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Oberlandesgericht München – Versuch einer Mehl-Aufschlags-Defraudation

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Textdaten
Autor: Oberlandesgericht München
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Titel: Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichts München vom 30. Dezember 1884
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aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1885, Nr. 4, Seite 38–40
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Kurzbeschreibung: Der Versuch, sich durch unrichtige Deklaration von Waren unberechtigte Rückvergütungen zu verschaffen, ist strafbar
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Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichts München vom 30. Dezember 1884.

Die Stadtgemeinde Forchheim erhebt nach Maßgabe der auf Grund der Art. 40 und 41 der Gemeindeordnung vom 29. April 1869 und der k. Verordnung vom 27. November 1875 (Gesetz- und Verordnungs-Blatt S. 690) vom Magistrat dieser Stadt erlassenen Getreide- und Mehl-Aufschlags-Ordnung vom 30. Januar 1883 und der am 5. April des nämlichen Jahres öffentlich bekannt gemachten ortspolizeilichen Vorschriften hierzu von dem in Forchheim eingeführten Mehl und von dem nicht zur Malzbereitung bestimmten Getreide einen Lokalaufschlag, dessen Rückvergütung bei der Wiederausfuhr des Getreides oder Mehles in der in der Aufschlagsordnung vom 30. Januar 1883 und den erwähnten ortspolizeilichen Vorschriften bezeichneten Weise stattfindet. In letzterer Beziehung ist im §. 13 der ortspolizeilichen Vorschriften bestimmt, daß Derjenige, der veraufschlagtes Getreide oder Mehl mit Anspruch auf Rückvergütung ausführen will, beim Passiren der Thorstation dem Thorwärter die vorgeschriebene Ausfuhrdeklaration zur Kontrole zu übergeben hat, welche Deklaration unter Anderem die Angabe der Gattung und Qualität der zu versendenden Waare nach Maß und Gewicht und nach der Zahl der Säcke enthalten muß. Für ausgeführtes Futtermehl wird aber nach §. 5 der gedachten Aufschlagsordnung keine Rückvergütung geleistet. Nach §. 16 der ortspolizeilichen Vorschriften wird gemäß Art. 41 Abs. 3 der Gemeindeordnung eine Zuwiderhandlung gegen die Kontrolvorschriften mit Geld bis zu 18 ℳ., die rechtswidrige Entziehung oder Verkürzung der Gefälle aber, soferne dieselbe den Betrag von 4 ℳ. 50 ₰, nicht übersteigt, mit Geldstrafe bis zu 45 Mark, bei höheren Beträgen mit Geld bis zum zehnfachen, im Rückfall bis zum zwanzigfachen Betrage des entzogenen Gefälls bestraft.

Der Angeklagte ließ nun am 9. April dieses Jahres mittels einer von ihm unterschriebenen Ausfuhrdeklaration beim Thorwärter [39] in Forchheim 21 nach Neukirchen bestimmte Säcke Mehl zum Zwecke der Rückvergütung des Lokalaufschlags durch seinen Knecht anmelden, unter denen sich jedoch zwei Sacke befanden, die Futtermehl, nämlich Mehl, welches zur menschlichen Nahrung nicht geeignet ist, enthielten und deshalb vom Thorwärter beanstandet wurden. Für dieses Futtermehl wurde auch vom Stadtmagistrat Forchheim die Aufschlags-Rückvergütung zu 72 ₰ verweigert. Daraufhin hat das Berufungsgericht in Uebereinstimmung mit dem Schöffengericht den Angeklagten einer Aufschlagshinterziehung nach Art. 41 Abs. 3 der Gemeindeordnung in Verbindung mit §. 5 der vorbezeichneten Getreide- und Mehl-Aufschlagsordnung und mit §§. 13 und 16 der hierzu erlassenen ortspolizeilichen Vorschriften, verübt mittels der erwähnten Ausfuhrdeklaration durch Beanspruchung einer ihm nicht gebührenden Aufschlagsrückvergütung für zwei Säcke Mehl, welche Futtermehl enthielten, schuldig erklärt, und dessen Berufung gegen seine in erster Instanz erfolgte Verurtheilung zu einer Geldstrafe von 20 ℳ. verworfen.

Der von dem Angeklagten in der Revision erhobene Einwand, daß, nachdem für die zwei Säcke Futtermehl eine Rückvergütung nicht geleistet wurde, jedenfalls nur der Versuch einer Übertretung und daher, da dieser nicht strafbar sei, eine Verletzung des §. 43 des Strafgesetzbuches vorliege, ist unbegründet. Die im Art. 41 Abs. 3 der Gemeindeordnung im Gegensatz zu der blosen Nichtbeachtung der ortspolizeilichen zur Kontrole und Sicherung der treffenden Gefälle erlassenen Vorschriften erwähnten Angriffe gegen die neben dem im Art. 41 Abs. 6 behandelten Lokal-, Malz- und Bieraufschlag bestehenden Aufschlaggefälle, welche Angriffe daselbst „Entziehung“ oder „Verkürzung“ des Aufschlags genannt werden, sind Defraudationen, als welche sie auch bei den Verhandlungen über den Entwurf der Gemeindeordnung bezeichnet wurden. (Verh. der Kammer der Abgeordneten von 1866/69 Ausschußverhandlungen Abthl. I Beil.-Bd. S. 119.) Deren Strafbarkeit beruht nicht auf der Zufügung eines Vermögensschadens, sondern darauf, daß gegen die Berechtigung zur Gefällerhebung und damit gegen das treffende Gefäll selbst direkt ein Angriff stattfindet, welcher eine effektive Entziehung oder Verkürzung des Gefälles bewirkt, wenn nicht der Angriff rechtzeitig entdeckt und dadurch eine Vermögensbeeinträchtigung abgewendet wird. Der Thatbestand der Hinterziehung ist daher nicht durch den Eintritt einer durch sie verursachten Vermögensbenachtheiligung bedingt, die Hinterziehung liegt schon dann vor, wenn der Thäter den Angriff gegen das Gefäll ausgeführt hat, mag auch der Angriff den Erfolg, den er bezielte, nicht gehabt haben. Eine Defraudation wird mithin, insoferne sie durch eine zum Zweck der Erlangung einer Aufschlagsrückvergütung abgegebene unrichtige Ausfuhrdeklaration [40] verübt wird, schon durch die Abgabe der unrichtigen Deklaration begangen, wie dies in den Art. 77 und 85 des revidirten Malzaufschlagsgesetzes und in Art. 51 des Branntweinaufschlagsgesetzes anerkannt ist, da mit der Abgabe der Deklaration der Thäter Alles gethan hat, was seinerseits zur Verübung der Hinterziehung zu geschehen hatte. Hiernach fällt aber dem Angeklagten, wenn er auch für die mehrerwähnten zwei Säcke Mehl eine Aufschlagsrückvergütung nicht bezahlt, erhielt, gleichwohl eine Hinterziehung nach Art. 41 Abs. 3 der Gemeindeordnung zur Last. Würde nicht entdeckt worden sein, daß die in der Ausfuhrdeklaration des Angeklagten enthaltene Angabe, daß die in derselben bezeichneten 21 Säcke Mehl enthielten, für welches der Aufschlag zurückzuvergüten sei, bezüglich der, hierunter befindlichen, hier in Frage stehenden, zwei Säcke unrichtig war, so wäre die Stadtgemeinde, insoferne für das treffende Getreide früher Aufschlag entrichtet wurde, verpflichtet gewesen, auch für diese zwei Säcke Mehl eine Aufschlagsrückvergütung zu leisten. Daß eine solche nicht geleistet worden, der Angriff auf das Gefäll ohne Erfolg geblieben ist, macht die Handlung des Angeklagten nicht unsträflich. Der in derselben gelegene Angriff gegen das der Gemeinde zustehende Aufschlagsgefäll bildet vielmehr eine mit der Uebergabe der Ausfuhrdeklaration als dem Abschlusse der Thätigkeit des Angeklagten vollendete rechtswidrige Gefällverkürzung im Sinne des Art. 41 Abs. 3 der Gemeindeordnung.