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Oberlandesgericht München – Winterdienst 2

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Oberlandesgericht München
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Titel: Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichts München vom 28. September 1888
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aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1888, Nr. 38, Seite 424–425
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Kurzbeschreibung: Der Winterdienst ist für das komplette Anwesen zu leisten
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Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichts München vom 28. September 1888
in der Sache gegen Alois J. von A. wegen Uebertretung in Bezug auf die Straßenpolizei.

Nach §. 24 der vom Stadtmagistrat A. zu §. 366 Nr. 10 des St.-G.-B. unter dem 20. November 1879 erlassenen ortspolizeilichen Vorschriften ist bei eintretendem Thauwetter das Eis und der Schnee von der Fahrbahn der Straße sogleich aufzuhauen und die Straße gründlich zu reinigen.

Diese Verpflichtung trifft gemäß §. 25 der ortspolizeilichen Vorschriften die Eigentümer, eventuell Besitzer der an die Straßen oder Plätze angrenzenden Anwesen auf die in der Länge des Anwesens hinziehende und bis zur Mitte der Straße reichende Fläche.

Der Angeklagte ist Eigenthümer des Wohnhauses Pl.-Nr. 391 in A., welches auf einem dem Apotheker H. daselbst gehörigen Kellerbau aufgebaut ist. Dieser Kellerbau grenzt an die Dalbergstraße und erhebt sich über dem Niveau dieser Straße bis zu fünf Meter. – Das Haus des Angeklagten nimmt auf der Seite gegen die Dalbergstraße nur die Hälfte der Länge des Kellerbaues ein, und auf dem nicht überbauten Theil des letzteren führt ein Weg von der Pfaffengasse her zum Eingange in das Haus des Angeklagten. Gegen die Dalbergstraße steht die Hausnummer um 30 Centimeter gegen die Mauer des Kellerbaues zurück.

Auf Grund dieser und der weiteren Feststellung, daß der Angeklagte trotz mehrfacher polizeilicher Aufforderung bei dem am 8. Januar l. Js. eingetretenen Thauwetter das Trottoir vor seinem an die Dalbergstraße angrenzenden Wohnhause von Eis und Schnee nicht gereinigt hat, wurde von der Strafkammer die Berufung des Angeklagten gegen das ihn wegen einer Uebertretung nach §. 366 Nr. 10 des St.-G.-B. zu Strafe verurtheilende schöffengerichtliche Urtheil verworfen.

Die hiegegen eingelegte Revision ist nicht begründet.

Es läßt sich zwar nicht rechtfertigen, mit den Vorinstanzen anzunehmen, daß unter „Anwesen“ im Sinne der ortspolizeilichen Vorschrift [425] vom 20. November 1879 nur der Oberbau, nicht aber der darunter befindliche Keller zu verstehen sei. Denn das Haus und der Keller sowie der Grund und Boden, auf welchen jene aufgebaut, sind körperlich und wesentlich zusammenhängend, äußerlich und thatsächlich integrirende Bestandtheile eines Ganzen, welche während ihrer Verbindung nicht als selbstständige Sachen erscheinen, über welche den mehreren Berechtigten unbedingte und vollständige Verfügungsgewalt zusteht, sondern es kommen nur Mehreren an dem Ganzen civilrechtlich verschiedene Berechtigungen zu.

Diese civilrechtlichen gegenseitigen Berechtigungen an den einzelnen Theilen des Ganzen treten aber gegenüber der von der Polizei bezüglich des Ganzen getroffenen Anordnung vollkommen zurück und es stehen die nach Theilen verschieden Berechtigten der anordnenden Polizeigewalt als gleich Verpflichtete gegenüber, so daß jeder derselben zur Beobachtung der das Ganze treffenden Anordnung verpflichtet ist. Der Keller und das weiter auf demselben Aufgebaute ist ein an der Dalbergstraße gelegenes Anwesen, bezüglich dessen die Anordnungen des §. 24 der ortspolizeilichen Vorschriften jeden Eigentümer oder Besitzer treffen, und es hat jeder der Eigenthümer oder Besitzer bei einem Unterlassungsdelikte, wie ein solches hier vorliegt, die durch die Unterlassung herbeigeführte Folge ganz zu vertreten, so daß also auch der Angeklagte als Eigenthümer eines integrirenden Bestandtheils des ganzen Gebäudes Pl.-Nr. 391 für die Unterlassung der Reinigung der angrenzenden Straße von Schnee und Eis strafrechtlich verantwortlich ist.