Prometheus (Schlegel)
Ein erhabenes Antliz verlieh er dem Menschen, und hieß ihn
Schaun gen Himmel, und frey das Haupt zu den Sternen erheben.
OVIDIUS.
O goldne Zeit, auf ewig hingeschwunden!
Wie süß bethört es, deine ferne Spur
In alter Sänger Sprüchen zu erkunden!
Da hauchte stets des Frühlings Milde nur,
Freywillig alle Füll’ im Schooß der Flur.
Noch Krankheit kannten sie, noch Furcht, noch Klage;
In süßer Ruhe, brüderlich gesellt,
Verlebten sie des gleichen Lebens Tage.
Sie starben, wie dem Schlummer hingegeben.
So wie die reife Frucht vom Baume fällt.
Wo kein Gebot, war auch kein Widerstreben:
Des alten Kronos väterlichen Thron
Viel Zeiten waren wechsellos entflohn,
Und ach! sie zählte niemand: da entflammte
Begier nach Thaten seinen kühnen Sohn.
Des Vaters Haupt vom stillen Herrscheramte
Das mit dem Zeus aus Rhea’s Schooße stammte.
Doch die Titanen stehn für Kronos Recht.
So trennten sich die himmlischen Gewalten,
Und Weltverheerend tobte das Gefecht.
Die Erde wankt’, als ob zum Tartarus
Hinab ein jäher Riß sie sollte spalten.
Sonst ruhig in sich kreisend, schwoll der Fluß
Okeanos aus seines Bettes Tiefen,
Unendlich war ihr Kampf; vergebens riefen
Sie der Entscheidung, Kraft an Kraft gebannt,
So lang, des Donnrers neue Blitze schliefen.
Kaum aber warf aus allgewalt’ger Hand
Gekrach und Dampf und unauslöschbarn Brand:
So stürzten die Titanen ohne Retter,
Betäubt, geblendet, in die öde Nacht,
Und Götter wurden Sieger über Götter.
Den Raub der Welt vertheilt er seinen Treuen,
Des bangen Erdenvolks wird nicht gedacht.
Da des Verderbens Wolken sich zerstreuen,
Und, wer entronnen, aufwacht zum Gefühl,
Wo sonst des Lebens fröhliches Gewühl
Entzückend webte, wo, bethaut von Düften,
Nur Liebe flüsterte, nur Scherz und Spiel:
Da lauert jetzt in düstern Felsengrüften
Verloren zwischen unwirthbaren Klüften.
Nichts blieb vom Fluche der Zerrüttung frey;
Das Friedlichste verwildert, blut’ge Sitte
Führt, ehern, das Gesetz der Noth herbey.
Er schmachtet durstig in des Sommers Glut,
Ihn schirmt vor Frost kein Lager, keine Hütte.
Selbst die Erinnrung vom entfloh’nen Gut
Erliegt des Elends lastendem Gewichte,
In sich verdüstert, tappt er auch im Lichte
Als säh’ er nicht; hört, ohne zu verstehn,
Gedankenlos wie wüste Traumgesichte.
Da stieg Prometheus von Olympos Höhn,
Und sollst du so durch fremde Schuld vergehn?
Ich warnte die Titanen: doch wer fragte
Der Weisheit Rath? wer spottete nicht mein,
Als ich das Schicksal zu enthüllen wagte?
Denn reifen müsse die Geburt der Zeiten;
Sie könne nicht in stolzer Ruh gedeihn.
So wählt’ ich, ungern zwar, für Zeus zu streiten.
Nur meine Mutter rettet’ ich und mich,
Dich aber, Mensch! erheb’ ich über dich.
Die goldne Kindheit darf nicht wiederkehren,
Die dir im weichen Schooß der Lust verstrich.
Drum lerne handeln, schaffen und entbehren!
Soll innre Kraft doch siegend dich bewehren.
Allein wer hört? wer faßt mich? Wo erscheint
Noch die Gestalt in diesem blöden Wilde,
Die Erd’ und Himmel schön in sich vereint?
Der Mutterboden beut den Stoff mir schon,
Das Leben dann die himmlischen Gefilde.
So spricht in sich der Themis weiser Sohn,
Und geht an’s Werk mit sinnender Geberde,
Er formet sorgsam, daß die Bildung werde
Wie der Entwurf sie fodert: schon erhebt
Der neue Mensch sein Antliz von der Erde,
Voll leichter Kraft, die scheinbar ihn belebt,
Und gleichgewogen durch die Glieder strebt.
Das edle Haupt, die feste Stirn verkündet
Ein Wesen, wohl gefaßt auf Freud’ und Leid,
Kühn, lebensfroh, und in sich selbst gegründet.
Auf dieß Geschöpf, aus seinem Geist entsprungen,
Worin sein eignes Daseyn sich erneut.
Noch prüft er ernst, ob jeder Theil gelungen,
Dann säumt er nicht. Es hatte jetzt die Nacht
Kein sterblich noch unsterblich Auge wacht:
Da wandelt schweigend auf des Aethers Pfaden
Der Japetid’, auf schlauen Raub bedacht,
Hin zu des Osts entlegensten Gestaden,
An goldnen Krippen steht, vom Joch entladen.
Prometheus will, was seine Kunst ersann,
Mit heil’gen Kräften paaren: dort nur glühet,
Was würdig sein Gebild beseelen kann,
Da schöpfet er, und trägt den Funken fort,
Der willig ihm auf seine Fackel sprühet.
Er eilt zurück zu dem verlaßnen Ort;
Doch als er naht, (kaum dämmerte der Morgen)
Noch künftiges, noch fernes bleibt verborgen
Vor ihrem Sinn: durchschaut vom Anbeginn
Hat sie des Sohnes Thun mit wachen Sorgen.
Aus Delphos Grotten tritt sie zu ihm hin,
Wo vor der heiligen Enthüllerin
Des Schicksals einst das Herz der Menschen schauert,
Bis Phöbos junge Kraft den Python schlägt,
Der in der Haine Graun verderbend lauert.
Den frevlen Muth dir, diese Saat zu säen,
Die eine Welt Gefahren in sich trägt?
Die That ist nicht mehr dein, wann sie geschehen;
Sie strömt die Zeiten durch: die Spindel rollt
Wär’ auch Mislingen aller Mühen Sold,
Erwiedert er: doch soll mich niemals reuen,
Was ich nach tiefem Forschen fest gewollt.
Kann Götter die Unsterblichkeit erfreuen,
Durch Thaten nie zum Eigenthum sich weihen? –
Drauf Themis: „Sohn! der Zorn des Herrschers droht
Dem, der mit Hohem Niedres will vermengen.
Du höhnst der Ordnung trennendes Gebot.
Des kleinen Lebens, das ein Hauch zerstört,
Dein Zögling stolz zum Götterloos sich drängen.“ –
Nur selbst sich gnügen, wenn kein Gott ihn hört:
(Prometheus sprachs) wer achtet seiner Leiden?
Wie möchte Zeus dies arme Streben neiden?
Er thront allwaltend: schreckt ein Wesen ihn,
Das von der Gottheit Tod und Ohnmacht scheiden? –
„Wohl! kann der Mensch sich diesen nicht entziehn:
Verzehrt er sich in streitendem Bemühn.
Des Thieres Angst ist mit dem Schmerz verschwunden;
Was war und seyn wird, drückt den regen Geist.
So hast du ihm nur neue Qual erfunden.“ –
Voraussicht, wird ihm ihre Schwester senden,
Die Hofnung, welche muthig dulden heißt.
Das Schwerste wird er, so gestärkt, vollenden;
Wo der Nothwendigkeit sein Will’ erliegt,
„Und wenn er auch ein hohes Ziel ersiegt,
Bald wird er doch sein bittres Loos verklagen,
Daß Will’ und Kraft mit ihm in nichts verfliegt.
Wie Wellen sich am Klippenstrand zerschlagen,
Die Bahn durchlaufen und dem Preis’ entsagen.“ –
Das Gute stirbt nicht: der bescheidne Fleiß,
Die tapfre That, sie bringen Frucht und laben;
Den Enkel schattet das gepflanzte Reis.
Beut Ein Geschlecht dem andern froh die Hand,
Und paart im Wettlauf Greise, Männer, Knaben.
Die Stärke weicht dem ordnenden Verstand.
Sich selbst und alles wird der Mensch gestalten,
Er heißt den Grund verborgne Schätz’ entfalten;
Er zähmt das Roß; er weiß auf offnem Meer
Mit Leinbeflügeltem Geschirr zu walten.
Die Felshöh starrt nicht unbeweglich mehr:
Wölbt sie, und fügt, und reiht sich um ihn her.
Was unsichtbar in Red’ und in Gesange
Dem Ohr vorbey wallt, stellt er bleibend dar,
Daß fernen Zeiten es, ein Denkmahl, prange.
Der Künst’ empor; von diesem Sonnenfunken
Glüht einst die Erd’, ein lichter Weihaltar. –
„O Sohn! du bist von Schöpferwahne trunken!
Wie wären sonst vor eitlem Gaukelschein
Ja! Flamm’ und Brand wird dieser Funke seyn;
Die Sterblichen verderbend wird er wüthen,
Den Aether trüben und die Erd entweihn.
Kein Zügel kann den frechen Willen hüten;
Daß ungeheure Wünsch’ im Herzen brüten.
Doch, was er auch weitgreifend an sich rafft,
Nichts gnüget ihm; er jagt nach neuem Raube,
Weil im Besitz die schnöde Lust erschlafft.
Gewalt spannt Völker in des Joches Schmach,
Ihr Fußtritt beugt die Nacken tief zum Staube.
Die Zwietracht geht ihr Ruhewürgend nach,
Und den Verein der Menschen knüpft die Treue,
Dann schließt zu blut’gem Tanz sich Reih’ an Reihe;
Hellblinkend jauchzt der Erdentrißne Stahl,
Das er dem Tode Hekatomben weihe.
Doch offnes Morden bringt nur kurze Qual:
Trieft von den Bechern selbst beym Brudermahl.
An’s Licht gesandt vom nächtlichen Geschicke,
Entschleyert Nemesis ihr Angesicht,
Und mißt die Greu’l mit richtend ernstem Blicke,
Die ewig eingedenken Rächerinnen,
Um deren Stirn Gorgonenhaar sich flicht.
Die Schuld kann nirgends ihrem Netz entrinnen.
Blutathmend, Qualweißagend heult ihr Lied,
Mich schrecket nicht dein schauendes Gemüth,
O Mutter! Ob dein Mund nie Lügen redet,
Ich weiß daß auch, was du verschweigst, geschieht.
Wenn jedes Frevels sich der Mensch entblödet,
Womit er oft unselig sich befehdet.
Blind eilt zum Ziel, ein abgeschnellter Pfeil,
Des Thieres Trieb; es irrt nur, wer da wählet:
Sich selbst zu lenken ist des Freyen Theil.
Steigt fest und fester aus der Täuschung Flut,
Und wird zur Weisheit, durch Entschluß gestählet.
Der Meister seines Innern läßt die Wuth
Der Lüfte sich einander blind zerschellen,
Wenn Maaß und Heldenkraft sich so gesellen,
Wird die Gewalt entthront, das Recht gebeut,
Nur Liebe macht die freyen Herzen schwellen.
Sobald Gefahr dem schönen Bunde dräut,
Sind sie, den Tod zu suchen, froh bereit;
Und unbezwungen bey des Tapfern Falle
Strebt seine Tugend selbst bewußt empor
Und lebt, vergöttert, in der Lieder Halle.
Zum Oelbaum grünt die Lanze, Schwerter pflügen,
Und sichre Fülle wohnt bey offnem Thor.
Der Adler kann auch über Meere fliegen.
Ist aus dem Chaos nicht durch Lieb’ und Zwist
Vollendung strahlt, die kein Gedank’ ermißt,
Erst durch des Irrsals Nächte diesem Wesen,
Das sich zu schaffen nur geschaffen ist.
Zeus hat die Welt; dich hab’ ich mir erlesen!
Frey sollst du seyn: was zaudr’ ich, dich zu lösen[1]? –
„Noch halt! o halt, Prometheus! Meine Brust
Stöhnt ahndend unter den unnennbarn Plagen,
Womit du bald dein Wohlthun büßen mußt.
Titanen gleich, nur stolz auf sich zu baun,
Wird dich des Donnrers Wort in Banden schlagen.
Mit Ketten, ehrnen Ringen, und den Klaun
Der Keil’ und Nägel wird an öde Klippen
Da harrest du, des Felsens schroffe Rippen
Dein Lager, aufrecht, unbeweglich, wach;
Dir labt kein Nektar die verdorrten Lippen.
Nie hörst du deiner Menschen kindlich Ach,
Der Wiederhall nur ächzt dir einsam nach.
Die Sonnen ziehn, es zieht mit ihren Sternen
Die Nacht vorbey; eh deine Kunst dich löst,
Mag dir zu rauschen dort die See verlernen.“ –
Zum Knecht zurück? wird sein der Blitz nicht schonen,
Wenn vom Olymp mein Bundsgenoß mich stößt? –
„Zeus kann die Bildnerey dir bitter lohnen,
Doch hemmen darf er nicht, was sie erzielt,
So will ich dulden was die Noth befiehlt.
Ich bin unsterblich, und mein ew’ger Wille
Wird von der Qual, ein Berg vom Sturm, umspielt. –
„Weh mir, die ich dein Unheil dir enthülle!
Daß Zeus der Rache Maaß noch höher fülle.
Er läßt der Blitze Flammenwirbel los,
Das Meer und Aether durch einander brausen;
Hohldonnernd stürzt die Felskluft in den Schooß
Bis Zeus dem Tageslicht zurück dich bringt,
Dir selbst zur Schmach, den Himmlischen ein Grausen.
Sein Flügelhund, der gier’ge Geyer, springt
Umschattend auf die starr gebundnen Glieder,
Erwächst der blut’gen Leber nächtlich wieder;
Lautschwirrend kommt der ungerufne Gast,
Schwebt langsam fort mit triefendem Gefieder.“ –
Nichts fremdes übt, wer seinen Hasser haßt:
Durch meine Hülf’ im himmlischen Palast.
Nun hält der Tartarus die alten Mächte,
Und feig gehorcht der jungen Götter Schaar.
Wo ist ein Starker, der mich retten möchte?
O meiner Mutter heil’ges Haupt! ich flehe
Beym Styx dich an: mach mir sie offenbar!
Ob nie ein Ringer für das Recht erstehe
Aus sterblichem und göttlichem Geschlecht,
Wenn der, vom Mühsal ewig ungeschwächt,
Gefahren sucht, und tilget Ungeheuer,
Und Räuber zähmt und Unterdrückte rächt:
Dann treibt ihn auch des freyen Muthes Feuer,
Er kommt, zerreißt die Bande, würgt den Geyer.
Ja er vollbringts, und zürnte seiner That
Der Donnrer auch, und hätt’ ihn der gezeuget,
Der mit der Herrschaft Fuß mich niedertrat. –
Wie Gram und Zweifel ihr im Busen schwoll,
Hat sie die Stirn verschleyert abgeneiget.
Sie weiß, daß einst der Tag erscheinen soll,
Wo ihrem Sohn Herakles heil’ge Stärke
Auf daß er mehr auf ihre Warnung merke,
Verschwieg sie, was sein weiser Sinn erspäht;
Was schreckt ihn nun bey dem verwegnen Werke?
Und spricht: Geh! wirke! trage Leid und Wonne!
Der Funke blitzt und Lebensodem weht,
Der freye Mensch blickt zur verwandten Sonne.
Anmerkung von Wikisource:
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