Oberlandesgericht München – Weinausschank
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in der Sache gegen den Bäcker H. K. in Neustadt a/H. wegen unerlaubten Wirthschaftsbetriebes.
Der Angeklagte H. K., Bäcker in Neustadt a/H., bebaut und erntet außer seinem eigenen ungefähr 80 Dezimalen umfassenden Wingert in Neustadt den 63 Dezimalen großen Wingert seiner Schwiegermutter, welche mit ihm und seiner Familie in Vermögens- und Familien-Gemeinschaft lebt. Die Strafkammer erklärte, daß der Ausschank des aus diesen Wingerten gezogenen Weines als zweifellos eigenen Erzeugnisses durch H. K. einer polizeilichen Erlaubniß nicht bedürfe, und verwarf deßhalb die Berufung des Amtsanwaltes gegen das schöffengerichtliche Urtheil, durch welches H. K. von der Anklage, am und vor dem 15. Oktober vorigen Jahres ohne polizeiliche Erlaubniß eine Schankwirthschaft betrieben zu haben, freigesprochen wurde, indem sie zugleich als nicht erwiesen annahm, daß der Angeklagte anderen Wein, als den von seinem Neustadter Gewächs, verzapft habe.
Die vom Staatsanwalte gegen dieses Urtheil eingelegte Revision, in welcher unrichtige Anwendung des Art. 9 lit. b Ziff. 1 des Gewerbegesetzes vom 30. Januar 1868 behauptet wird, erscheint nicht begründet.
Nach Art. 9 lit. b Ziff. 1 des bayerischen Gesetzes vom 30. Januar 1868, das Gewerbswesen betreffend, ist der Ausschank des eigenen Erzeugnisses den Bräuern in einem hiefür bezeichneten Lokale und auf ihren Lagerkellern, desgleichen nach Maßgabe des örtlichen Herkommens und der ortspolizeilichen Vorschriften den schänkberechtigten Communbräuern und Weinbauern gestattet. Daß diese Bestimmung auch nach Einführung der Reichsgewerbeordnung durch §. 1 Abs. 2 des Reichsgesetzes vom 12. Juni 1872, betreffend die Einführung der Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes vom 21. Juni 1869 in Bayern etc. etc., wonach es, insoweit bisher in Bayern der Ausschank der eigenen Erzeugnisse an Getränken ohne polizeiliche Erlaubniß statthaft war, einer solchen auch in der Folge nicht bedarf, aufrecht erhalten, und von der Vorschrift des Art. 3 Abs. 2 des Reichsgesetzes vom 23. Juli 1879, betreffend die Abänderung einiger Bestimmungen der Gewerbeordnung nicht betroffen wurde, ist unbestritten.
Hat aber in der Pfalz der Weinbauer das Recht, sein eigenes Erzeugniß auszuschänken, so hat die Strafkammer gegenüber den festgestellten Thatsachen, welche bezüglich ihrer Richtigkeit in der Revisionsinstanz nicht nachgeprüft werden können, die Bestimmung [178] des Art. 9 lit. b Ziff. 1 des bayer. Gesetzes vom 30. Januar 1868 richtig angewendet.
Das Gesetz hat nicht erörtert, was unter der Bezeichnung „Weinbauer“ verstanden sein wollte, es wird deshalb nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauche angenommen werden müssen, daß Weinbauer Jedermann sei, welcher Wein baut und erntet. Hiebei kann es nicht darauf ankommen, ob der Weinbergbesitzer in seinen Weingärten persönlich alle Handarbeiten verrichtet, da Grundbesitzern nicht geboten ist, solche Leistungen nur durch eigene Hände zu bethätigen. Es ist demnach ohne Bedeutung, wenn der Angeklagte, wie in der Revision entgegen der getroffenen Feststellung behauptet wird, seinen Wingert durch fremde Hände bestellen ließe.
Der Umstand, daß der Angeklagte eine Bäckerei treibt, ist gleichfalls nicht angethan, ihn der in Art. 9 lit. b Ziff. 1 des Gesetzes vom 30. Januar 1868 eingeräumten Befugniß verlustig zu machen, weil dieses Gesetz die Ausschanksbefugniß nicht davon abhängig macht, daß die betreffende Person den, einen Theil der Landwirthschaft bildenden, Weinbau ausschließlich betreibe, sondern nur davon, daß es eigenes Erzeugniß sei, auch nicht abzusehen wäre, warum für Denjenigen der Gesichtspunkt des landwirtschaftlichen Nebengewerbes in Wegfall kommen sollte, der außer Landwirthschaft ein konzessionirtes Gewerbe treibt, während doch die in Frage stehende Vergünstigung bezielt, Jedem, der Wein baut und erntet, ohne Rücksicht auf die Größe des bebauten Objektes die Verwerthung des eigenen Erzeugnisses mittelst Ausschankes zu ermöglichen.
Die Strafkammer hat aber auch nicht, wie in der Revision behauptet wird, den Begriff des „eigenen Erzeugnisses“ unrichtig aufgefaßt, denn das Gesetz unterscheidet nicht, ob der Grund und Boden, auf welchem Wein gebaut und geerntet wird, dem Weinbauer eigenthümlich gehöre oder ob ihm derselbe nur zum Gebrauch und zur Nutzung überlassen sei, und nach der dahin getroffenen Feststellung, daß der Angeklagte den 63 Dezimalen großen Wingert seiner mit ihm und seiner Familie in Vermögens- und Familiengemeinschaft lebenden Schwiegermutter bebaut und erntet, ist dieser Wingert ihm zur Nutzung überlassen und in Folge dessen der daraus produzirte Wein ein durch die Thätigkeit des Angeklagten gewonnenes eigenes Erzeugniß. Für Veurtheilung der vorliegenden Frage hat aber die Verwerthung des vom Angeklagten aus Weinbergen in Edenkoben bezogenen Weines außer Betracht zu bleiben, da als Ergebniß der Beweisaufnahme feststeht, daß der Angklagte anderen Wein als den von seinem eigenen Neustadter Gewächs nicht verzapft hat, eine Entscheidung, welche angesichts des §. 376 mit §. 260 der Straf-Prozeß-Ordnung mit Revision nicht angegriffen werden kann.