Polnische Dichtung in deutschem Gewande/Gießbach
Der Fluten blauer Spiegel regt sich kaum,
Wie eines Kindes Brust im stillen Traum.
Die Felsgiganten blicken ringsherum
Zur sonnbeglänzten Tiefe starr und stumm,
Als ob ein Himmel drin von Liedern ruht,
Und doch so unergründlich, unentweiht,
Wie aus der Knospenhüll’ erblüht die Maid.
Ob auch von grausen Klippen rings bedroht,
Ein Zephyr bläht die Segel weiß wie Schnee,
Mit Spinnenarmen rudert’s durch den See,
Als lenk’ es Amor selbst am Steuerbord
Nach Psyches lieblichem Kommandowort,
Wie den Erwählten minniglich die Braut.
Kaum taucht den Schwanenhals es aus dem Grund,
Begleitet als Eskorte farbenbunt
Voll Übermut im Schwarm es Fisch an Fisch,
Die uns umgaukeln, nur zu leicht verweht,
Wie bunte Falter auf dem Frühlingsbeet –
Da plötzlich von der höchsten Klippe Saum
Herniederbraust im Chaos Silber-Schaum …
Zu Thale wälzt der – Gießbach sich hervor:
In Melpomenens und Thaliens Reich,
Vereint er in sich Trauer, Lust und Glanz,
Bald tobt und donnert er, bald jauchzt er auf,
So braust zum Abgrund er im Zickzacklauf.
Zu Häupten ihm das Grün der Bäume winkt,
Von seinem Gischt die scheue Gemse trinkt,
Maiblümchen, Edelweiß und Tausendschön.
Nur heut sie, Unheil witternd in der Luft,
Blitzschnellen Satzes überspringt die Kluft,
Bis jenseits sie vom steilen Gießbachsrand
Im Strom der Zeit der Gießbach ewig fließt,
Hinab zum See er langsam sich ergießt.
Wie neunzehn Brüder unser Saeclum zählt,
Kaskaden hat er neunzehn sich erwählt,
Daß ihn zu überhören wagte nicht
Jemals die Menschheit irgend einer Zeit,
Bis einst auch ihn verschlingt die Ewigkeit.
Auf schwankem Steg, umwogt vom Wellenschaum,
Ein Alpenröslein warf ich in die Flut,
Im Nu verschwand es in der Wogen Wut.
Ein Liedchen sang ich in die weite Welt,
Im Nu verschwand es unterm Himmelszelt,
O, kehrte Röslein ihm und Lied zurück!