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Organisches Edict vom 31. Aug. 1808, die Aufhebung der Leibeigenschaft betreffend

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Textdaten
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Autor: Maximilian I. Joseph (Bayern)
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Titel: Organisches Edict vom 31. Aug. 1808, die Aufhebung der Leibeigenschaft betreffend
Untertitel:
aus: Die Constitutionen der europäischen Staaten seit den letzten 25 Jahren, Band 2, S. 180–182
Herausgeber: Karl Heinrich Ludwig Pölitz
Auflage:
Entstehungsdatum: 1808
Erscheinungsdatum: 1817
Verlag: F. A. Brockhaus
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Erscheinungsort: Leipzig und Altenburg
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[180]
f) Organisches Edict vom 31. Aug. 1808, die Aufhebung der Leibeigenschaft betreffend.

Wir Maximilian Joseph, von Gottes Gnaden König von Bayern.

Durch die Unserm Reiche gegebene Constitution I. Tit. §. 3. haben Wir die Leibeigenschaft, wo sie noch besteht, für aufgehoben erklärt.

Um über die Anwendung dieser constitutionellen Verordnung alle möglichen Streitigkeiten und Anstände zu beseitigen, und die Wirkungen der Leibeigenschaft, welche dadurch aufgelöst werden, genauer zu bezeichnen, treffen Wir nachfolgende nähere Bestimmungen:

§. 1. Unter der Leibeigenschaft, welche durch die Constitution aufgehoben ist, wird das Verhältniß verstanden, nach welchem der Unterthan seinem Herrn auf solche Weise dienstbar und unterwürfig war, daß ihm und seinen Kindern entweder kein, oder nur ein sehr beschränktes Recht über ihren Stand und Erwerb zustand.

§. 2. Durch die constitutionelle Aufhebung dieses Verhältnisses werden nicht nur alle Gesetze, welche diesen Zustand bisher noch zugelassen haben, und die Leibeigenschaftsverträge, [181] wo sie noch bestanden haben, aufgehoben, sondern auch die Bestimmung gegeben, daß auch in der Folge Niemand, weder durch Vertrag, noch durch Geburt, noch durch Verjährung das Recht der Leibherrschaft über einen Unterthan erwerben, noch auch Jemand sich in den Stand der Leibeigenschaft begeben könne.

§. 3. Die Auflösung dieses Bandes tritt nicht blos bei der persönlichen Leibeigenschaft ein, sondern sie erstreckt sich auch auf die Leibeigenschaft, welche mit dem Besitze eines Gutes verbunden ist, und daher von vermischter Natur angesehen wird.

§. 4. In dem ersten Falle der blos persönlichen Leibeigenschaft hören alle Wirkungen derselben, sie mögen in Diensten, Abgaben, oder in andern Verbindlichkeiten bestehen, ohne Unterschied und ohne Entschädigung auf, und der Leibeigene tritt aus dem bisherigen Unterthänigkeitsverhältnisse gegen seinen Herrn in den freien, bürgerlichen Zustand, mit Unterordnung unter die Gesetze, über.

§. 5. Mit dieser Veränderung erlöschen daher von Seiten des Leibeigenen aller Dienstzwang, die Entrichtung des Leibzinses, das Mortuarium, die Abzugs- und andere ähnliche Gebühren, er kann von seinem vorigen Leibherrn nicht mehr veräußert oder avocirt werden; seine Standesveränderung hängt nicht mehr von dessen Bewilligung ab; dagegen hören auch von Seiten des Leibherrn alle Verbindlichkeiten auf, welche derselbe gegen den Leibeigenen nach Gesetzen oder Herkommen getragen hat.

§. 6. Ist die Leibeigenschaft mit dem Besitze eines Gutes verbunden; so sind die Verbindlichkeiten, welche aus der Leibeigenschaft fließen, von denen, welche auf dem Gute haften und sonst dem Gesetze nicht widersprechen, zu unterscheiden.

§. 7. Sind diese Verbindlichkeiten schon durch Gesetz, Vertrag oder Herkommen ausgeschieden, und steht die Leibeigenschaft mit dem Besitze des Gutes blos in zufälliger Verbindung, so daß der Leibeigene besondere Verbindlichkeiten in dieser Eigenschaft zu leisten, und andre Dienste und Abgaben von dem Gute zu entrichten hat; so werden jene Verbindlichkeiten aufgelöst, die Grundprästationen aber [182] werden in Folge des I. Tit. §. 5. der Constitution, welche die grundherrlichen Rechte garantirt, nicht verändert.

§. 8. Wenn aber diese Lasten nicht durch eine bestimmte Norm unterschieden sind, und die Prästationen des Leibeigenen mit dem Besitze des Gutes selbst in unzertrennbarer Verbindung stehen; so wird zwar dem Leibeigenen ebenfalls seine Freiheit wieder gegeben, sein Verhältniß gegen den Grundherrn muß aber nach den Gesetzen über das nutzbare Eigenthum gerichtet werden.

Dem Gutsherrn stehen über die freigelassene Person ferner keine andere Rechte zu, als welche die Gesetze den Grundherrn rücksichtlich der Hintersassen, einräumen; – er verliert die Ansprüche an seine Verlassenschaft oder das Mortuarium, die Abzuggelder bei der Verheirathung des Grundholden, und andere gleichartige Abgaben.

§. 9. Dagegen verbleibt ihm das dominium directum, – die jährlichen Abgaben nehmen die Natur und den Namen einer jährlichen Grundabgabe oder Canon an, – die bedungenen Dienste werden wie andre Gild- oder Grundfrohnen beurtheilt, und unterliegen gleichen Bestimmungen; – und dürfen die Güter, welche bisher kein Laudemium, Handlohn, Lehenreich, Antrittgebühr, oder ähnliche Leistungen entrichtet haben, in Zukunft nicht damit beschwert werden.

§. 10. Da das in verschiedenen Provinzen Unsers Reiches noch bestehende Recht oder Herkommen, nach welchem die Unterthanen oder ihre Kinder auf gewisse Zeit den Grund- oder Gerichtsherrn zu dienen angehalten werden, nur eine Art von Leibeigenschaft ist; so soll mit der Leibeigenschaft auch dieser Gesinde-Dienstzwang überall ohne Entschädigung aufgehoben seyn, und keine persönliche Dienstbarkeit dieser Art in Unserm Königreiche mehr gesetzlichen Schutz finden.

München, den 31. August 1808.

Max. Joseph.

Freih. v. Montgelas.

Gr. Morawitzky.

Freih. v. Hompesch.