Puncker von Rohrbach
Der Pfalzgraf zu Rhein, Ludwig der Bärtige genannt, weil er seinen Bart mit besonderer Sorgfalt pflegte, hielt im Jahr 1426, nachdem seinem Gebiete Kaiserliche Ländereien zugefallen waren, das feste Schloß Lindenbrunnen um deßhalb belagert, weil die Burgbewohner mehrmals räuberische Streifzüge in die Umgegend unternommen hatten. In seinem Gefolge befand sich ein Scharfschütze, Namens Puncker von Rohrbach,[1] welcher im Geruche der Zauberei stand und ein solcher Künstler auf der Armbrust war, daß er auch das kleinste und fernste Ziel niemals verfehlte. In kurzer Zeit war die ganze Besatzung des belagerten Schlosses, auf ihren jeweiligen Ausfällen, den Bolzen des furchtbaren Scharfschützen erlegen.
Ein solcher Mann konnte nicht anders als dem Pfalzgrafen gefährlich erscheinen und mußte ihn für sich selbst fürchten lassen, so treffliche Dienste im Feld und auf der Jagd er ihm leistete. Um ihm nun eine Falle zu stellen und ihn zum eigenen Geständniß seiner Zaubereien zu bringen, befahl er ihm eines Tages, seinen Knaben sich zum Ziele zu nehmen, demselben einen Pfennig aufs Barett zu legen und diesen, ohne das Barett zu verletzen, mit einem Pfeile vom Kopfe seines Söhnchens herunterzuschießen. Erfüll’ er diese Bedingung nicht, so sey er des Todes. Lange weigerte sich Puncker, mit der Entschuldigung, der Teufel könne ihm möglicherweise die sonst so sichere Hand fehllenken, und dann sey er ihm und dem ewigen Untergang verfallen. Doch alle Bitten und Beschwörungen scheiterten an dem harten Herzen des Pfalzgrafen: Der Knabe, mit dem Barett und dem Pfennig auf dem Kopfe, mußte sich in einer gewissen Entfernung als Ziel stellen. Da zog der unglückliche Vater, nachdem er einen Bolzen der Armbrust aufgelegt hatte, einen zweiten Pfeil hervor und steckte ihn in seinen Koller, worauf er losdrückte und den Pfennig, ohne das Barett nur zu streifen, glücklich vom Haupte des Knaben herunterschoß. [559] Auf die Frage des Pfalzgrafen, zu welchem Zweck er einen zweiten Pfeil in sein Koller gesteckt habe, gab ihm Puncker zur Antwort: „Wenn ich, von dem Teufel, ob solcher Versuchung mißlenkt, meinen Knaben erschossen hätte, dann Herr, würde ich augenblicklich, da ich doch in diesem Falle dem Tod wäre geweiht gewesen, Euch selbst mit diesem andern Pfeile durchbohrt, und so meinen Sohn gerochen haben!“
Ueber das Weitere schweigt die Sage, welche lateinisch im berüchtigten Buche: „Malleus Maleficarum,“ („Hexen- Hammer“), lib. II. cap. XVI. und als Auszug auch im II. Bande der „Schriften des Badischen Alterthumsvereins,“ Seite 250, zu finden ist. Im letzterem fügt Mone folgende Anmerkung bei:
„Die Heimath dieses Mannes ist in dieser Sage auch genannt, nämlich Rohrbach (bei Heidelberg) Wormatiensis diocesis. (Im Wormser Kirchensprengel). Die Uebereinstimmung mit der Sage vom Tell ist augenfällig, nur ist der Schuß noch künstlicher, nämlich nach einem Pfennig (denarium) statt nach einem Apfel; deßhalb erklärt aber auch die Sage den Puncker für einen Hexenmeister (Maleficus). Der Malleus maleficarum wurde um 1486[WS 1] geschrieben, und da der Verfasser in dieser Sage um 60 Jahre zurückweist, so würde der Scharfschütze Puncker in das Jahr 1426 fallen und der bärtige (dort ungenannte) Fürst war demnach kein anderer, als der Pfalzgraf Ludwig der Bärtige, welcher 1436 starb.“
- ↑ Dorf, 1 Stunde südwestlich von Heidelberg.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: 1386