Zum Inhalt springen

Politische Parteien in den Vereinigten Staaten

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Achille Murat
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Politische Parteien in den Vereinigten Staaten
Untertitel:
aus: Das Ausland, Nr. 46–48. S. 181–182, 185–186, 191–192.
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: München
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Fortsetzung: Ueber den Gang der innern Entwicklung in den Vereinigten Staaten von Nordamerika
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[181]

Politische Parteien in den Vereinigten Staaten.


(Fragmente aus Briefen.)[1]
Wascissa in Florida, den 11. Februar 1826.

Ich habe Ihnen noch nichts über die Parteien gesagt, welche die Republik theilen, und doch ist dieß zur Vollendung des Bildes, das ich Ihnen geben wollte, unentbehrlich. Hätten alle Menschen gleiche Neigungen, und wüßten alle mit gleicher Weisheit die Mittel zu deren Befriedigung zu wählen, so würde es keine Parteien, keinen Streit, keine Trennungen geben, aber auch keinen Wechsel, keine Mannichfaltigkeit, keine Neuheit. Würden wir dabei glücklicher seyn? Ich zweifle daran. Das Vergnügen besteht in der Erfüllung unserer Wünsche, das Glück in der Befriedigung unserer Leidenschaften. Damit aber unsere Wünsche zu Leidenschaften werden, ist Widerstand nöthig; ohne Widerstand gibt es daher kein Glück.

Aber ein mächtiger Unterschied ist zwischen solchen Parteien, die durch die Grund-Verschiedenheit der höchsten Interessen selbst, für die sie kämpfen, einander gegenüber stehen, und solchen, die nur in der Ansicht über die Mittel, die zu dem gemeinsamen Ziele führen, von einander abweichen. Parteien der ersten Art sind stets unheilbringend und unversöhnlich, weil sie stets auf einer, oft auf beiden Seiten, in unheilbarer Verblendung über das eigne Wohl ihren Grund haben, wie die der wahnsinnigen Volksmasse, die in Spanien: viva el Rey absoludo! muera la nacion! ruft.

Solche Parteien gibt es bei uns nicht: die ersten Grundsätze aller Regierung sind unbestritten. Daß beim Volke die höchste Gewalt sey, dieß ist Gesetz, nicht mehr bloßes Produkt der Spekulation. Das Volk ist berechtigt, auf jede Weise seinen Willen zu erklären, sowohl in einzelnen Stimmen, als in Versammlungen, die jeder Bürger zu berufen befugt ist, und die einen öffentlichen Charakter annehmen, sobald sie eine Majorität enthalten. Das Recht, jeder Unterdrückung zu widerstehen, ist durch die Konstitution anerkannt. Nicht mehr also um Formen und Grundsätze der Verfassung, nur um Verwaltungs-Maßregeln und um Individuen dreht sich der Streit der Parteien. Solche Parteien fördern das öffentliche Wohl: sie sind günstige Winde, die das Schiff des Staates in Bewegung setzen, während jene anderen verderbliche Stürme sind, durch die es untergehen muß. So heftig die gegenseitige Erbitterung seyn mag, so wird sie durch die allgemeine Liebe zur bestehenden Verfassung stets gefahrlos. Bei der letzten Präsidenten-Wahl waren die Vereinigten Staaten von den heftigsten Parteien zerrissen; am Tage der Wahl verschwanden sie alle, oder verbargen sich vielmehr bis zur nächsten Wahl. Niemanden fiel es ein, sich den Formen der Konstitution zu widersetzen, obgleich der erwählte Präsident die entschiedenste Mehrheit gegen sich hatte. Ich habe auf dem Lande sehr stürmische Wahlen gesehen, wobei es weder an Betrunkenen noch an Raufereien fehlte: doch fand ich nie den leisesten Gedanken, die Formen des Stimmens oder die Freiheit der Stimmenden zu verletzen.

Eine Partei besteht nicht in einer Meinungs-Verschiedenheit über eine isolirte Maßregel: sie hat ein politisches Gesetzbuch, worauf sie alles bezieht, wornach sie Menschen und Thaten beurtheilt; sie hat eine Hierarchie, von der sie mehr oder weniger blind geleitet wird. In diesem Sinne gibt es nur zwei Parteien in den Vereinigten Staaten: diese aber werden wohl, wenn auch unter verschiedenen Namen, immer wiederkehren, und so lange dauern, wie unsere Verfassung selbst. Es sind die Föderalisten und die Demokraten. Um ihre Erscheinung zu begreifen, müßen wir bis auf ihren Ursprung zurückgehen, und uns auf eine Erläuterung der verwickeltsten Theile unserer Konstitution einlassen.

Als die englischen Kolonien, nachdem sie lange die lebhafteste Anhänglichkeit an ihr Mutterland gezeigt hatten, endlich gegen die Tyrannei Georgs III und seines feilen Parlaments zu den Waffen griffen, hatte man noch keine Idee von Unabhängigkeit. Wenige nur ahnten dieselbe; die Masse des Volkes war ihr entgegen; selbst Washington hatte anfangs kaum einen Gedanken dieser Art. Die Kolonien bildeten damals 13 Provinzen, jede vollkommen isolirt von der andern, jede mit einer besondern repräsentativen Verfassung versehen, und von einem aus England gesandten Gouverneur beherrscht. Ein gemeinsames Interesse nöthigte sie damals, einen Kongreß, aus den Bevollmachtigten der de facto souverainen Staaten bestehend [182] zu bilden. Als dieser Kongreß die Unabhängigkeit der Kolonien proklamirte, war noch von keiner dauernden Vereinigung der einzelnen Provinzen die Rede: sie hatten sich nur gegen den gemeinsamen Feind verbunden. Im J. 1778 bildeten diese Staaten einen Bund, der noch sehr fern von der Einheit war, die sich z. B. im deutschen Bunde darstellt (?). Ein Kongreß, aus Abgeordneten zusammen gesetzt, die in jedem Staate auf eine besondere Weise gewählt wurden, und die nach Staaten stimmten, hatte das Recht, Frieden zu schließen und Krieg zu erklären, die Bedürfnisse des Ganzen an Truppen und Abgaben unter die einzelnen Staaten zu vertheilen, Anleihen zu erheben, einen allgemeinen Münzfuß festzusetzen, das Postwesen zu organisiren, Admiralitäts-Höfe einzusetzen, und Streitigkeiten zwischen den Staaten zu entscheiden. Die einzelnen Staaten entsagten dem Recht, in Friedenszeiten für eigne Rechnung Truppen zu werben, aber jeder ernannte die Offiziere seines eignen Kontingents. Sie verpflichteten sich, nichts außerhalb des Kongresses mit einander zu verhandeln, und gegenseitig jeden Bürger eines andern Staates in dem ihrigen gleiche Rechte mit den eignen Bürgern genießen zu lassen. Die Staaten behielten das Recht, ihren inneren Handel zu ordnen, und hatten sich überhaupt alle Rechte vorbehalten, die sie nicht ausdrücklich auf den Kongreß übertrugen. Diese Artikel wurden erst 1781 ratificirt, und galten bis 1787. Man fühlte bald, wie schwach diese Verbindung sey, und daß sie zur Anarchie oder zum innern Krieg führen müsse. Eine neue Konstitution ward in Vorschlag gebracht, und nach manchen Kämpfen von den verschiedenen Staaten angenommen; sie bildet noch jetzt, bis auf einige geringe Verbesserungen, die Grundlage unserer Verfassung. Die Geschichte jeder Föderativ-Verfassung hat gezeigt, wie schwach eine Autorität ist, die sich nur an selbstständige Regierungen wenden kann. Um diesem Uebel abzuhelfen, beschloß man, der Gesammt-Regierung die Befugniß zu ertheilen, sich direkt an die Individuen zu wenden und sie zum Gehorsam zu zwingen. Zu diesem Zweck theilte man alle Gegenstände der Regierung in zwei Klassen: in solche, die die Gesammtheit, und solche, die nur jeden einzelnen Staat interessiren. Krieg und Frieden, Land- und Seemacht, auswärtiger Handel, Postwesen und Münzfuß gehören ausschließlich der Gesammt-Regierung an. Civil- und Straf-Gesetze, so wie die innere Verwaltung, blieben den einzelnen Staaten anheim gestellt. Die Armee aber ward ganz unabhängig von ihnen; sie hatten keinen Kontingent mehr zu stellen, sondern die Gesammt-Regierung konnte Truppen nach Belieben ausheben. Eben so ward diese völlig unabhängig von den einzelnen Staaten in ihren Ausgaben, in der Gründung eines Nationalschatzes, und dem Rechte, Abgaben zu erheben. Endlich ward ein Föderativ-Gerichtshof geschaffen, um Streitigkeiten zwischen Fremden und Bürgern, zwischen Bürgern verschiedener Staaten, und zwischen den verschiedenen Staaten selbst, nebst solchen Fällen zu entscheiden, in denen die Vereinigten Staaten Parthei sind. Auch die Admiralitäts-Juridsdiction ward demselben eingeräumt.

Diese Umgestaltung der Rechte des Kongresses machte auch eine Umgestaltung seiner Form erforderlich. So lange er nur über die verschiedenen Regierungen einige Autorität besaß, war es genügend, daß er aus den Bevollmächtigten derselben bestand; so wie er aber auf Individuen wirkte, mußten auch sie darin repräsentirt werden. Daraus folgte die Nothwendigkeit zweier Kammern. Der Senat, die erste dieser Kammern, befaßt zwei Mitglieder von jedem Staate, ohne Unterschied seiner Bevölkerung. Diese werden auf 6 Jahre von der gesetzgebenden Gewalt des einzelnen Staates ernannt, und empfangen von derselben bestimmte Instructionen. Die Kammer der Repräsentanten besteht aus den Abgeordneten der in Wahldistrickte von 40,000 Seelen eingetheilten Bewohner der verschiedenen Staaten; sie sind von keiner Instruction abhängig, und verwalten ihr Amt zwei Jahre. In beiden Kammern werden die einzelnen Stimmen gezählt; der übereinstimmende Wille beider Kammern ist nöthig, um ein Gesetz zu geben. Die exekutive Gewalt übt der Präsident, der auf 4 Jahre erwählt wird, in Verbindung mit dem Senat.

Auf diese Weise wirkt jeder Bürger bei der Ausübung der drei verschiedenen Gewalten mit, und wird dreimal repräsentirt; 1) als Bürger seines Staates in dessen gesetzgebendem Körper; 2) als Bürger der Vereinigten Staaten in der Kammer der Abgeordneten; 3) als Glied der Konföderation und Theil eines souverainen Staats im Föderativ-Senat. Der Kongreß ist daher aus zwei Elementen, einem centrifugalen und einem centripetalen zusammengesetzt. Der Senat vertritt die vereinzelten Interessen der besonderen Staaten, die Kammer der Abgeordneten die Interessen des Volks im ganzen, als der Gesammtheit der Bürger der Vereinigten Staaten. Aus dieser verwickelten und durchaus neuen Ordnung der Dinge entsteht ein System der Wechselwirkung und des Gleichgewichts, das alle früheren Institutionen ähnlicher Art an Zweckmäßigkeit bei weitem übertrifft. Die Kraft einer solchen Regierung ist nicht zu berechnen: sie ist so organisirt, daß die leiseste Richtung der öffentlichen Meinung unmittelbar und unwiderstehlich auf sie einzuwirken im Stande ist.

[185] Diese Regierungsform besaß anfangs viele Feinde, ehe sich ihr Werth durch Erfahrung bewährt hatte. Die Partei, die ihr günstig war, nahm den Namen der Föderalisten an, ihr Gegner den der Demokraten. Die Föderalisten jener Zeit bestanden theils aus Männern von großartigen Ansichten (an deren Spitze Washington stand), die eine dauerhafte Einheit der Staaten begründen wollten, theils aus einem Ueberreste der aristokratischen oder Tory-Partei, die in jener Konstitution eine Hinneigung zur Monarchie oder eine Annäherung an England zu erkennen glaubte. Dieser letzte Theil der Föderalisten-Partei stand lange an ihrer Spitze, ist aber jetzt gänzlich verschwunden. Die demokratische Partei hingegen bestand theils aus ächten Republikanern, berauscht von dem augenblicklichen Triumphe über England, und mehr als billig auf die Kraft der isolirten Staaten vertrauend, theils aus einigen Ehrgeizigen, die, während sie in dem eignen Staate eine Rolle spielten, auf einem neuen Schauplatze, dem sie sich nicht gewachsen fühlten, verdunkelt zu werden fürchteten, theils endlich aus einigen vernünftigen Leuten, welche eine Monarchie mehr fürchten zu müssen glaubten, als eine Trennung der Staaten.

Um jene Zeit verbreitete die französische Revolution ihre Wohlthaten und ihre Verwüstungen über den ganzen Kontinent von Europa. England, nicht im Stande, sie zu besiegen, verläumdete sie in seinen Zeitungen, den einzigen, die, wegen der Gleichheit der Sprache, hier allgemein gelesen wurden. Die Föderalisten verglichen die Demokraten mit den Jakobinern, und verkündeten die Anarchie der Schreckenszeiten, wenn jene triumphiren würden, während sie selbst von den Demokraten Agenten Englands, Feinde der National-Unabhängigkeit, Aristokraten u. s. w. genannt wurden: so wurde die Partei der Demokraten zur französischen, die der Föderalisten zur englischen Partei. Beide nahmen zur Zeit der Herrschaft Napoleon’s, in Folge des Kontinental-Systems, das auch bei uns seine Wirkungen fühlen ließ, einen noch entschiedenern Charakter an. Die Bewohner der Seehäfen, und überhaupt Alle, deren höchstes Interesse auf den Handel gerichtet war, wurden hier, gleich ihren Geistesverwandten in Europa, Gegner der Franzosen, und schlossen sich daher der Partei der Engländer und der Föderalisten an. Diejenigen hingegen, die wie Jefferson und Patrik Henry dachten, und die großen Städte für die Geschwüre der Republiken ansahen, befestigten sich nur noch mehr in ihren revolutionären Grundsätzen.

Die Beschränkungen des Handels verursachten endlich einen allgemeinen Unwillen, den Englands willkürliche Maßregeln noch vermehrten: man fing an, den Krieg vorauszusehen. Die Föderalisten scheuten ihn und wiedersetzten sich ihm, entweder weil sie glaubten, daß er die Föderativ-Verfassung schwächen würde, oder weil sie sich nicht gern mit Frankreich gegen England verbinden wollten, oder endlich, weil sie der Meinung waren, daß der Handel selbst von einem kurzen Kriege mehr leiden würde, als von den Hindernissen, die ihm die kriegführenden Mächte Europas in den Weg legten. Die Demokraten hingegen glaubten in dem Kriege ein untrügliches Mittel zu erkennen, den Staaten ihre ursprüngliche Unabhängigkeit wieder zu geben, und England zu schwächen. Von einem edlen Nationalgeiste beseelt, wagten sie es, sich in einem so ungleichen Kampfe mit der Hoffnung eines glücklichen Erfolges zu schmeicheln. So brachten denn die Ereignisse zwei neue Parteien hervor, die zum Krieg und die zum Frieden geneigte; es waren aber im Grunde wieder nur die alten Parteien, die jetzt unter einem neuen Gesichtspunkte hervortraten.

Washington war bei der Annahme der Konstitution zum Präsidenten erwählt worden. Er gehörte zu denen, die eine so innige Verbindung der Staaten, als möglich, mit Eifer anempfahlen; und obgleich er zu verständig und zu fest war, um das Haupt oder das Werkzeug einer Partei zu seyn, so betrachtete die öffentliche Meinung ihn doch als einen Freund der Grundsätze der Föderalisten. Sein entschiedenes Betragen gegen den Abgesandten der französischen Republik bestätigte diese Meinung. Auf seine Verwaltung folgte die des Adams, die ganz englisch, ganz den Grundsätzen der Tories gemäß, und beim Volke so verhaßt war, daß er nicht wieder erwählt werden konnte. Das Uebermaaß seines Föderalismus neigte die Wage auf die Seite der Demokraten, die jetzt Jefferson wählten. Jefferson war von philosophischem Geiste, gelehrt und liebenswürdig. Nie hat es Jemand besser verstanden, sich beliebt beim Volke zu machen und eine Partei zu organisiren. Er beherrschte die seinige so sehr, daß jede Maßregel, die die Regierung in Vorschlag bringen mochte, für eine demokratische galt, und von dieser Partei durchgesetzt [186] wurde. Während seiner Verwaltung hatten wir eine Opposition, die sich, wie die in England, allen Maßregeln der Regierung blind widersetzte, und sich wieder die Partei der Föderalisten nannte.

Jefferson’s Nachfolger in der Präsidenten-Würde und in dem Einfluß auf seine Partei war James Madison, der seine Laufbahn auf der Seite der Föderalisten begonnen hatte, später aber eine bedeutende Rolle unter der Gegenpartei spielte. Er erklärte den Krieg. Diese Maßregel verursachte eine Spaltung in der Partei der Föderalisten und bald darauf ihren scheinbaren Untergang durch die Ablegung ihres Namens. Ich habe bereits gesagt, daß ein Theil der Föderalisten republikanisch und patriotisch, ein anderer aristokratisch und den Engländern ergeben war. Die ersteren hatten besonders im Süden, die letzteren im Norden und Westen ihren Sitz. Beide widersetzten sich dem Kriege, so lange sie konnten; als derselbe aber einmal erklärt war, vereinigten sich die ersten mit der Armee und vergossen ihr Blut für die gemeine Sache, während die letzteren sich jeder Vertheidigungs-Maßregel widersetzten.

Die Umstände hatten es um diese Zeit sonderbarer Weise gefügt, daß beide Parteien ihren Grundsätzen völlig entgegen handelten. Die Demokraten, weil sie dem Kriege mit Begeisterung zugethan waren, gestanden der Föderativ-Regierung, ohngeachtet ihres Mißtrauens gegen dieselbe, eine Armee von 100,000 und direkte Abgaben zu (alles Maßregeln, die sie sonst für unpolitisch und der Konstitution zuwiderlaufend hielten); und so geschah es, daß die Föderativ-Verfassung durch den Krieg, durch den sie sonst hätte in Gefahr kommen können, auf immer befestigt wurde. Die Föderalisten hingegen legten den Schritten der Regierung – gleichfalls ihren früher ausgesprochenen Grundsätzen zuwider – alle möglichen Hindernisse in den Weg. Der Gouverneur von Connecticut weigerte sich, auf den Befehl des Präsidenten seine Miliz zu rüsten. Endlich nach zwei besonders durch ihre Schuld verunglückten Feldzügen, vereinigten sich zu Hardfort Deputirte der verschiedenen Staaten von Neu-England, um über die Mittel zu berathschlagen, diesem „unnatürlichen“ Kriege ein Ende zu machen. Die Versammlung war geheim: sie schickte zwar Abgeordnete nach Washington; da diese aber erst ankamen, als man schon im Begriff war, den Frieden abzuschließen, so hielten sie ihre Mittheilungen zurück. Man hatte diese Versammlung beschuldigt, sie habe die Staaten Neu-Englands von den Vereinigten Staaten losreißen wollen: indessen ist es, da ihre Berathungen geheim gehalten wurden, schwer, etwas bestimmtes hierüber zu erfahren.

[191] Wenn auch der Krieg nicht immer glücklich war, so war doch nichts rühmlicher, als der Friede, der ihm folgte. Er drückte dem Triumph der Demokraten das Siegel auf; die kühnsten Hoffnungen dieser Partei waren übertroffen worden, und sie wußten ihren Sieg vollkommen zu benutzen. Die Föderalisten, die am Kriege Theil genommen hatten, entsagten diesem gehässigen Namen, der forthin nur noch an den Gliedern der Konvention von Hartford und an ihren Anhängern, als ein beschimpfendes Beiwort, haftete. Alle Zeitungen, alle Reden verkündeten die Ausgleichung der Parteien; alle Bitterkeit verschwand, und selbst der Namen geschah höchstens noch bei den Streitigkeiten über die Wahlen Erwähnung.

[192] Doch wird man leicht einsehen, daß diese beiden Parteien (in ihrer ursprünglichen Bedeutung und ohne Beziehung auf zufällige Umstände) im Wesen der Verfassung zu tief begründet sind, um nicht stets unter anderen Namen fortzudauern. Sie halten einander das Gleichgewicht und die Bahn der Verfassung auf der Mittelstraße, indem sie jeder Ausschweifung, wodurch einerseits der Föderativ-Regierung, anderseits den Regierungen der einzelnen Staaten zu viel Gewalt eingeräumt würde, Schranken setzen.

Sie haben unstreitig aus den Zeitungen viel von dem großen Tumult vernommen, den die letzte Präsidenten-Wahl verursachte, und ich zweifle nicht daran, daß in Europa mancher der Meinung war, daß ein Bürgerkrieg nicht mehr fern sey. Doch ist der That nichts lächerlicher, als diese Furcht, da die ganze Spaltung meist nur auf der Verschiedenheit der Meinungen über das persönliche Verdienst der Kandidaten beruhte. Zwar hatte sich ein Rest der Föderalisten-Partei zu Adams Gunsten geregt, während die herrschende Meinung zwischen seinen drei Mitbewerbern getheilt war; doch übten im allgemeinen reine Lokal-Verhältnisse den größten Einfluß auf die Wahlen. Der ganze Osten stimmte für Adams, während der Westen zwischen Jackson und Clay getheilt war. Georgien war für Crawford. Der Gang der Sache war folgender.

Sie müssen wissen, daß die Art der Wahl in den verschiedenen Staaten verschieden ist. Zwar sendet jeder Staat eine, der Anzahl seiner Abgeordneten zum Kongresse gleiche Zahl von Wählern, die nach Köpfen stimmen. Aber in einigen Staaten ernennt das Volk alle seine Wähler zusammen, was man election by general ticket nennt; in andern ist das Volk in Distrikte getheilt, wovon jeder einen Wähler ernennt (election by district); in noch andern werden die Wähler von der gesetzgebenden Gewalt ernannt. Wenn keiner der Kandidaten für sich allein mehr als die Hälfte der Stimmen erhält, so fällt die Wahl der Kammer der Abgeordneten anheim, die unter den drei Kandidaten, welche die meisten Stimmen haben, einen zu wählen hat, indem sie nach Staaten stimmt.

Die Wahl war auf vier Bewerber gerichtet, die alle Männer von vielem Talent waren, deren Verdienst aber verschieden geschätzt wurde, indem die Einen sie bis in den Himmel erhoben, die Andern aber sie eben so tief herabsetzten.

Diese Kandidaten waren: John Quincy Adams aus Massachusets, Sohn des alten Präsidenten Adams. Er hat den größten Theil seines Lebens in öffentlichen Aemtern zugebracht, aber immer außerhalb der Vereinigten Staaten. Früher war er Professor der schönen Wissenschaften, und ist ein vollkommener Literat. Er gehörte immer zur Partei der Föderalisten bis auf die neuesten Zeiten, wo er sich auf das eifrigste gegen dieselbe erklärte. Er zeichnet sich aus durch eleganten Styl und diplomatische Manieren, und gehört zur Schule derer, welche glauben, daß man das Volk betrügen müsse, um es zu beherrschen. Zur Zeit der Wahl war er Staats-Sekretär.

Andrew Jackson aus Tennessee. Erzogen für den Stand eines Advokaten, in dem er sich auszeichnete, wurde er im Anfange des letzten Krieges an die Spitze einiger Milizen gestellt, und entwickelte im Kampf gegen die Indianer große militärische Talente. Als General der Armee erfocht er den berühmten Sieg bei Neu-Orleans, und rettete nicht minder durch seine administrativen, als seine militärischen Talente den ganzen Westen von einer Invasion. Er war immer Demokrat. Er zeichnet sich aus durch streng republikanische Gesinnungen, durch Entschlossenheit, Klarheit der Ansichten und durch eine über jeden Argwohn erhabene Redlichkeit. Zur Zeit der Wahl war er Senator beim Kongreß für die Provinz Tennessee.

W. H. Crawford aus Georgien, immer demokratisch gesinnt. Er war Gesandter in Frankreich. Das einzige, wodurch er sich auszeichnet, ist ein unruhiger Sinn, Neigung zu Intriguen und Bestechlichkeit. Man behauptet, daß er sich zu seinem Privat-Vortheil des Einflusses bediente, den ihm das Sekretariat der Schatzkammer gab, welches er zur Zeit der Wahl verwaltete.

Henry Clay aus Kentucky. Seine Laufbahn war die legislative. Er zeichnet sich durch Beredsamkeit, Gewandtheit, Geschicklichkeit als Advokat und persönliche Liebenswürdigkeit aus. Er war Präsident (speaker) der Kammer der Abgeordneten, und übte einen bedeutenden Einfluß in diesem Amte.

Nur wenige Stimmen fehlten zur Vollgültigkeit der Wahl Jackson’s. Ihm folgte Adams mit einer bedeutenden Minderzahl, und diesem stand Crawford sehr nahe. Die Kammer hatte daher unter diesen drei Bewerbern zu wählen. Ihr Einfluß in der Kammer, in der nach Staaten gestimmt wird, war ungefähr gleich: die Wahl hing daher von dem Entschluß der Freunde Clay’s ab. Diese stimmten für Adams. Die öffentliche Meinung sprach sich offen gegen diese Wahl aus, als eine dem Willen des Volkes zuwiderlaufende Maßregel: denn Jackson hatte entschieden eine beträchtliche Mehrheit gegen jeden seiner Mitbewerber. Die Nation glaubte, daß ihr Wille ihren Repräsentanten Gesetz hätte seyn sollen. Die Unzufriedenheit vermehrte sich, als Adams gleich im Beginn seiner Verwaltung Clay zum Sekretär ernannte. Von einem Ende der Vereinigten Staaten zum andern sprach man von Schändlichkeit, Bestechlichkeit, Feilheit u. s. w. Diese Gerüchte mögen übertrieben seyn, aber die Beweise eines gehässigen Handels scheinen mir zu klar, als daß man ihnen widersprechen könnte.

Was würde in Europa das Resultat einer solchen Wahl gewesen seyn, bei welcher der Wille des Volks durch schamlose Ränke umgangen ward? Ein Bürgerkrieg wäre vielleicht die Folge davon gewesen, und es hätte eine zeitlang zwei Präsidenten gegeben (??). Hier fiel nichts ähnliches vor. Jeder unterwarf sich friedlich dem Gesetze, mit dem Vorsatze, bei der nächsten Wahl besser auf seiner Hut zu seyn. Obgleich die Kammer ohne Zweifel einen Fehltritt begangen hat, der kaum zu entschuldigen ist, so muß doch dieß Beispiel gesetzlicher Unterwerfung den wohlthätigsten Einfluß auf die Zukunft üben: und nie bot Amerika ein erhabeneres Schauspiel dar, als indem seine Söhne sich schweigend unter ein Joch beugten, dessen äußere Rechtmäßigkeit sie anerkannt hatten.

  1. Die Révue trimestrielle, von welcher kürzlich in Paris das erste Heft erschien, theilt diese Briefe, deren Fortsetzung sie verspricht, mit der Bemerkung mit: „Ohne die Anonymität verletzen zu dürfen, ist es uns doch erlaubt zu sagen, daß sie das Werk eines jungen Mannes sind, der, auf den Stufen eines Thrones erzogen, mehr noch aus Liebe zur Freiheit, als aus Schmerz über die verschwundene glänzende Zukuft, Europa verließ, um der Mitbürger eines freien Volkes zu werden.“