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Pferd, Esel und Eland

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Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Pferd, Esel und Eland
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aus: Die Gartenlaube
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1863
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[367] Pferd, Esel und Eland. In England, dem wahren Himmelreiche für Katzen, giebt’s auch viele Tausende von Menschen, die blos vom Handel mit Katzenfleisch, d. h. Fleisch für Katzen leben. Die „Tom’s“ und „Pussies“ und wie diese weichen, „zwirnenden“ und schmeichlerisch-gutmüthigen (weil gut behandelten) „Mietzchen“ sonst heißen, kennen die Zeit, wenn der „Lieferant“ kommen muß, und dessen schrille Ausruferstimme: „Cat’s meat! Cat’s meat!“ (Kätz’ miet!) auch ganz genau und werden unruhig, wenn er mal länger als gewöhnlich ausbleibt, und laufen nach der Thür und miauen so herzrührend und steinerweichend, daß die Köchin Alles stehen und liegen lassen muß, nur um so schnell als möglich diesen wahrhaft schreienden Hunger zu stillen. Der Händler ist ein gewandter Geschäftsmann und giebt die übliche Portion, auf ein spitzes Stückchen Holz gespießt, ebenso schnell, als er seinen Penny dafür erhält. So geht’s jeden Tag zu einer bestimmten Stunde, so daß jede anständige Familie mindestens zehn Thaler jährlich für Hauskatzen oder Stubenkatzen ausgiebt. Dafür sind’s aber auch gesunde, brave, gutherzige, fette Katzen. Auch die Hunde (in der Regel zärtliche, treue Freunde der Katzen in England) gedeihen dabei vortrefflich. Uns war einmal ein Köter in London zugelaufen, der nicht wieder fort wollte, so daß wir ihn endlich als Hausgenossen duldeten und bald lieb gewannen. Aber als Engländer war er mit unserer Hausmannskost nicht zufrieden, so daß er in der Regel Frühstück und Mittagsessen ganz verachtete und überhaupt zu Hause wenig zu sich nahm. Dabei wurde er alle Tage dicker und stärker. Wir konnten uns das lange nicht erklären. Zwar ging er alle Tage regelmäßig aus, und zwar so regelmäßig, daß, wenn ihm etwa um 10 Uhr die Thür nicht geöffnet ward, er sich dahinter aufstellte und mit scharfem Klaffen so lange drum bat, bis ihm aufgemacht ward. Aber auf der Straße war bei der vielen Concurrenz von Hunden und Menschen um Abfälle und Schnapphäppchen nicht viel zu holen.

Hatte er sich etwa einem schlechten Lebenswandel hingegeben und war glücklicher, geschäftlicher Dieb in offenen Fleischerläden geworden? Höchst unwahrscheinlich, da alle Fleischer sich scharfe, starke, unbarmherzige Wächter halten. Nein, er ernährte sich redlich von einem anständigen Geschäft. Er hatte eine Anstellung gefunden, war Beamter geworden. Er ging regelmäßig alle Morgen um 10 Uhr in’s Geschäft und kam regelmäßig etwa um 4 Uhr wieder, Jeden von uns persönlich mit Schwanzwedeln begrüßend und dann ruhig zusehend, wie wir Mittagsbrod aßen. Seine Anstellung blieb uns lange ein Geheimniß, bis endlich sein Arbeitgeber und Brod- oder Fleischherr die Sache selbst verrieth. Eines Nachmittags kam er nämlich mit diesem seinem Herrn nach Hause. Dieser sagte, er sei ein Cats-meat-man, Katzenfleischhändler, bei welchem sich dieser Hund einmal, wie so viele, als Bettler um seinen Karren herum eingefunden. Er habe diesem wegen seiner gefälligen Manieren den Vorzug und einen Spieß voll Fleisch gegeben, auch sonstige Zeichen seines Wohlwollens. Dafür habe er viel Dankbarkeit gewedelt und weitere Anhänglichkeit, ebenso entschiedene Feindschaft gegen andere Hunde kund gegeben. Der Hund sei ihm gefolgt und ohne Weiteres zum treuen Wächter seines Katzenfleischkarrens geworden, was sehr viel werth sei, da ihm sonst die Hunde, während er die einzelnen Portionen in die Häuser getragen, sehr viel Schaden gethan. Nun möchte er den Hund aus Liebe kaufen, wenn er nicht zu theuer sei.

Nun kannten wir auf einmal das Geschäft unseres Findlings und wußten, warum er so gut aussah und unsere Hausmannskost verachtete. Er speiste viel besser und nahrhafter, nämlich Katzen- d. h. Pferdefleisch. Die Katzenfleischer machen ihre Portionen fast ausschließlich aus Pferdefleisch zurecht. Und deshalb sehen Hunde und Katzen so wohlgenährt und gesund aus. Und so ist Pferdefleisch gewiß überhaupt ein gutes Nahrungsmittel und als solches endlich auch für Menschen aller gebildeten Völker mehr oder weniger anerkannt worden. Es verdient aber noch einen größeren Spielraum in unserer Wirthschaft.

Wir haben aus einem Buche des Franzosen Geoffroy St. Hilaire erfahren, daß eine große Menge Völker und Stämme in Asien ebenso regelmäßig Pferdefleisch essen, wie wir Rinder- oder Kalbsbraten, und dabei stärker sind als wir. Während der großen französischen Revolution bekamen die Pariser ein halbes Jahr lang blos Pferdefleisch zu essen und befanden sich sehr wohl dabei. Ein berühmter Lazaretharzt Lorrey verordnete den Kranken, die Fleisch essen durften, Pferdefleisch, wodurch eine ganze ansteckende Krankheit aus dem Lazarethe verschwunden sein soll.

Unzählige Beweise haben festgestellt, daß Pferdefleisch ebenso gut, gesund und nahrhaft ist, als das beste Rindfleisch. Aber ist es auch so wohlschmeckend? Auch darauf antwortet reichliche Erfahrung günstig. Viele Festessen von Pferdefleisch, gehalten in Deutschland und Frankreich, ergaben das beste Zeugniß für Suppen, Braten, Filets und Steaks von Pferden. Im Jahre 1841 bekam Pferdefleisch zuerst offenes Bürgerrecht als Verkaufs- und Nahrungsartikel in Ochsenhausen. Jetzt wird’s in ganz Würtemberg mehr oder weniger allgemein (und unter Polizeiaufsicht) verkauft. In Baden ist es seit 1846 überall zulässig. Ein Jahr später endeten ein paar Pferdefleischfestessen zu Karlsbad und Detmold mit entschiedenem Hippophagismus (d. h. Pferdefleisch-Appetit). In Zittau verspeist man jährlich eine große Anzahl von Pferden. Um es kurz zu machen, ist der Verkauf des Pferdefleisches als Nahrungsartikel für Menschen jetzt gebräuchlich in Oesterreich, Preußen, Sachsen, Hannover, Schweiz und Belgien. Die fünf Pferdeschlächtereien in Berlin haben sich während der letzten zehn Jahre mehr als verdoppelt und machen gute Geschäfte.

Diese Thatsachen sind schlagend und durchweg günstig. Ein großes Vorurtheil des Magens und der Gewohnheit ist wirklich überwunden worden und zwar durch die Tugenden der Nahrhaftigkeit und des rindfleischartigen Wohlgeschmacks gut gekochten oder gebratenen, nicht zu alten oder mageren Pferdefleisches. Pferdefleischsuppe ist sogar oft von Gutschmeckern der besten Rinder-Bouillon vorgezogen worden.

Freilich gute, gesunde Pferde sind lebendig kostbarer und nützlicher, als gebratene. Das ist richtig; aber die Pferdeschlächtereien bestehen, mehren sich und machen gute Geschäfte, so daß sie unmöglich mit Schaden arbeiten können. Das ist auch natürlich, da viele gute, gesunde, junge Pferde oft plötzlich als solche unbrauchbar werden. Früher holte sie der Schinder, jetzt macht man eine gute, gesunde, verhältnißmaßig wohlfeile Nahrung für Menschen davon. Pferde sind uns lieb vor unserm Wagen und werden uns nun auch immer nützlicher und angenehmer im Magen.

Sind wir so auf’s Pferd gekommen, kommen wir auch auf den Esel. Warum nicht auch Esel braten? Die Italiener und die Feinschmecker aller Nationen essen Salami gern und für hohe Preise. Salami aber ist Eselswurst. Ich sehe nicht ein, warum wir den Esel, wenn er einmal gut schmeckt, von Italienern erst in Gedärme packen lassen sollen, um ihn zu essen. Er schmeckt auch so. Mr. Lewes, der berühmte englische Physiolog, tractirte einmal mehrere Gäste mit einer geheimnißvollen gebratenen Keule. Es wurde davon heruntergeschnitten und herumgereicht. Allen schmeckte es, und Einige baten um eine neue Auflage. Die Keule aber war das Hinterviertel eines Esels. – Also immer heran mit dem Graurock und Langohr auf den Mittagstisch, wenn er sich im Leben nicht nützlicher machen kann. Man spart ihm damit zugleich ein armseliges, verachtetes Alter und manchen Schimpf und Schlag.

Der brave Esel verdient wenigstens, daß man sich seiner ebenso annehme, wie des Pferdes. So viele Hufthiere sterben plötzlich in Ausübung ihrer Pflicht: sie stürzen, zersprengen sich eine Ader u. s. w., erlahmen oder erblinden unheilbar, zeigen Laster, lebensgefährlich für den Menschen. Sie alle sind gute Nahrung für den Menschen und wohlfeile obendrein, so daß man gar nicht leicht in den Fall kommt, gute und theure Pferde oder Esel besonders zu schlachten. Irgendwie unbrauchbar gewordene Pferde oder Esel sollte man freilich, wenn’s irgend geht, vorher noch 6–8 Wochen gut füttern und mästen, um ihr Fleisch nicht nur zu vermehren, sondern auch wohlschmeckender und zarter zu machen. Auch ist es gut, wie bei allem Fleisch, es nicht zu frisch in den Kochtopf oder in die Bratpfanne zu bringen. Je kälter die Witterung, desto älter muß man das Fleisch vor dem Gebrauche werden lassen, um ihm Zeit zu chemischen Wandelungen zu geben, die Wohlgeschmack, Verdaulichkeit und Zartheit vermehren. Man läßt Wild „wild“ werden, warum nicht auch zahmes Fleisch? Nur darf’s selbstverständlich nicht zum wirklichen Anfaulen kommen.

Zum Pferd und Esel kommt nun wohl auch bald das schönste und feinste Hufthier als Bereicherung unserer Tafelfreuden, das Eland, die größte und fleischreichste aller Antilopen-Arten. Die Elands werden ziemlich so groß und schwer wie Kühe, haben aber ein viel zarteres, nahrhafteres, wildpretartiges Fleisch. In England haben verschiedene Aristokraten angefangen, Elands zu acclimatisiren, einzubürgern, wie dort überhaupt die großen, reichen, lordlichen Grundbesitzer alle andere Aristokratie in nützlicher, Beispiel gebender, volksthümlicher Thätigkeit übertreffen, namentlich in Einbürgerung fremdländischer Pflanzen, Früchte, Blumen, Bäume, Gemüse und Thiere.

Die Elands gedeihen in England sehr gut als Haus- oder vielmehr Packthiere. Im nördlichen Deutschland würden sie während des Winters besonderen Schutz bedürfen. Aber diesen gewähren wir ja auch unseren Schafen und Kühen. Wer von großen, gebildeten Grundbesitzern Deutschlands Unternehmungsgeist und Vervollkommnungstrieb hat, sollte mit Einbürgerung von Elands einen Versuch machen. Deutschland muß nicht warten, bis ihm Fortschritt im eigenen Interesse aufgezwungen wird, wenn alle Andern schon vorausgegangen sind, sonst folgen wir mit Reue dem hinkenden Boten.