Prometheus (Gedicht, späte Fassung)
Bedecke deinen Himmel, Zeus,
Mit Wolkendunst,
Und übe, dem Knaben gleich,
Der Disteln köpft,
Müßt1 mir meine Erde
Doch lassen stehn,
Und meine Hütte, die du nicht gebaut,
Und meinen Herd,
Du mich beneidest.
Ich kenne nichts Aermeres
Unter der Sonn’, als euch, Götter!
Ihr nähret kümmerlich
Und Gebetshauch
Eure Majestät,
Und darbtet, wären
Nicht Kinder und Bettler
Da ich ein Kind war,
Nicht wußte wo aus noch ein,
Kehrt’ ich mein verirrtes Auge
Zur Sonne, als wenn drüber wär’
Ein Herz, wie mein’s,
Sich des Bedrängten zu erbarmen.
Wer half mir
Wider der Titanen Uebermuth?
Von Sklaverey?
Hast du nicht alles selbst vollendet,
Heilig glühend Herz?
Und glühtest jung und gut,
Dem Schlafenden da droben?
Ich dich ehren? Wofür?
Hast du die Schmerzen gelindert
Je des Beladenen?
Je des Geängsteten?
Hat nicht mich zum Manne geschmiedet
Die allmächtige Zeit
Und das ewige Schicksal,
Wähntest du etwa,
Ich sollte das Leben hassen,
In Wüsten fliehen,
Weil nicht alle
Nach meinem Bilde,
Ein Geschlecht, das mir gleich sey,
Zu leiden, zu weinen,
Und dein nicht zu achten,
Wie ich!
Anmerkungen von Wikisource
1 eigentlich Mußt, aber in dieser Ausgabe ein Druckfehler, der schon in der vierbändigen Ausgabe der Schriften 1791. Bd. 4, 405 beseitigt wurde und sich wieder eingeschlichen hat (s. Gustav von Loeper (Hrsg.): Goethes Werke. Herausgegeben im Auftrage der Großherzogin Sophie von Sachsen. I. Abtheilung. 2. Band. Seite 312-313, Weimar 1888)
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