Philotas (Gleim 1767)
[104] Personen.
Aridäus, König.
Strato, Feldherr des Aridäus.
Philotas, gefangen.
Parmenio, Soldat.
Die Scene, ein Zelt im Lager des Aridäus.
Philotas.
Gefangen? ich gefangen? Götter! Ach!
Mein Vater! – – Fang ich so zu lernen an?
Ein Kind, träumt’ ich Feldläger, Schlachten, Sturm!
O träumt’ ich itzt, ein Jüngling, Wunde, Tod,
Und das viel ärgre, die Gefangenschaft!
Allein ich wache, denke, sehe mich,
Und eine leichte Wund’, ach eine nur,
Durch die der blutgen Hand das Schwerdt entsank,
Schmerzt; aber ist nicht tödtlich, sagt der Arzt! – – –
Nichtswürdiger, sie sollte tödtlich seyn!
Grausam-barmherzig war der Feind, als er
Befahl mich zu verbinden; listig war
Er mehr als grausam. Leben wollt ich nicht!
Denn, überwunden, war für mich kein Trost
Als: Sterben. Welch ein Anblick war ich mir!
In Feindes Händen, lebend mich zu sehn!
Und – – o! in welch verflucht Gesicht sah ich
Dem alten Krieger, der, auf seinem Arm
Den leichten Jüngling von dem Pferde wog!
Kind, sagt er, Kind! Er, und sein König hält
Mich für ein Kind! – – Man sehe nur einmal
Was für ein Zelt? Bin ich gefangen? ich?
Was soll Schwanenbett und Polsterstuhl?
Hohn sprechende verfluchte Höflichkeit!
Philotas. Strato.
Strato.
Prinz!
Philotas.
Laß, o laß mich, Alter! doch allein!
Strato.
Der König, Prinz! – – –
Philotas.
Der König halte mich,
Wie sichs gebührt. Er sieht, ich bin kein Weib,
Ich bin Soldat.
Strato.
Gleich kömmt der König, sag’
Sag es ihm selbst.
Philotas.
Das will ich. Führe mich
Ihm nur entgegen!
Strato.
Wie? solch schön Gesicht,
Voll Milch und Rosen, edel, ein Gesicht,
Das noch der ersten Jugend Farbe trägt,
Und so verstellt? so zornig?
Philotas.
Lästerer,
Du spottest! Ein Verzärtelter, ein Kind,
Das, von dem sanften Schoos der Mutter erst
Entlassen Polster sucht, ein schwaches Kind,
Ein Weichling, bin ich dir. – – Du irrst. – – Ich weiß,
Dein Angesicht voll Narben, das ist schön!
Strato.
Heroische Gedanken liegen da
In wenig Worten. Ich verstehe sie
Aus deinen Augen, welche glühen, Prinz!
Sie reden ihren ganzen grossen Sinn!
Man muß dich lieben und bewundern.
Philotas.
Nur fürchten nicht. Das meinst du. Ha! Meinst du das?
Strato.
Sind unter deines Vaters Kriegern viel,
Wie du, o Prinz, so haben ganz gewiß
Die Götter in dem Himmel viel zu thun,
Wenn die gerechte Sache siegen soll.
Philotas.
Du schmeichelst mir, ich aber lasse mir
Nicht schmeicheln. Sey versichert, alter Held,
Die Götter hätten unsre Sachen schon
Vorlängst für uns entschieden, wären nur
Die Krieger meines Vaters alle so
Gesinnet, wie sein Sohn. Wir wollten Euch
Bald schrecklich werden. Aber, sage mir,
Wenn ich es wissen darf, wie heissest du?
Strato.
Ich heisse Strato.
Philotas.
Strato? Wie? der Held,
Der meinen Vater an dem Lycus schlug,
Der Held bist du?
Strato.
Der bin ich! Und der Held
Der in der Ebene Methymna sich
Von deinem grossen Vater, bald darauf
Aufs Haupt geschlagen sah, der bin ich auch!
Philotas.
Dich zu umarmen, hindert nicht, daß du
Von meines Vaters Feinden bist; du bist
Der edelste von allen. Noch ein Kind,
(Es ist so lange nicht, daß ich es war;
Denn sieben Tage nur trag ich den Rock
Des Jünglings) noch ein Kind, dacht ich schon oft:
Ein Strato seyn, sey viel. Mein Vater selbst,
Als er geschlagen war, gab mir von dir
Erhabenen Begriff. Einst, als er dir
Lob redete, mir ansah, daß ich es
Für allzuhoch getrieben hielt, sprach er:
Von ihm geschlagen seyn, ist Ehre, Sohn!
Fuhr fort: Hast du noch nicht gehört, wie er,
Von Jugend an, der Ehre nach gestrebt?
Und welcher? Keiner schlechtern, sprach er, Sohn!
(Mit etwas Hitze sprach er es zu mir!)
Als der, zu sterben für das Vaterland,
Soldat zu seyn, weil jeder Patriot
Soldat seyn muß, wenn Macht und Neid, und Stolz
Mit Waffen in den Händen es bedrohn.
Und also kenn ich dich, darf mich nicht scheun,
Dir meine ganze Seele zu vertraun,
Dir meines Herzens Jammer zu gestehn.
O welch ein hartes Schicksal! Gestern erst
Bewegt ich meinen Vater, daß er mich
Mit seinen Streitern ziehen ließ. Doch nein
Aristodem, der Tapferste von uns,
Der Strato meines Vaters wars, der ihn
Bewegete, den eingebohrnen Sohn.
Zu wagen. Gieb ihn morgen mit, sprach er
Zum König; das Gebürge Ladomat
Muß ich durchstreifen, denn, gewiß, wir sind
Verlohren, König! Vaterland und du
Und alles ist dahin, wenn wir den Weg
Nicht nach Cösena offen haben. Gieb,
Den tapfern Sohn, o König mit, sprach er!
Gern; sagte mein geliebter Vater, gern:
Könnt ich euch nur begleiten! (Denn er liegt
An seinen Wunden noch danieder.) Doch,
Setzt’ er hinzu, es sey, er gehe mit!
Er lerne streiten, wie Aristodem!
So sagt’ er, wandte sein Gesicht von mir,
Umarmte mich. Was für geschwinde Gluth
Floß in mein Herz? Wie groß ward es? Welch Glück,
War es für mich, um auf der Heldenbahn,
Im Dienst des Vaterlandes, auch zu gehn!
Was ist ein Leben ohne That? Die Nacht,
Die ganze Nacht darauf durchwacht’ ich, wog
Die Schwerdter meines Vaters alle, nahm
Das, welchem ich gewachsen war, legt es
An meine Seit’ im Zelte, schlummert’ ein,
Und träumte Sieg und Ehre. Aber bald
Sprang ich von dem zu trägen Lager auf,
Warf mich in meinen neuen Panzer, strich
Die ungelockten Haare untern Helm,
Saß früh zu Pferde, dachte Thaten, war
Der erste da, wohin der Silberklang
Der kriegrischen Trommete rief; gewiß,
Zu siegen, und, wo nicht, zu sterben. Ach!
Und nun, o Freund! Nun ist von beiden keins!
Sieh mich! Nur leicht verwundet bin ich hier,
Ein armer kläglicher Gefangener!
Wie hoch stand ich, wenn ich mich einen Held
Betrachtete, lebendig oder tod.
Wie tief bin ich gefallen! – – Strato, hat
Dein edles Herz Barmherzigkeit mit mir
Unedlem Krieger, welcher allzuleicht,
Ein schändlich Leben zu verlängern, sich
Gefangen gab! – – Nein – – nicht gefangen gab,
Genommen ward. – – Zehn Hufen allzuweit,
Zehn Hufen nur, war er voraus geeilt!
Da sah er sich umringt, der schlechte Held!
Ist ein Soldat, der nicht den Feind da faßt,
Wo er zu fassen ist; der, allzu kühn,
Sich ausser Stand zu siegen setzt, ist der
Ein Held? Ist der unschuldig, wenn er liegt?
O Vaterland! Ihr Götter, warum war
Ein so grausames hartes Schicksal mir
Von euch bestimmt! Wie oft erfleht ich mir
Das grosse Loos, des Vaterlandes Schutz,
Und Trost, und Retter einst zu seyn. Und nun
Was bin ich nun? Ich Unglückseliger!
Sein Untergang, sein Haß, sein Fluch bin ich!
Darf ich nicht weinen? Einen solchen hier
Mich sehn, sollt’ ich nicht weinen? Vater! Freund!
Verachte mich! Ich bin es werth. Du kehrst
Dein Auge von mir.
Strato.
Länger kann ich es
Nicht ausstehn! Du bist allzu edel, Prinz!
Philotas.
Du würdigst einen Unglückseligen
Mit ihm zu weinen? Uebersähest du
Sein Unglück ganz, du weintest wahrlich mehr,
Als eine Thräne! Etwas Linderung
Des Schmerzens seiner Seele fühlet er,
Indem er einen Strato weinen sieht!
O wüßtest du, aus was für edlem Quell
Es über mich geflossen ist! – – Mein Glück,
Mein Wunsch, und meine größte Freude war,
Die Liebe meines Vaters. – – Ach und nun
Wird sie mein größtes Unglück, meine Pein!
Strato.
Die Liebe deines Vaters?
Philotas.
Dir allein
Vertrau ich diese Wichtigkeit von ihm!
Er liebet, ach er liebt mich allzusehr;
Mehr als das Vaterland liebt er den Sohn!
Siehst du die schwarze Wolke, welche mir
Mit schwerem Donnerkeile droht? Was ist
Für grösser Unglück, als der Untergang
Des Vaterlandes seyn? Und der bin ich!
Hat nicht dein König seines Feindes Sohn?
Hoch wird er nun die Sayten spannen, hoch!
Und ach! mein Vater – – Laßt ihr Götter, laßt
Das Vaterland viel theurer als den Sohn
Ihm dißmal seyn! Mein Vater aber wird
Mich aus der traurigen Gefangenschaft
Zu retten, geben, was sein Feind nur will!
Was in drey langen Jahren voller Müh,
Durch vieler Edlen, durch dein eigen Blut
Gewonnen ward, wirst du auf einen Tag
Aufopfern, Vater! Ach! für deinen Sohn,
Für deinen Sohn wirst du das Vaterland
Hingeben! Wer? Wer ist sein ärgster Feind?
O Vater! sey nicht Vater, König sey!
Strato.
Prinz, fasse dich, dein Schicksal ist vielleicht
So grausam nicht. Der König kömmt; ich weiß,
Du hörst aus seinem Munde Trost.
Philotas.
Was? Trost?
Philotas. Strato. Aridäus.
Aridäus.
Laß dich umarmen, Prinz! Der Fürsten Krieg
Ist nicht der Fürsten, ist der Götter Werk!
Persönlich wenigstens soll ihre Fehd’,
Und ihre Feindschaft nimmer seyn. Laß, laß
Dich noch einmal umarmen, lieber Prinz!
Denn du bist deines Vaters Ebenbild;
Und ich umarme meinen Herzensfreund,
Ha! deinen jüngern Vater, Prinz, in dir!
Wie deine Jugend blüht, so blühete
Die seinige. Welch’ einer frohen Zeit
Erinnr’ ich mich! – – Kehrt, Tage, kehrt zurück,
Mit eurem Frieden! – – Solche Redlichkeit,
Solch offnes Auge, solchen edlen Sinn,
Wie da die junge Heldenmiene spricht
Hatt’ er, dein jüngrer Vater, eben auch!
Hast du es wol von ihm gehöret, Prinz,
Was für vertraute grosse Freunde wir
In deinem Alter waren? Hat er wohl
Erwähnt, daß eine beßre Zeit einst war,
Als itzige? Fataler Augenblick,
Der unsre Herzen von einander riß,
Und jedes fest an einen Thron verband!
Wir wurden Könige. O wären wir
Geblieben, was wir waren, wahrlich, Prinz,
Wir wären noch die besten Freunde! Ha!
Der König tilgte, leider allzubald,
Den Freund aus unsrer Brust!
Philotas.
Erwarte nicht
Daß ich die schönen süssen Worte dir
Erwiedern soll. Mein Vater lehrte mich
Nur denken, reden nicht. Was hilft es mir,
Daß er und du, o König! Freunde wart?
O wärt ihrs noch! Was redest du mit mir,
Als wenn ihr es noch wärt? Die Höflichkeit
Des Staatsmanns täuscht mich nicht. Sprich, König, sprich,
Wie Sieger, wie Monarch!
Aridäus.
Philotas.
Philotas.
Sprich
Dein strenges Urtheil über mich! Du hast,
Das weiß ich, deines Feindes einzgen Sohn
In deiner Macht. Gebeut! Was soll er?
Aridäus.
Prinz!
Umarmen soll er mich!
Philotas.
Was? Sterben soll
Philotas, meines Feindes Sohn; das, das
Gebeut, o König! Sterben würd’ er gern!
Aridäus.
So?
Philotas.
Ja!
Strato.
O König, länger laß ihm doch
Sein gütig Schicksal nicht verborgen seyn!
Philotas.
Hart, oder gütig, wenn ich es nur weiß!
Wie viel Provinzen soll mein Vater dir
Abtreten, König? Sage mir, wie viel?
Wie schwach willst du ihn haben, daß er dich
Nie wieder überwinden kann? Wie viel
Verlangest du für seinen Sohn?
Aridäus.
Nicht mehr,
Als für den meinigen dein Vater.
Philotas.
Wie?
Als für den deinigen mein Vater?
Aridäus.
Ja!
Denn wisse, Prinz! die Götter haben noch
Nicht sagen wollen: Schwerdter fahrt zurück
In eure Scheiden! wie es schien. – – Mein Sohn – –
Strato.
Erlaube, König, mir, das übrige
Zu sagen!
Aridäus.
Sag’ es!
Philotas.
Keine Rätzel nur!
Strato.
Der Sohn des Königs war das Oberhaupt
Des glücklichen Geschwaders, welches dich
Gefangen nahm. Als deine Krieger sahn,
Daß du verlohren warst, da wurden sie
Ganz Wuth; wie junge Löwen brachen sie
Die Glieder; stürmten all’ auf einen Mann,
Auf meines Königs Sohn; es half ihm nicht,
Daß er allein zehn Löwen niederwarf;
Er ward, wie du, gefangen!
Philotas.
Polymet?
Gefangen? O ihr Götter! Hat er ihn
Mein Vater, deinen Polymet? Ist er – – –
Aridäus.
Er ist bey ihm so wohl, wie du bey mir!
Wir wollen aber doch die Auswechslung
Beschleunigen. Dein Vater, der dich liebt,
Verlanget wohl zu wissen, wie dir ist,
Und ob du lebst. Mein Herold wartet schon!
Send einen deiner Mitgefangnen mit,
Daß er von ihm erfahre, daß du lebst!
Wer soll es seyn?
Philotas.
Parmenio!
Aridäus.
Er soll
Gleich da seyn. Strato komm! Wir sehen uns
Bald wieder.
Philotas.
Hab ich recht gehört? Wie wars?
Daß er von ihm erfahre, daß du lebst!
Die Worte geben mir zu denken! Wie?
Gewinnt er, weil ich lebe? Nur zu viel
Gewinnt er! – – König länger laß ihm doch
Sein gütig Schicksal nicht verborgen seyn!
Das sagte Strato. – – Gütiger ist es; – –
Dawider hab ich nichts. Daß Polymet
Gefangen ist, dadurch gewinnen wir
So viel, – – daß keiner was gewonnen hat.
Wie aber? wäre Polymet allein,
Philotas nicht gefangen, was alsdenn?
Wie? oder wär ich tod, wär im Gefecht
Der junge Held geblieben, was alsdenn?
Das eine bleibet, wie es ist, es bleibt
So, wie der Schluß des Schicksals es gewollt!
Allein, das andre, Götter! steht bey mir.
Mein Leben gegen Millionen! O!
Welch eine Kleinigkeit! Mein Leben sey
Für dich, o Vaterland! Wer ist ein Held?
Mein Vater sagte mir, es sey ein Mann,
Der höhre Güter, als das Leben, kennt.
Ein solcher Mann will dann ich Jüngling seyn!
Ihr Götter! aber ihr mißgönnet mir
Diß Glück! Und doch stieg zum Olympus nie
Ein Sterblicher, dem Sterben leichter war.
Ein Schwerdt laßt ihr mir fehlen! Schaft es mir!
Ich will mich opfern für das Vaterland,
Ich will den Frieden wiederbringen, der
Der Welt genommen ist! Dazu verschaft,
Ihr Götter, mir ein Schwerdt! Wie? gäbe wohl
Der König mir das meinige zurück,
Wenn ich ihn bäte? Bitten will ich ihn.
Ihr Götter, daß er es nicht weigere,
Sey euer Werk! Es werd ein heilig Schwerdt,
Wenn es das Werkzeug einer grossen That
Gewesen ist. Groß? Nein, o Vaterland!
Was ist ein Leben? Aber, Götter, macht
Die Folgen groß! Wer kömmt?
Philotas. Parmenio.
Philotas.
Bist du es? Komm!
Was sag ich ihm? – – Komm näher! – – Schämst du dich?
Und wessen? Deiner oder Meiner?
Parmenio.
Ach!
Prinz, Beider!
Philotas.
Focht ich nicht, als wie ein Held?
Parmenio.
Den Königlichen Prinz einst so gesund,
So munter noch zu sehn, das dacht ich nicht!
Er wagte sich zu tief hinein, er war
Verlohren, wenn die Götter selbst ihn nicht
Beschützet hätten. Wie ein alter Held,
Stürmt’ er in seinen Feind. Nur allzubald
War er umringt! Oft zittert’ ich für ihn,
Wenn ich aus dem Geschwader, welches ich
Aufopfern wollt’, ihn noch zu retten, hin
Wo er Gefahr litt, Blicke warf!
Philotas.
Du bist
Verwundet, ich bin Schuld daran.
Parmenio.
Nein Prinz!
Schon dreymal war ich es, eh die Gefahr
Für meines Königs Sohn, zum erstenmal
Mich zittern macht’.
Philotas.
Und weißt du, daß ich auch
Verwundet bin?
Parmenio.
Ach! ich weiß alles, Prinz!
Daß Polymet gefangen ist, weiß ich;
Daß du zum König deinem Vater mich
Absenden willst, weiß ich; vermuthlich auch
Die Absicht, – – ausgewechselt willst du seyn.
Philotas.
So bald es möglich ist. Nur morgen nicht;
Das bitt’ ich
Parmenio.
Wie? Warum?
Philotas.
Die Ursach ist
Mir und den Göttern nur allein bekannt!
Parmenio.
Wenn aber dein geliebter Vater nun
Sie wissen will?
Philotas.
Dann sage – – – sag, es sey
Was Wichtigs vor, wozu ich einen Tag
Nur nöthig hätte, einen Tag ja nur.
Parmenio.
Dem Vater aber, der dich zärtlich liebt,
Wird er lang scheinen, dieser eine Tag!
Philotas.
Drum eben! weil ich weiß, Parmenio,
Was du bey ihm vermagst, drum schick ich dich,
Dich, keinen andern, zu ihm ab! Nur du
Kannst ihm den Sohn auf einen Tag entziehn.
Parmenio.
Nur ich? Sollt’ ich dem Könige den Sohn
Entziehen nur auf einen Tag? Nein, Prinz – –
Philotas.
Will aber es des Vaterlandes Wohl;
Kann dieser eine kurze Tag den Krieg
Zu Ende bringen; seyn ein grosser Tag:
So wirst du es doch wollen, Patriot?
Parmenio.
Ernst, grossen Ernst, Ernst für das Vaterland
Zu sorgen, edlen Willen, Heldenmuth,
Kurz, grosse Dinge redet dein Gesicht
Von Milch und Rosen! Gut! ich will – –
Philotas.
So geh!
Und schaffe mir den einen Tag, gewiß,
Daß er von mir gebrauchet werden soll!
Und allen Helden sage meinen Gruß!
Entschuldige mich aber nicht, man weiß
Daß ich zu hitzig war.
Parmenio.
Und was soll ich
Dem König sagen?
Philotas.
Sage – – – sage kurz:
Den Vater küßt der Sohn, dem Könige
Legt der Soldat sich zu den Füssen! Geh!
Wir sehn uns übermorgen!
Philotas.
Bringt ihr mich,
Mich Opferer und Opfer, Götter! bringt
Ihr mich, dem Altar näher, o so gebt
Ein heilig Schwerd in meine Priesterhand!
O fühlt’ ichs schon in dieser Brust! wenn dann
Der blasse Jüngling auf dem Boden liegt,
Welch grosser Anblick wird er allen seyn,
Die um ihn stehn! Dann wird der Patriot,
Der Menschenfreund, der Weise sagen: Ha!
Bey allen Göttern, er ist groß! Er ist
Beneidenswürdig, er ist Held, er hat
Dem allgemeinen Besten sich geweiht,
Ist für sein Volk gestorben! Wenige
Der Sterblichen sind so dahin gestellt
Auf unsrer Erde, Götter! daß ihr Tod
Das Leben vieler Tausenden seyn kann!
Der Fürsten Tod kann es. Gelobet seyd,
Ihr Götter, daß ihr mich hinstelletet
An einen solchen Ort! – – – Ein grosses Volk
Aus bodenlosem nahen Untergang
Auf seinen Gipfel der Glückseeligkeit
Hinaufzuheben, o ihr Fürsten, das
Beruhet oft auf einem Tropfen Bluts!
Du Blut in diesen Adern fließ, fließ hin
Und sey der Quell, aus welchem Heil und Glück,
Und langer Fried’ und reicher Segen strömt;
Erst zwar auf dich, geliebtes Vaterland,
Dann auf den König! Menschen waren erst,
Dann wurden Völker, endlich Könige.
Wohl mir, daß ich – –
Philotas. Aridäus.
Aridäus.
Nun sind die Boten fort.
In wenig Stunden können wir sie schon
Zurück erwarten. Folge mir indeß
Nach meinem Zelt. Daselbst erwarten dich
Die Tapfersten von meinem Kriegesheer,
Und brennen, meinen jungen Held zu sehn;
Denn, Prinz, so nenn ich dich.
Philotas.
Ein schöner Held,
Der seine Waffen weggegeben hat!
In was für trauriger Gestalt
Wird er da stehn, ein Spott der Tapfersten!
Und dann, sieh nur, kein Schwerdt!
Aridäus.
Ich habe schon
Befehl deshalb gestellet. Strato wird
Dein eigenes dir bringen; er ist hin
Und sucht den glücklichen Soldaten auf,
Der dir es abgenommen hat. Es sey
Nicht mehr blutdürstig!
Philotas.
Wie verstehst du das?
Aridäus.
Weil du von deinem Vater alles hast,
So, dünkt mich, hast du auch die Lust zu Krieg!
Philotas.
Mein Vater hätte Lust zu Krieg?
Aridäus.
Wer hat
Das Schwerdt zuerst gezückt?
Philotas.
Wer hat zuerst
Den Freund in seiner Brust ertödtet? Wer
Der erste stolz gesprochen? Krieg gedroht?
Davon zu sprechen, schickt sich nicht für mich!
Ich muß nur schweigen! Vor den Göttern stehn
Der Erden Könige zur Rechenschaft.
Das Schwerdt des Tapfersten spricht über sie
Ihr Urtheil aus.
Aridäus.
O Prinz, erstaunen muß,
Wer deine Reden hört! Weh aber dir,
Wenn du so hitzig thust, als wie du sprichst!
Zur Krone hat das Schicksal dich bestimmt.
Ein edles Volk begehret einst von dir
Glückseeligkeit; allein, nach deiner Art
Zu denken, Prinz! wirst du es wahrlich einst
Mit Lorbeern und mit Elend überhäuft
Zu Grunde gehen sehn. Das, kühner Prinz,
Weissag’ ich dir! Triumphe wird dein Volk
Erleben; Siegesfeste wird es einst
Dem Helden feyren; besser wär es, Prinz,
Könnt es des Vaterlandes Vater still
Den Göttern rühmen.
Philotas.
König, sorge nicht!
Aridäus.
Ja, Prinz, für meinen Sohn sorg ich. Er ist
Sanftmüthiger als du! Ein Menschenfreund
Strebt er nach keinem blutgen Heldenruhm.
Sein Ruhm und seine Lust ist, wohl zu thun;
Ist, glücklich machen; ist, ein Freund zu seyn.
Wie könnten gleichgesinnte Könige
Zu gegenseitiger Glückseeligkeit
Die Völker doch so leicht vereinigen?
Du aber seiner Länder Nachbar, wirst
Ihn nöthigen, das fürcht ich, daß er einst
Für Friedenslorbeern, sich des Helden Helm
Erwählen muß, o Prinz!
Philotas.
Beruhige
Den Vater, König! Köstlicher, als Ruhm,
Und Ehr’, und alles auf der Welt, ist mir
Das Blut der Menschen. König seyn, das ist
Erhalter, nicht Zerstörer, seyn. Ich weis,
Die Götter fordern es von seiner Hand.
Aridäus.
Glückseeliger, wem einst kein Tropfen fehlt!
Philotas. Aridäus. Strato.
Strato.
Den Krieger, König, welcher ihm das Schwerdt
Genommen hat, hab ich mit Müh entdeckt!
In deinem Namen hab ich es von ihm
Zurückgefordert, König, aber nicht
Von ihm empfangen; keinem sonst, als dir,
Will er es geben. Darum nahm ich nur
Ein andres.
Aridäus.
Wie? Mein königliches Schwerdt,
Mit welchem ich die Losung zu der Schlacht
Zu geben pflege, bringest du? Wohlan
Nimm es, o Prinz, als ein Geschenk von mir,
Und schone meiner künftig nur damit,
Und laß dem Krieger, welcher mir gefällt,
Weil er dein Schwerdt mir selber geben will,
Das deinige.
Strato.
Das hat er wohl verdient!
Er sprach: Der König lasse mir das Schwerdt
Zu seinem Dienst. Ich will schon wissen, es
Für ihn zu brauchen. Auch behielt ichs gern
Zum Angedenken dieser meiner That;
Die Kleinste war sie, bey den Göttern nicht!
Er fochte wie ein alter Kriegesknecht;
Er war ein kleiner Dämon. Lebt er noch?
Nicht ohne Jammer gab ich ihm den Hieb!
Das sagte der Soldat. – – – – Als ich das Schwerdt
Nur sehen wollte, hohlt er es geschwind;
Bracht es; damit du siehest, General,
Daß es mir nicht um das kostbare Heft
Zu thun ist, wart’ ein wenig, sprach er, wand
Erzürnt mit starker Faust es ab, warf es
Verächtlich von sich, sagend: da ist es!
Was kümmert mich dein Gold?
Philotas.
Es ist
In guten Händen, Strato! – – König, ihm
Dank ich dein königliches Schwerdt, und Euch
Ihr Götter, (indem er es ernsthaft betrachtet)
O ihr Götter! dank ichs auch!
Aridäus.
Du zitterst, Prinz!
Philotas.
Wo vor? Vor deinem Schwerdt?
Sieh her, wozu ich es gebrauche!
(Er tritt schnell zurück, setzt das Gefäß an den Boden, die Spitze an die Brust, und wirft sich darauf.)
Aridäus.
Prinz!
Strato.
Ihr Götter! König!
Aridäus.
Hülfe, Strato!
Strato. (ihm aufhelfend)
Prinz!
Philotas.
Für Tausende sterb ich in deinem Arm,
Ich einer sterbe. Meines Sterbens Frucht
Sey Friede, sey des Krieges Ende, sey
Des Vaters und des Vaterlandes Wohl!
Die Götter haben meinen Wunsch erfüllt
So wollt ich es. Dein Sohn, o König ist
Gefangen, meines Vater Sohn ist frey!
Ihr Götter, tröstet ihn! Er fordere
Von seinem Feinde nun Genugthuung.
Und du, o König, weigere sie nicht
So sehn wir uns einst in Elysien!
Aridäus.
Was, o ihr Götter! Was für einen Tod
Stirbt er! O Prinz! Du jammerst mich!
Strato.
O Held!
Aridäus.
O Patriot!
Philotas.
O Vaterland!
Strato.
Er stirbt!