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Pomologische Monatshefte:1. Band:5. Heft:Erfahrungen und Maßregeln eines Obstbaumzüchters

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Pomologische Monatshefte
Band 1, Heft 5, Seite 193–196
Eduard Lange
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Die beste Falle für Maulwürfe und Erdratten
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Zwei neue Werkzeuge für den Obst- und Gartenbau
[193]
Erfahrungen und Maßregeln eines Obstbaumzüchters.
Vom Herrn Prof. Ed. Lange in Altenburg.

Lange Zeit habe ich in meiner Baumschule alle Kernobstbäume gleich unten über der Erde veredelt. Während aber die Grafensteiner Wachsapfel- und Grauapfel-, die Rettigbirn-, Herbstcoloma- und Petersbirnbäume als stattliche Hochstämme verkauft werden konnten, hatten die mit ihnen zugleich veredelten Taubenapfel- und Pipingstämme daneben kaum zwei Ellen Höhe erreicht und bedurften noch 3 bis 4 Jahre Zeit, ehe sie ebenfalls verkäuflich waren. Das störte mir den ganzen Betrieb. Dazu zeigten manche Apfel- und Birnsorten, z. B. der Mohrenkopf und die Rettigbirne, so wenig Neigung, gerade und stark empor zu wachsen, daß bei ihnen ein schöner und kräftiger Stamm, der ohne Pfahl fest und [194] sicher seine Krone trägt, eine wahre Seltenheit war, dagegen aber schiefe, hin und her gebogene, wenn auch sonst wuchshafte Krüppel zur Tagesordnung gehörten. Kam nun vollends einmal ein recht kalter Winter mit reichlicher Schneebedeckung, so gingen im Sommer darauf gewöhnlich eine Menge schmucker Bäume durch Krebs und Brand zu Grunde, welche Uebel meist 1½ bis 2½ Ellen über dem Boden, d. h. da zum Ausbruch kamen, wo die jungen Bäume in Folge der nächtlichen Wärmeausstrahlung über der dichten Schneedecke die meiste Winterkälte zu ertragen gehabt hatten. Ganz vorzüglich zugänglich für dieses Uebel zeigten sich die Pipings, die Edel-, Englische Granat-, Pariser Rambour-Ananas-, van Mons Gold-New-Yorker- und Carmeliter-Reinette, der Weiße und Rothe Wintercalville, Adams Parmaine, der Rothe Borsdorfer, der Italienische Rosmarinapfel und der Rothe Winterstettiner, während von den Birnen die Enghien, die Forellenbirne, die Virgouleuse, die Winterambrette, die Sparbirne und die Graue Herbst-Butterbirne gegen die Kälte besonders empfindlich waren.

Offenbar ist unser Klima für viele dieser zarten Obstsorten etwas zu rauh, wie schon die weit größere Güte und Feinheit derselben Obstfrüchte, wenn wir sie aus dem südlichen Frankreich oder aus Italien zugesendet erhalten, denen gegenüber zeigt, die wir hier bei uns selbst erziehen. Auch braucht man nur die kräftigen und alten Obstbäume am Rhein und seinen größern Zuflüssen mit Bäumen derselben Sorten in den rauheren Gegenden Deutschlands zu vergleichen, um einzusehen, daß unser deutscher Obstbau überall der Nachhilfe und Unterstützung[WS 1] gegen die Rauheit unseres Klima’s bedarf.

Diese Erfahrungen brachten mich nach und nach zu dem Entschlusse, diejenigen Obstsorten, die entweder wegen der Spärlichkeit oder Ungeschicklichkeit ihres Wachsthums oder wegen ihrer großen Empfindlichkeit gegen die Kälte sich nicht wohl zur Veredlung gleich unten am Boden eignen, mir besonders anzumerken, um sie von nun an nur in einer Höhe von 3½ Ellen (7′) oben in die Krone zu veredeln. Sind – so meinte ich – künftig die Stämme von unten bis zur Kronhöhe starke und gesunde Wildlinge, so werden sie die Härte des hiesigen Klima’s leichter ertragen, und die zärtlicheren Edelsorten oben in der Krone werden in dieser Höhe weniger von der Winterkälte zu leiden haben, als da, wo diese unmittelbar über der schützenden Schneedecke am heftigsten ist, während der Stamm nur eine Elle tiefer unter dem Schnee kaum noch einige Grad Kälte zu ertragen hat.

Es galt also nun, stattliche und gesunde Wildlinge bis zur Kronenhöhe zu erziehen. Anfangs schien mir das ganz leicht zu seyn. Aber schon nach einigen Jahren zeigte sich eine auffallende Verschiedenheit auch im Wachsthum der Wildlinge, selbst derjenigen, die aus einerlei Kernen erzogen waren. Fast jeder Stamm zeigte eine andere Individualität. Einige wuchsen gerade und stämmig empor und hatten schon nach wenigen Jahren die Kronenhöhe und unten eine ansehnliche Stärke gewonnen, andere trieben dünnes, schwächliches Holz, mußten alljährlich zurückgeschnitten werden, und lieferten zuletzt noch immer schwächliche, knotige und garstige, hin und her gekrümmte Stämme. Nicht wenige zeigten sogar nach jedem nur einigermaßen kalten Winter erfrorene Spitzen und beim Zurückschneiden derselben bis weit herunter einen braunen [195] Kern, und wenn sie endlich oben in der Krone mit einer der hierzu bestimmten zärtlicheren Obstsorte veredelt waren und bald verpflanzt werden sollten, kam nach einem kalten Winter oder nassen Frühjahre am Wildlinge der Brand oder der Krebs ziemlich an derselben Stelle zum Ausbruch, wo er sich früher auch bei den zärtlichen Edelsorten am häufigsten gezeigt hatte. Jetzt finde ich das Alles ganz natürlich. Denn was sind unsere Edelsorten insgesammt anders als ehemalige, wegen ihrer Güte fort und fort vermehrte Wildlinge, und warum sollten die Wildlinge von Jetzt nicht denselben Fehlern und Schwächen unterworfen seyn, welche diesen edlen Wildlingen von Sonst anhaften?

So mußte ich also meine Aufmerksamkeit noch einen Schritt weiter zurück lenken und statt der gründlichen und willkürlichen Voraussetzung: Wildling sey Wildling, auch bei den Wildlingen die Verschiedenheit der Individualität anerkennen. Die ganz schwach und spärlich wachsenden Wildlinge mußten nun zu Unterlagen für Nieder- und Halbhochstämme, so viel ich deren benöthigt war, bestimmt werden. Die gegen den Frost empfindlichen Stämme mußten als untauglich, einen dauerhaften Stamm zu bilden, gleich unten mit einer minder zärtlichen und besser wachsenden Edelsorte veredelt und nun mit den gesund und kräftig emporwachsenden Wildlingen zur spätern Kronenveredlung aufgezogen werden. Um dies aber mit Erfolg thun zu können, galt es nun, die Edelsorten auszumitteln, welche vorzugsweise gesunde, gerade, starke und gegen den Frost nicht empfindliche, daher auch nicht zu Brand und zu Krebs geneigte Stämme liefern. Unter den Aepfeln ziehe ich hierzu den Wachsapfel und den Astrachan’schen Sommerapfel (Augustapfel) fast allen andern Sorten vor. Doch liefern auch einige andere hier einheimische Wirthschaftssorten in unserem Klima eben so gerade, starke und gesunde Stämme. Unter den Birnen sind vorzüglich Colomas Herbstbutterbirne, Graf Michna, die Rothe Bergamotte, und einige hiesige Wirthschaftssorten (die Grünbirne, Zwiebelbirne, die Zuckerradenbirne) wegen ihres schönen gleichmäßigen und gesunden Wachsthums zu empfehlen, obgleich Colomas Herbstbutterbirne wegen der vielen Seitenäste, die man ihr zur Erstarkung des Hauptstammes lassen muß, gewöhnlich einen etwas knotigen, wenn auch kräftigen und geraden Schaft liefert. Unter den Pflaumen wachsen besonders die Hahnenpflaume (v. Liegel) und die Ottomannische Kaiserpflaume schnell und kräftig empor. Die Kirschen aber habe ich bisher fast nur in die Krone veredelt, und deßhalb nicht genugsame Erfahrungen gesammelt, um bestimmte Sorten zum Heranziehen kräftiger und gesunder Stämme empfehlen zu können. Das aber darf ich von meinen mit obigen Sorten veredelten Birnstämmen nicht unerwähnt lassen, daß dieselben in meiner Baumschule den meisten Obstbaumzüchtern, die sie zu sehen bekamen, durch ihren schönen Wuchs auffielen und Viele derselben zu der Frage veranlaßten, wie ich es nur anfange, so schöne, gesunde, glatte und kräftige Birnbäume empor zu ziehen. Denn gewöhnlich übertreffen dieselben selbst die schönsten Wildlinge an Gesundheit und Kräftigkeit.

Haben diese nun mit den unveredelt gebliebenen Wildlingen die gehörige Kronenhöhe erreicht, so daß ich ohnehin ihren Hauptzweig abstutzen müßte, um sie zur Bildung der 3 oder 4 Kronenäste zu veranlassen, so veredle ich diesen Hauptzweig durch Kopulation oder mit dem Klebreis [196] und erhalte so ohne den mindesten Zeitverlust diejenige Obstsorte, die ich meinen Abnehmern wegen ihrer Güte empfehlen kann, ohne die Zärtlichkeit ihres Holzes noch so fürchten zu müssen, wie wenn sie gleich unten am Boden mit dieser Sorte veredelt worden wären. Auch darf man nicht fürchten, daß diese zweimalige Veredlung durch eine zweimalige Verdickung der Stämme unangenehm auffalle, zumal wenn man, wie ich, mit dem Klebreis veredelt; denn die erste Veredlungsstelle liegt unmittelbar über dem Boden und die zweite fällt mit der Zertheilung des Hauptstammes in die ersten Kronäste zusammen und ist deßhalb ebenfalls nur sehr wenig bemerkbar. Dagegen wird jeder Obstbaumzüchter, dem das Veredeln schnell und sicher aus der Hand geht, einen nicht geringen Werth darauf legen, selbst die feinsten und zärtlichsten Obstsorten seinen Abnehmern in schönen und gesunden Stämmen liefern zu können und das ist mir durch das beschriebene Verfahren jetzt allerdings gelungen.

Bem. der Red. Diese hier angeführte Methode ist höchst zweckmäßig und kommt auch in der Hohenheimer Baumschule bei schwachwachsenden Sorten in Anwendung. Ich nehme, um Aepfel so zu erziehen, gewöhnlich Stämme, die mit der Engl. Winter-Goldpermäne veredelt wurden und die sich wenigstens hier noch vor dem Wachsapfel und dem Astracan-Sommerapfel im Wuchs auszeichnen. Außerdem liefert unser Kleiner und Großer Fleiner besonders schnellwachsende und starke glatte Stämme. Zur Birnenveredelung in der angeregten Weise dienen mir einige Mostbirnen mit überaus starkem und schnellem, kerzengeradem Wuchs, namentlich die Eisgruben Mostbirn, Lempps Mostbirn, Grunbirn oder Feigenbirn, und die Fischäckerin. Von manchen Birnsortern, wie von der Champagner Bratbirn, erhält man durch Veredlung am Boden von 100 kaum 10 kräftige Stämme, weßhalb für diese Sorte auf dem Eßlinger Baummarkt für einen ordentlichen Stamm nicht selten 1½ fl. bezahlt wird.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Un|stützung