Prinz Karneval (Die Gartenlaube 1889/9)
Prinz Karneval.
Im Wald noch schläft die Anemone;
Kein Lied belebt das stille Thal,
Und sacht um Fels und Baumeskrone
Spinnt Einsamkeit den Märchenstrahl.
Pulst jungen Wachsens erste Spur;
Im Sturme küßt, ein kühner Freier,
Der Lenz die träumende Natur.
Da regt sich rings ein hold Erwachen,
Und tausend Wunderaugen lachen
Uns grüßend an: die Freude lebt!
„Prinz Karneval“ entfliegt der Hülle,
Die seine Hoheit schwer umfing;
Des Jahres schönster Schmetterling.
Er gaukelt, lauter Duft und Flimmer,
Als König in der Freude Reich;
Die Welt verklärt sein goldner Schimmer:
Und steht im Schwarme trunkner Zecher
Ein freudlos Menschenkind allein,
Reicht Liebe ihm den vollen Becher:
Ein Zug, – und Himmel werden sein!
Durch alle Gassen streift der Witz;
Zur Leuchte wird, in Thorheit schwärmend,
Unsinnigster Gedanken Blitz.
Und spräng’ das letzte Glas in Scherben,
Fürs Heute muß das Gestern sterben;
Was morgen kommt, wer fragt danach?
Nur wer im Rausche der Verblendung
Dem Spiele zugesellt die Schuld,
Der schaut sie nicht, des Königs Huld.
Rein sei die Hand, Lichtfluth zu schenken;
Dann deckt mit seiner grauen Ruh’
Kein Aschermittwoch das Gedenken