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Pariser Bilder und Geschichten/Allerlei sonderbare Erwerbsquellen und Geschäfte

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Textdaten
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Autor: Ludwig Kalisch
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Titel: Pariser Bilder und Geschichten
Allerlei sonderbare Erwerbsquellen und Geschäfte
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 16, S. 258–260
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Pariser Bilder und Geschichten.


Allerlei sonderbare Erwerbsquellen und Geschäfte.


Von Ludwig Kalisch.


Tausende und aber Tausende sehen in Paris die Sonne untergehen, ohne zu wissen, wo sie ein Nachtlager finden werden; und Viele von denen die sich endlich eine Ruhestätte verschafft, wissen nicht, auf welche Weise sie beim Sonnenaufgang zu einem Frühstücke gelangen können. Der knurrende Magen will befriedigt sein und er läßt sich nur auf einige Stunden befriedigen. Wer arbeiten will und arbeiten kann, findet am Ende doch sein Brod; allein es giebt in Paris unzählige Leute, die zu träge, um ernstlich arbeiten zu wollen, doch ehrlich genug sind, um sich nicht mit der Justiz zu überwerfen. Diese erfinden sich einen Erwerb, der keine Anstrengung erfordert, der in müßiger Thätigkeit oder in thätigem Müßiggang besteht. Ich beginne mit der Erwähnung eines Erwerbszweiges, der im eigentlichen Sinne darin besteht, die Zeit todt zu schlagen.

Meine Leser wissen, daß man in Paris vor den Theatern Queue macht. Bei gewöhnlichen Vorstellungen, bei wenig beliebten Stücken bilden sich diese Queues ungefähr eine Stunde vor der Eröffnung des Hauses und sind eben nicht von beträchtlicher Länge. Findet aber die Vorstellung einer neuen Oper oder eines neuen Stückes von einem berühmten Autor statt, so bilden sich die Queues schon in den ersten Nachmittagsstunden und dehnen sich allmählich zu einer solch kometenartigen Länge aus, daß die Spätankommenden keine Hoffnung hegen dürfen, ihre Schaugier zu befriedigen; denn der Platz, den man im Queue einnimmt, wird als ein unverletzliches Recht von Jedermann geachtet, und wer Miene macht, seinen Vordermann zu verdrängen, wird sogleich durch den allgemeinen Ruf „A la Queue!“ genöthigt, auf seinem Platze zu verharren. Die ersten Reihen der Queues sind natürlich die beneidenswerthesten. Dieselben werden nun zum Theil von Individuen gebildet, die aus dem einfachsten Grunde von der Welt gar nicht daran denken, ihre hungrige Schaugierde im Theater zu befriedigen. Sie haben nämlich bei dem größten Ueberfluß an Zeit den allergrößten Mangel an Geld. Nun giebt es aber gar viele Leute, die mehr Geld als Zeit haben und erst kurz vor der Eröffnung des Theaters sich vor demselben einfinden. Sie wollen sich nicht an’s äußerste Ende der langen Queues stellen, oder unverrichteter Sache nach Hause gehen; sie sind daher froh, wenn ihnen einer der Lungerer, der bereits drei Stunden in den ersten Reihen der Queue steht, für Geld und gute Worte den Platz abtritt. Zuweilen verkauft ein solcher Pflastertreter zwei Queue-Plätze an einem und demselben Tage. Findet nämlich die Unterzeichnung auf eine Staats- oder Stadtanleihe, oder die Auszahlung von Coupons statt, so pflanzt er sich, noch bevor die rosenfingerige Eos den Osten küßt, vor der Thür des betreffenden Hauses auf und verkauft dann seinen Platz an den Ersten, Besten, den es drängt, seinen Namen auf das Anleihen zu zeichnen, oder seine Coupons in klingende Münze zu verwandeln. Diese queuemachenden Hungerleider bilden nicht selten eine kleine Societät, die den Gewinn mit einander theilt.

Sprechen wir jetzt von einer andern sonderbaren Erwerbsquelle! Es fehlt in Paris nicht an Damen, die mit der Tugend auf gespanntem Fuße leben und denen es nicht einfällt, sich mit derselben wieder auszusöhnen. Diese Töchter Eva’s besuchen gern die öffentlichen Belustigungsplätze. Nun giebt es aber unter diesen mehrere, in welche keine Dame ohne Begleiter zugelassen wird. Eine solche isolirte Dame wendet sich daher an irgend Jemand aus dem starken Geschlechte, der gegen ein angemessenes Honorar ihr den Arm giebt. Man nennt einen solchen Menschen einen „Cavalier de dames seules“. Diese Ritter ohne Furcht und voll Tadel bilden in Paris keine unbeträchtliche Zahl. –

Es giebt Leute in Paris, die von der Reclamenmacherei leben. Sie besitzen nämlich eine große Fertigkeit im Verfassen von Anzeigen aller Art. Diese Fertigkeit findet sich nicht so häufig, wie man glaubt; denn mit den schmetternden Trompetenstößen, mit dem betäubenden Paukengerassel und den grellen Tamtamschlägen allein ist es noch nicht abgethan. Der Reclamenmacher, der aufgesucht sein will, muß eine gefällige Harmonie in seine Janitscharenmusik bringen. Die Reclame muß pikant sein und das Publicum zum Lesen derselben aufmuntern. Sie muß auch kurz und bündig sein, da man sie sonst nicht durchlesen und ihre Veröffentlichung auch zu viel kosten würde. Ein gewandter Reclamenmacher verdient daher sehr erkleckliche Summen. Er macht seinen Preis und läßt im Bewußtsein seines Talentes nicht mit sich handeln. Léo Lespès, der unter dem Namen Timothée Trimm eine Reihe von Jahren tagtäglich dem Petit Journal einen Artikel lieferte und die außerordentliche Verbreitung dieses Blättchens verursachte, Léo Lespès war der gewandteste aller Reclamenfabrikanten. Finanzmänner, Industrielle, Speculanten aller Art wendeten sich an ihn und er forderte ein Honorar, daß gar Manchem von ihnen sich das Haar zu Berg sträubte. Allein er blieb unerbittlich. Es wurde ihm nicht selten eine Reclame mit tausend Franken bezahlt.

Die Zeugenschaft bildet in Paris ebenfalls einen Erwerbzweig. Auf den Mairien bedarf man jeden Augenblick, wie bei Anzeigen von Geburts- und Sterbefällen, zweier Zeugen. Es halten sich in der Nähe der zwanzig Pariser Mairien immer Individuen auf, welche gegen eine gewisse Gebühr die Zeugenschaft verrichten.

Auf dem Gebiete der dramatischen Literatur grünt in Paris auch gar Mancher Erwerbszweig, von dem sich die deutsche Philosophie nichts träumen läßt. So giebt es hier Leute, die ein glückliches Sujet für ein Theaterstück besitzen, aber weder Zeit noch Lust, weder Talent noch Verbindungen haben, um ein Stück zu Stande und auf die Bühne zu bringen. Sie verkaufen daher dieses Sujet, das Rohmaterial, an einen bühnengewandten Schriftsteller, der es, je nach Umständen, zu einem komischen oder tragischen Werke verarbeitet. Häufiger werden die schon angearbeiteten dramatischen Rohmaterialien, die sogenannten „Scenarios“ verkauft. Dieses Wort, welchem das Wörterbuch der französischen Akademie kein Obdach verliehen, bezeichnet den ausführlichen scenischen Entwurf eines dramatischen Werkes. Die Exposition, die Schürzung und Lösung des Knotens sind genau angegeben; es fehlt nur noch die Hauptsache, der Dialog. Wer nun einen lebhaften Dialog zu schreiben weiß, aber keinen Erfindungsgeist besitzt, kauft das Scenario, versieht es mit dem nöthigen Füllsel und sucht es auf die Bretter zu bringen, welche, wie man behauptet, die Welt bedeuten. Der Besitzer eines guten Scenarios ist immer sicher, dasselbe an den Mann zu bringen. Ist es ihm nicht blos um das Geld zu thun, will er auch etwas Lorbeerduft einathmen, so verbindet er sich mit einem dramatischen Schriftsteller und hat dann die Genugthuung, neben dem Namen desselben seinen eigenen Namen auf dem Theaterzettel zu sehen. Man sieht, daß wie in den Fabriken auch bei den dramatischen Hervorbringungen eine Theilung der Arbeit stattfindet. Solche dramatische Musenkinder, die sich zweier oder gar dreier Väter erfreuen, sind nicht nur nicht selten, sondern bilden sogar die große Mehrheit unter [259] den Pariser Bühenerzeugnissen, und wenn ihnen diese doppelte und dreifache Vaterschaft auch nicht den Erfolg sichert, so verhindert sie denselben keineswegs, wie das Repertoire aller europäischen Schaubühnen hinlänglich beweist.

Geschieht es nun, daß sich ein Verkäufer des Sujets oder des Scenarios mit dem Geldpreise begnügt und bescheiden in der Anonymität bleibt, so sieht man nicht selten auf dem Theaterzettel den Namen eines Mitautors, der zur Vaterschaft des Stückes nicht mehr beigetragen als der Lampenputzer, der nach dem Schlusse desselben im Tempel der Thalia die ägyptische Finsterniß verbreitet. Wie ist dies zu erklären? Ganz einfach dadurch, daß es in Paris Leute giebt, die sich nicht damit begnügen, von Renten leben zu können, sondern auch nach Ehre und Ruhm geizen. Ein solcher reicher, von chronischem Unsterblichkeitskitzel gequälter Mann wendet sich an einen dramatischen Schriftsteller und erwirkt gegen eine bestimmte Summe das Recht, als Mitverfasser eines von dessen Stücken genannt zu werden und den Erfolg mit ihm zu theilen. Wenn aber das Stück durchfällt? So hält ihn die Niederlage durchaus nicht ab, die Coupons ferner abzuschneiden und wie der wirkliche Autor auf das Publicum als auf ein vielköpfiges Ungeheuer zu schimpfen, das kein wahres Kunstwerk zu schätzen wisse, oder über Intriguen zu klagen, welche das Fiasco herbeigeführt. Jedenfalls genießt er die Befriedigung, seinen Namen in den Blättern zu lesen und seine Mitarbeiterschaft von seinen näheren Bekannten weniger bezweifelt zu sehen, als wenn das Stück mit Beifall aufgenommen worden wäre.

Ich brauche nicht erst besonders zu bemerken, daß es eben so selten Talente unter den Millionären giebt, wie Millionäre unter den Talenten; merkwürdig ist es aber, daß die reichen Leute, die gewöhnlich mit einem gewissen Mitleiden auf die Talente herabsehen, doch selbst als Talente gelten möchten. Es giebt Rentner, die sich als Maler, Andere, die sich als Musiker, wiederum Andere, die sich als Schriftsteller einen Namen erwerben wollen. Sie lassen sich ihr Farbengeklecks von einem befreundeten Maler, ihre Arien von einem Tonkünstler, ihre Verse mit den verwachsenen Füßen von einem Dichter ausbessern, und ihre Namen prangen dann in den Katalogen der Kunstausstellungen, auf Concertprogrammen und in Gedichtsammlungen. Ich kenne einen Millionär, der die Musen liebt, ohne von ihnen geliebt zu werden, und da sie bei ihm nicht freiwillig einkehren, so zieht er sie bei den Haaren herbei. Er ist nicht damit zufrieden, sein Clavier vom frühen Morgen bis spät am Abend so zu quälen, daß es vor Schmerz und Zorn ein Zetergeschrei erhebt und die Ohren der Nachbarschaft zerfleischt, er will auch als Operncomponist mit Meyerbeer um die Palme ringen. Da nun kein Theaterdirector sich dazu verstehen mag, die Werke des reichen Musenliebhabers in Scene zu setzen, so bezahlt dieser außer den beträchtlichen Kosten der Aufführung noch obendrein dem Director und der Claque eine bedeutende Summe und hat dann das Vergnügen, mit dem einfältigen Kinde seiner musikalischen Laune das Publicum einen oder zwei Tage gähnen zu machen.

Ich kenne einen Andern, der an der Börse ein großes Vermögen erworben und jetzt in seiner Zurückgezogenheit durchaus als Gelehrter gelten will. Er giebt jungen Gelehrten große Diners, läßt sich von Einigen derselben die Notizen sammeln, von den Anderen die einzelnen Capitel ausarbeiten und schickt unter seinem Namen das zusammengestoppelte Buch in die Welt. Es fehlt dann auch nicht an Recensenten, welche sich die Straßburger Gänseleberpasteten, die getrüffelten Feldhühner, den Château Laffitte und die Havannacigarren vortrefflich schmecken lassen und aus Dankbarkeit das Werk loben, das nicht seinen Meister lobt.

„Namen thun nichts zur Sache“, sagt das deutsche Sprüchwort. Das deutsche Sprüchwort sagt aber auch: „Jedes Kind muß einen Namen haben“. Nun giebt es aber Kinder, die durch gewisse Umstände verhindert sind, den Namen ihres Vaters zu tragen. Man wendet sich in einem solchen kritischen Falle, besonders wenn er sich in angesehenen Familien ereignet, an irgend Jemanden, der einen stolzen Namen trägt und sich gegen eine erkleckliche Summe dazu versteht, ihn dem Neugeborenen zu geben. Ein unter dem zweiten Empire viel genannter Staatsmann hat einen solchen Namen getragen. Es kommt auch wohl vor, daß eine Dame in die Lage kommt, sich in aller Eile zu verheirathen. Man wendet sich dann an einen hochbetagten Mann, der niemals ein Ehejoch getragen, und er läßt sich gegen eine mehr oder minder bedeutende Geldsumme verheirathen. Er sieht seine Zukünftige, der er seinen Namen giebt, nur einmal, um sie niemals wiederzusehen; oder man weiß es so einzurichten, daß er sie auch nicht ein einziges Mal sieht. Ist er rücksichtsvoll genug, schnell das Zeitliche zu segnen, so tritt seine Wittwe zum zweiten Male in die Ehe, diesmal aber alles Ernstes und ohne erst den Gatten ein züchtig Jahr zu betrauern.

Steigen wir nun in die alleruntersten Schichten der Gesellschaft, wo auch häufig sehr sonderbare Geschäfte gemacht werden.

Jedermann weiß, daß es in Paris Lumpensammler giebt, die während der Nacht, mit einer Butte auf dem Rücken, mit einer kleinen Laterne in der Linken und einem Haken in der Rechten, die Straßen durchwandeln und aus jedem Kehrichthaufen mit geübter Hand das Brauchbare an den Haken spießen und in die Butte werfen. Unter diesen Chiffonniers sind nicht nur beide Geschlechter, sondern auch jedes Alter vertreten; doch sind sie nicht Alle an Intelligenz und Manieren gleich. Es giebt unter ihnen Individuen, die sich in den Vierteln, wo sie des Nachts ihr Sammlertalent ausüben, so beliebt zu machen wissen, daß das Hausgesinde ihnen den Abhub aufbewahrt. In reicheren Stadtvierteln hat natürlich auch der Kehricht vor der Thür mehr Werth und der Gewinn des Chiffonniers ist dort bedeutender. Will nun ein solch aristokratischer Chiffonnier sich zur Ruhe setzen oder in einem anderen Stadttheile sein nächtliches Gewerbe ausüben, so verkauft er seinen Fonds an einen andern Lumpensammler, den er als einen schätzbaren Nachfolger mit warmen Empfehlungen ausstattet.

Die Individuen, welche sich durch Begünstigung das Recht erworben, vor den Kirchen die Wagen der Ankommenden zu öffnen, haben sich auch nicht zu beklagen. Bei Hochzeits-, Geburts- und Sterbefällen, an Sonn- und Feiertagen fehlt es nicht an Gästen und Andächtigen, die in glänzenden Equipagen anlangen und dem Oeffner des Kutschenschlages ein Trinkgeld verabreichen. Das Individuum, das in der Kirche dem Eintretenden den Weihwedel überreicht, leistet diesen unverlangten Dienst ebenfalls nicht umsonst und gewinnt sein reichliches Auskommen; wie denn überhaupt Alles, was zu dem Kirchenwesen in Beziehung steht, nichts um Gottes willen zu thun pflegt. Auch diese Leute verkaufen nicht selten ihre Stellen, sobald sie ihr Schäfchen im Trocknen haben.

Ich muß noch einer sonderbaren Erwerbsquelle erwähnen, derjenigen der sogenannten „Compères“ oder Helfershelfer. Es giebt in Paris gewisse Geschäfte und Thätigkeiten, die der Compères durchaus nicht entrathen können. Der Compère ist ein schützender Genius, der vor Gefahren warnt. Wenn nämlich Einer seine Waaren auf der Straße feil bietet, wo der Verkauf nicht gestattet ist, oder wenn er solche Waaren feil bietet, welche die Sittlichkeit beleidigen, so ist er fortwährend ausgesetzt, von den Dienern der öffentlichen Sicherheit ertappt und der strengen Themis überliefert zu werden. Ein Compère hält sich deshalb in der Nähe, und sobald sein geübtes Auge einen Polizeiagenten in Uniform oder in Civilkleidern entdeckt, giebt er ein Zeichen, worauf sein Patron sich rasch entfernt, um an einer anderen Stelle seine Waaren an den Mann zu bringen.

Bei schöner Witterung, wenn die Pariser Straßen und Plätze sehr belebt sind, sieht man unzählige Individuen, gewöhnlich junge Leute, die mit einem großen Aufwand von Beredsamkeit allerlei Tand zu einem in der That spottbilligen Preise feilbieten. Uhrketten, Halsketten, Spangen, Ringe und Ohrringe blitzen und glitzern in ihren Händen. Von den Vorübergehenden bleiben manche stehen, bilden einen Kreis um den Verkäufer, bewundern den Glanz seiner Waare und sein oratorisches Talent, das er in seinem „Boniment“ entfaltet. Dieses rothwälsche Wort bezeichnet die hochtrabenden geschwollenen Phrasen, mit welchen ein Quacksalber oder Marktschreier seine Kunst und seinen Kram anpreist. Das Boniment verräth nicht selten mehr Geist und Witz, mehr Phantasie und Humor als die Rede manches Deputirten. Aber was hilft das Boniment, wenn Niemand in den Seckel greift? Da tritt endlich Jemand aus dem Kreise, betrachtet und mustert einige Augenblicke mit stillem Wohlgefallen einen der Gegenstände, bezahlt den Preis dafür und geht bescheiden und schweigend von dannen. Dieser [260] Kunde war ein Compère, der die Kauflust des Publicums anregen wollte. Die Kunst des Compère besteht natürlich darin, seine Rolle nicht zu verrathen. Wer aber das Pariser Straßenleben kennt, weiß den harmlosen Kunden von dem Compère leicht zu unterscheiden.

Es giebt in Paris Leute, die ein Gewerbe aus ihrer Liebenswürdigkeit machen. Sie sind von jedem politischen, literarischen und artistischen Klatsch unterrichtet und wissen vortrefflich zu erzählen. Man sieht sie daher gern bei Tische, und sie leben von der Gastfreundschaft. Diese Leute gehören indessen zur zahlreichen Classe der Schmarotzer, von denen ich ein anderes Mal die Leser der Gartenlaube zu unterhalten gedenke.