Pomologische Monatshefte:1. Band:6. Heft:Pomologische Lesefrüchte aus der Thüringer Gartenzeitung
Band 1, Heft 6, Seite 277–279 | |
Karl Hörlin (1803–1882) | |
fortgesetzt von: Pomologische Monatshefte:1. Band:5. Heft:Pomologische Lesefrüchte aus der Thüringer Gartenzeitung | |
fertig | |
<<< Gründliche Anleitung für Maulbeerbaumzucht und Seidenbau |
>>> Aus einer Anzeige von Oberdieck’s Anleitung zur Kenntniß des besten Obstes |
[277]
- Pomologische Lesefrüchte aus der Thüringer Gartenzeitung, herausgegeben von Freiherrn von Biedenfeld, Jahrg. 1854. (Schluß.)
II. Als neue, vorzügliche Obstsorten hebt die Thüringer Gartenzeitung hervor:
a. Aepfel.
1) La Bellefleur Dachy de Tournai, die Frucht groß und schön, von Herrn Dachy erzogen, wurde von der Gartengesellschaft in Tournai mit einem Preise gekrönt. Der Baum sehr fruchtbar.
2) Weißer Berliner, des Herrn L. Müller in Züllichau.
3) Der neue englische Pigeon; bei demselben.
4) Emilie, gleichfalls.
b. Birnen.
1) Die Winterflachsbirne, von Müller in Züllichau als sehr gut bezeichnet.
2) Ida; von demselben.
Da Herr Müller von Züllichau diese Sorten nicht aus Samen erzogen, sondern gelegenheitlich aufgefunden hat, so ist noch nicht constatirt, ob es wirklich neue Früchte sind, welche unter jenen Namen so großes Aufsehen bei der Ausstellung in Weimar erregten. Da diese Sorten so sehr als gut gepriesen werden, so würde eine Prüfung derselben am Orte seyn.
c. Poire Briffaut, eine neue Sommerbirne, welche zu Serres bei Paris erzogen wurde. Nach der Revue hort. ist die Frucht ersten Ranges und sehr schön; der Baum soll sehr fruchtbar seyn.
d. La beurré verte de Tournai; von Hrn. von Port aus Samen der Hardenpont’schen Winterbirne erzogen, wird der Verbreitung nicht werth seyn, da sie, obwohl groß, der Mutter an Güte nicht gleich kommen soll.
e. Zschocke’s Butterbirne (Burchardt) wird als gute Herbstfrucht gerühmt.
f. La poire delices de Trojennes, Belg. hort. IV. von Herrn A. de Courcelles zu Trajennes bei Tournai aus Samen der Beurré gris genommen; soll eine sehr gute und große Frucht seyn, Reifzeit Novbr.
g. Beurré d’Equelmes Dumont de Tournai, gleichfalls ein Sämling der Beurré gris von Herrn Dumont in Equelmes erzogen; eine große, regelmäßig gebildete Frucht, 1. Rangs, hat die Anerkennung der Gartengesellschaft in Tournai erhalten. La belg. hort. V, 2.
3) Pfirschen. a. von Brabey, la belg. hort. IV, 6. Sie kann durch die Redaction des genannten Blattes bezogen werden. Delicate Frucht, von feinstem Parfum. Erzieher ist: Brabey vom Ekenhalm zu Henstal bei Lüttich.
4) Johannisbeere.
Groseiller impérial; sie soll die Gr. cerise an Größe und Wohlgeschmack bedeutend übertreffen.
5) Weinreben. Précoce de Malingre, wird als frühreifende, große und schöne Tafeltraube gerühmt.
[278] In Belgien seyen unter den Frühsorten, Morillon noir und Madelaine ordinaire, als die am reichsten tragenden Varietäten beliebt.
6) Pflaumen. Es wird auf 2 Pflaumensorten von Coë aufmerksam gemacht, wovon die eine unter dem Namen „Coë’s Rothgefleckte Goldpflaume“ den meisten Pflaumenfreunden längst bekannt ist; die andern aber, Coë’s späte rothe Pflaumen unter dem Namen Sanct Martin von Vilvorde aus, den Weg in deutsche Gärten schon gefunden hat, wenn sie schon Herr Dr. Liegel nicht erwähnt. Unter dem Namen: Coë’s sehr späte rothe Pflaume erhielt ich die letztere schon vor 2 Jahren von Herrn Major von Buhl auf Eltershofen, und durch denselben von Vilvorde stammend im letzten Jahre eine St. Martin, welche demnach identisch mit Coë’s später rother Pflaume wäre. Wenn sie sich, wie in England, bei uns bis Weihnachten hielte, so wäre sie eine der schätzbarsten Acquisitionen.
Die von Belgien aus so gerühmte Reinette, Belle de Vennes, soll nichts anderes seyn, als Wellington’s Reinette.
Nr. 51 macht darauf aufmerksam, daß nach Downing’s fruits and Fruit’s trees of America XIV, Wil. 1854, Seite 93–94, viererlei Aepfel bestehen, welche alle die Namen Seck no further führen; näml. 1) Seck no further Coxe (Rambo, Romanile, Bread und Chuse apple), er habe viele Aehnlichkeit mit dem amerikanischen Domine. Okt. 2) Seck no further Coxe (Autumne seck no further, Kensich, Green seck no further) Okt.–Dec. 3) Seck no further (West field) Okt.–Dec. 4) Seck no further (Domine, American Domine), nicht zu verwechseln mit dem englischen Domine, Nr. 1 ähnlich, aber lebhafter gefärbt und besser im Geschmack und spätere Reife. Mai. Alle 4 Sorten gut.
In Nr. 45 und 46 wird die Identität der Holzfarbigen Butterbirn und Liegel’s Dechantsbirne in Zweifel gezogen. Nach meiner Erfahrung variirt die holzfarbige Butterbirne sehr. Möglicher Weise hatte auch der Redacteur eine unächte Frucht vor sich; denn Oberdieck, Jahn u. Liegel selbst, erkennen längst auch diese Identität an; doch der Herr Redakteur hält ja auf alle Untersuchungen deutscher Pomologen Nichts.
III. Neue Cultur-Anweisungen und Erfahrungen über Obstbau.
a. Baumschulen.
Herr Hofgärtner Jäger macht wiederholt auf den Unterschied des französischen Doucin oder Splittapfel (Johannisstamm) und Paradiesstamm aufmerksam; der erste hat einen stärkern Trieb und schickt sich selbst zu Halbhochstämmen gut. Zugleich wird der Vorschlag gemacht, den Doucin in Deutschland unter dem Namen Splittapfel beizubehalten.
Der Referent dieser Zeilen hat seit vielen Jahren sich beide Sorten als Unterlagen bedient. Im Zustande der Wurzelausläufe unterscheiden sie sich kaum von einander, da sich auch das Laub sehr ähnlich ist; später aber macht sich der Splittapfel durch seinen gerade aufsteigenden Stamm, etwas hellere und mehr punktirte Triebe als beim Johannisstamm bemerklich; vielleicht ist aber Letzteres nur local. Auch Pyrus baccata wird zu Zwergformen als Unterlagen empfohlen. (Kirschapfel.) Wenn diese aus Samen leicht zu gewinnende Unterlage keine Wurzelausläufer macht, so möchte sie den Vorzug vor andern verdienen.
In Nr. 20 macht der Freiherr von Biedenfeld darauf aufmerksam, daß man in England noch einen weitern Paradiesstamm besitze, unter dem Namen English Paradis, der, obwohl noch besser als der Doucin, als Unterlage nicht gehörig bekannt zu seyn scheine. Man soll sich, wird gerathen, um diese Unterlage ächt zu erhalten, an die Horticultural Society zu London wenden. Wäre der wissenschaftliche Namen des belobten Strauches genannt, so könnten wir beurtheilen, ob diese Apfelgattung bei uns schon eingeführt sey oder nicht?
Als zweckmäßiges Mittel, den Samen von Erd- und Himbeeren zu reinigen, wird aus dem Horticulteur français empfohlen: die Früchte in voller Zeitigungsperiode zu sammeln und bis zum Anfang der Zersetzung liegen zu lassen; sodann in ein Haarsieb zu bringen, Wasser darüber zu schütten und mit einem Pinsel die Masse durcheinander zu rühren, bis die Fleischtheile sich losgemacht haben und die Samen durch das Sieb in ein untergestelltes Geschirr ablaufen. Die Masse wird nun getrocknet, mit den Händen gerieben und der Samen noch gereinigt.
b. Culturen.
Aus den nachgelassenen Schriften des Hrn. Justizrath Burchardt in Landsberg an der Warthe, wird in einem der Pomona Nr. 1 und 2 1854 entnommenen Artikel, für Reben die späte Frühjahrsbeschneidung empfohlen, nachdem die Scheine (Blüthen) sich schon entwickelt haben, worauf außerordentliche Fruchtbarkeit erfolge. Knorren und unfruchtbares Holz müssen schon im Herbst weggenommen werden, damit nicht im Frühjahre in Folge so großer Verwundungen, eine heftige Saftergießung [279] erfolge. Für den Sommer wird ein sehr starkes Begießen empfohlen.
Referent kann sich der Bemerkung nicht enthalten, daß ein Weinstock, auf solche Weise behandelt, sich gewiß bald erschöpfe, und daß eine hübsche und egale Bekleidung der Wand bei dieser Methode kaum möglich ist. Nässe ist dem Weinstock von Natur zuwider.
Die Artikel, welche Herr Hofgärtner Jäger zum Verfasser haben, tragen alle das Gepräge des denkenden, erfahrenen, praktischen Gärtners an sich, und interessiren ebenso durch ihre angenehme Form, als durch belehrenden Inhalt und so auch die Abhandlung: Welche Mittel müssen angewendet werden, um alljährlich Obst zu erndten? Herr Jäger macht vor Allem auf die Auswahl sehr fruchtbarer und spät blühender Sorten aufmerksam, als die Grundlage aller guten und nachhaltigen Erndten. Er gibt jenen Sorten vor allen den Vorzug, welche alljährlich Fruchtspiese und Riegelspiese ausbilden; z. B. Zimmtreinette, Graue französische Reinette, Französische Goldreinette, Große Casseller Rein., Rein. v. Orlean, Gestreifte Sommerparmäne, Großer rheinischer Bohnapfel, Gelber Winter Karthäuser und andere. Unter den Birnen nennt er die Weiße Herbstbutterbirne; unter den Kirschen: Rothe Mai-K., Doppelte Glas-K., Holländische Prinzessin-K., Rothe Muskateller-K.; unter den Pflaumen: Rothe und Violette Diapreé, Italienische Zwetsche (ist in Süddeutschland nicht sehr fruchtbar), Weißer und Bunter Perdrigon, Weiße Reitzensteiner, Coë’s (nicht Coes) Goldpflaume, Lange violette Damascene, Frühe Herrenpflaume, Königspflaume von Tours, Gelbe Mirabelle (kleine), Grüne Reineclaude.
Herr Jäger empfiehlt einige Bäume auf die Nordseite zu setzen, wo ihre Blüthezeit später eintritt; zu gleichem Zwecke soll man die Wurzeloberfläche mit Eismassen bedecken. Für Spaliere werden angelegentlichst Schutzdächer von Stroh empfohlen, welche 1–2′ breit über die Spaliere sich ausbreiten.
c. Obstbenutzung.
Nr. 31 gibt eine Anweisung zur Bereitung des Obstmostes nach französischer Art, welcher an jeder Zeile abzusehen ist, daß dem Verfasser die praktische Anschauung und Erfahrung abgeht. Das hier angegebene Verfahren der Franzosen ist für den Landmann viel zu weitläufig und erfordert zu vielerlei Geschirre und Manipulationen. So viel ich höre, wird im Laufe dieses Jahres Herr Garteninspektor Lucas eine Brochüre über Mostbereitung u. s. w. erscheinen lassen, worauf ich vorläufig aufmerksam machen will.
Für ein sehr warmes Wort an junge Gärtner, welche zuweilen so geringschätzig von der Kunst, Bäume zu beschneiden und zu behandeln, urtheilen, und das Erlernen des Zwergbaumschnittes unter ihrer Würde halten, muß man dem Herrn Hofgärtner Jäger Dank wissen; denn wenn nicht bald diesem Zweige der Gärtnerei mehr Liebe und Aufmerksamkeit zugewendet wird, so kann es noch, wie Herr Jäger sagt, dahin kommen, daß man zuletzt nur noch bei Pomologen edlere Obstculturen antrifft, da tüchtige Männer, welche einen Baum gut zu schneiden verstehen, immer seltener werden.
Diese Rundschau im Jahrgange 1854 der Thüringer Gartenzeitung breitet ein Bild davon vor uns aus, mit welchem regen Interesse der Hr. Redacteur jener Blätter in neuester Zeit pomologischen Studien seine Thätigkeit zuwendet. Es sind zum Theil noch nicht ganz abgeklärte Raissonnements, denen wir als Gegengewicht unsere Erfahrung gegenüber stellten, zum Theil aber auch sehr anregende Ideen, welche uns zur dankbaren Anerkennung verpflichten.