht im streng technischen Sinne einer Amtsbezeichnung steht, wohl richtig als introducteurs aux concours bestimmt.
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Band R (1980) S. 103 | |||
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Eisagogeis
Die Behörde bzw. Beamten in Zusammenhang mit dem griech. und ptolem.-aegypt. Gerichtsverfahren. S III.