Prinzessin Mathilde
Mathilde, die Tochter Kaiser Heinrichs des Dritten, welcher die Abtei Quedlinburg ihre Entstehung verdankt, war schön. Sie war so schön, daß sich ihr eigner Vater in sie verliebte. Kaum merkte die keusche Prinzessin diese unglückliche Leidenschaft, so betete sie zu Gott, er möchte sie so häßlich machen, oder durch irgend etwas so verunstalten, daß ihres Vaters sträfliche Neigung sich verlieren müsse.
Alsbald fand sich der Teufel bei Mathilden ein, und erbot sich, ihres Vaters Liebe in Haß zu verwandeln, wenn sie sich ihm ergeben wolle.
Mathilde kämpfte lange mit sich, was sie thun sollte. Endlich entschloß sie sich, aus Liebe zu Gott, doch lieber mit dem Teufel selbst im Bunde zu stehen, als ihres Vaters Beischläferin zu werden. Sie willigte daher in das Begehren des Teufels, machte jedoch die Bedingung, daß er sie zuvor unter drei Malen, wenn er sie besuche, ein Mal schlafend finden müsse.
Um nun allen Schlaf von sich abzuwehren, nahm die Prinzessin sich vor, eine große kostbare Stickerei zu arbeiten, die sie stets munter erhalten solle. Sie fing das Werk an. Oft überfiel sie aber doch dabei ein Schlummer, und nur ihr treues Hündchen, Quedl, der stets zu ihren Füßen lag, weckte sie dann wieder.
Der Teufel kam ein Mal, er kam zum zweiten, er kam zum dritten Male. Mathilde wachte, oder Quedl weckte sie.
Da er nun sah, daß er hier seinen Zweck nicht erreichen werde, ward er so böse, daß er der schönen Mathilde grimmig mit der Kralle über’s weiche Gesicht fuhr, die gewölbte Nase platt drückte, den kleinen Mund bis an’s Ohr aufriß, und eins der schönsten Augen ihr zerquetschte.
So that Mathilde mit Einem Steine zwei Würfe. Der Teufel mußte ihr Gebet zu Gott erhören und sie häßlich machen, und von ihres Vaters Nachstellungen blieb sie nun unangefochten.
Mathilde, so fromm als häßlich, gründete hierauf das Stift Quedlinburg, das sie zu Ehren ihres treuen Hündchens also nannte, und wovon sie die erste Aebtissin ward.
Mathilde war weise, fromm, wohlthätig, aber häßlich. Wie kann ein so edles Wesen so häßlich seyn? fragte man. Und aus der Achtung für sie ging allmählich dieß dem Homer nachgebildete Mährchen hervor, in welcher ihre Häßlichkeit selbst – ihr zur Zierde wird.
Honemann’s Alterthümer des Harzes. – v. Heß, Durchflüge durch Deutschland, 1r Bd. 1793. 8.