Βλάβης δίκη[WS 1] ist eine ganz allgemeine Klage wegen Beschädigung am Vermögen, vorausgesetzt, dass die Beschädigung nicht unter eine andere bestimmte, durch ein besonderes Gesetz betroffene Klasse verletzender Handlungen fiel. Man kann daher bei den attischen Rednern nicht jedesmal eine δίκη β. voraussetzen, wenn das Wort βλάπτειν gebraucht wird. Die Klage konnte angestellt werden: 1) wenn man wissentlich durch eine widerrechtliche Handlung einem andern Schaden zufügte. So stellt Kallippos gegen Pasion diese Klage an, weil dieser das von Lykon bei ihm niedergelegte Geld gegen die Verabredung an Kephisiades, nicht aber an ihn (den Kläger) ausgezahlt hatte (Demosth. LII 14). Um sich für rückständige [553] Zinsen bezahlt zu machen, lässt Nikobulos durch seinen Sclaven dem Sclaven des Pantainetos das Geld wegnehmen, das derselbe als Pachtzins eines Bergwerkes wegträgt, und wird von Pantainetos deshalb durch die δ. β. belangt, weil dieser wegen nicht geleisteter Zahlung in die Lage eines Staatsschuldners versetzt wurde (ἐγγραφῆναι τὸ διπλοῦν τῷ δημοσίῳ, Demosth. XXXVII 4. 22). Die Brothökerin stellt gegen Philokleon eine δ. β. τῶν φορτίων an (Aristoph. Wesp. 1448), weil der Beklagte sich weigert, ihr den Schaden zu ersetzen, welchen er ihr dadurch zufügte, dass er ihr in der Trunkenheit die Brotkörbe umstiess. Meidias hält es für billig, dass Demosthenes die δ. β. gegen ihn erhob (XXI 25 τῶν μὲν ἱματίων καὶ τῶν χρυσῶν στεφάνων τῆς διαφθορᾶς τῆς περὶ τὸν χορὸν πάσης ἐπηρείας). Der von Apaturios misshandelte Parmenon kann in Handelsgeschäften wegen Krankheit nicht zur rechten Zeit nach Sicilien abgehen und erhebt daher die δ. β. gegen Apaturios (Demosth. XXXIII 13). Auch die Klage gegen Spudias (Demosth. XLI) wegen Erbteilungsstreitigkeiten lautete wahrscheinlich βλάβης. Ferner konnte die Klage gegen den erhoben werden, welcher Vieh, Sclaven oder andere Sachen einer fremden Person beschädigte, fremde Bienenvölker einfing, die Äcker jemandes dadurch verletzte, dass er sein Vieh darauf trieb, zu nah an die Grenze der Äcker eines anderen Bäume anpflanzte (Plat. leg. VIII 843 b), Brunnen, Grabmäler, Gräben, Mauern anlegte oder Bienenstöcke aufstellte (Dig. X 1, 13. Petitus leg. att. p. 480–483). Dahin gehört die Rede des Demosthenes gegen Kallikles (LV). Kallikles hat die Klage erhoben, dass sein Nachbar durch eine Mauer das Wasser abzufliessen verhindere, welches sich nun auf seine Grundstücke ergiesse und sie beschädige. Bei Processen selbst konnte man die δ. β. anwenden, wie z. B. gegen denjenigen, welcher ein Zeugnis abzulegen versprochen hatte und es nicht that; wenn man von jemandem aussagte, er sei Zeuge für eine bestimmte Sache, für welche er es nicht war, weil man ihn dadurch einer δίκη ψευδομαρτυριῶν aussetzte (Demosth. XXIX 15f.). 2) Konnte die δ. β. angestellt werden, wenn man eine notwendige Handlung unterlassen oder eine Handlung begangen hatte, die vielleicht an sich nicht widerrechtlich war, und dadurch einem andern Schaden zugefügt hatte. So beschwert sich in der Rede des Demosthenes gegen Boiotos der Sprecher der Rede, Mantitheos, darüber, dass Boiotos den ihm vom Vater beigelegten Namen abgelegt habe und sich Mantitheos nenne, wodurch ihm wegen der Gleichnamigkeit Schaden erwachse (XXXIX 5). Nausimachos und Xenopeithes erheben wegen Forderungen, die sie noch an ihren verstorbenen Vormund Aristaichmos haben, gegen die Söhne desselben die δ. β. (Demosth. XXXVIII). Deinarchos, welcher als Greis aus Chalkis zurückkehrend in das Haus des Proxenos, den er für seinen Freund hielt, eine bedeutende Geldsumme brachte und dort derselben beraubt wurde, belangt den Proxenos durch dieselbe δ. β., weil er, selbst alt, nicht nach dem Diebe habe nachsuchen können, Proxenos aber bei dem Nachforschen nach dem Gelde nicht sorgfältig verfahren sei (Dionys. Hal. de Dinarch. 3). 3) Konnte diese Klage erhoben werden gegen den Herrn des Sclaven oder [554] Tiers, das jemandem Schaden zugefügt hatte. Vgl. die dem Deinarchos zugeschriebene συνηγορία Παρμένοντι ὑπὲρ ἀνδραπόδου, βλάβης, Hypereid. in Athenog. X 15 und Plat. leg. XI 936 c, wo wohl attische Gebräuche berücksichtigt sind. Dazu kommt das Gesetz Solons (βλάβης τετραπόδων νόμος), welches befahl, einen Hund, der jemanden gebissen hatte, dem Gebissenen zu überliefern (Plut. Sol. 24, vgl. Xen. hell. II 4, 41), und die dem Lysias von Harpokration (s. καρκίνος) beigelegte Rede περὶ τοῦ κυνός; Lys. Χ 19 aber gehört nicht hierher. Die Klage ist bald schätzbar, bald nicht. Letzteres ist der Fall, wenn die Handlung, durch welche jemand beschädigt wird, vom Gesetz verboten und mit einer bestimmten Strafe belegt ist, mag daraus ein Schaden für jemand erwachsen oder nicht; vgl. Bekker Anecd. I 251, 31. Ob freilich hierher die tausend Drachmen in der Rede gegen Kallikles (Demosth. LV) gehören, ist mindestens zweifelhaft (vgl. Thalheim Progr. Schneidemühl 1892, 5f.). Dagegen ist die Klage schätzbar, wenn jemandem Schaden durch eine Handlung zugefügt wird, für die eine Strafe gesetzlich nicht festgesetzt war (Bekk. Anecd. I 350, 16). Es war in diesem Falle gesetzlich, dass, wenn jemand absichtlich verletzte, er den Schaden doppelt ersetzen musste, wenn aber ohne Absicht, nur einfach (Demosth. XXI 43. Dein. I 60; vgl. Plat. leg. VIII 846 a. IX 861 e). Dass bei Verletzungen durch ein Tier dem Herrn desselben die Möglichkeit gegeben war, entweder das verletzende Tier auszuliefern oder den Schaden zu ersetzen, dürfen wir aus Lysias (bei Harpokr. s. καρκίνος) und aus Plat. leg. XI 936 e schliessen. Ahnlich war es bei Sclaven (Plat. a. a. O.). Die Behörde, bei welcher die δ. β. angebracht wurde, wechselte nach dem Gegenstande, wegen dessen geklagt wurde. Die Verletzungen auf dem Markte, wie sie der Brothökerin zugefügt wurden, gehören vor die Agoranomen (Aristophan. a. a. Ο.), die Klagen wegen fehlerhaften Bauens vor die Astynomen. Grosshandel- und Bergbauklagen wurden bei den Thesmotheten angebracht; Klagen wegen Verletzungen in Erbschaftssachen bei dem Archon; vgl. Heffter Gerichtsverf. 117. Meier-Lipsius Att. Proc. 223. 650. Platner Proc. u. Klagen II 369ff. Über die Beschädigung durch Sclaven und Tiere enthalten auch die Gesetze von Gortyna Bestimmungen, die leider lückenhaft und dunkel sind (VII 10. Mon. ant. dei Lincei III nr. 152 VII u. I).