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Oberlandesgericht München – Verkehr mit Arzneimitteln 6

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Oberlandesgericht München
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Titel: Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichts München vom 8. Januar 1886
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aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1886, Nr. 7, Seite 47–49
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Kurzbeschreibung: Arzneimittel dürfen nur von Apotheken abgegeben werden
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Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichts München vom 8. Januar 1886

Nach der Feststellung der Strafkammer hat die Angeklagte, Hebamme M. M., im Sommer des Jahres 1885 den krank darnieder gelegenen G. L. in K. mehrmals besucht und ihm hiebei in einer Flasche eine von ihr aus Kamillenthee, Schweineschmalz und Hirschhorngeist zubereitete Salbe zum Einreiben, dann in einer kleineren Flasche eine von ihr aus Zimmettinktur und Hirschhorngeist zubereitete Mixtur zum inneren Gebrauche gegen eine Vergütung von 3 Mark 60 Pf. abgegeben.

Unter der Annahme, daß nach §. 1 der kaiserlichen Verordnung vom 4. Januar 1875, betr. den Verkehr mit Arzneimitteln, das Feilhalten und der Verkauf der im Verzeichnisse A aufgeführten Zubereitungen als Heilmittel nur in Apotheken gestattet, und daß der Inhalt der von der Angeklagten käuflich abgegebenen zwei Flaschen als Arzneiabkochung im gesetzlichen Sinne, daher als unter die Tabelle A fallend, zu erachten sei, fand die Strafkammer in den festgestellten Handlungen eine Uebertretung aus §. 367 Nr. 3 des St.-G.-B. und verurtheilte die Angeklagte zu einer Geldstrafe von 5 Mark, im Falle der Uneinbringlichkeit umgewandelt in eine eintägige Haftstrafe. Die hiegegen von der Angeklagten erhobene, die Aufhebung des erwähnten Urtheiles bezielende Revision, in welcher dieselbe ausführt, sie fühle sich unschuldig, weil sie nur im Nothfalle eine geringe Dosis von Kammillenthee und Hirschhorngeist abgegeben habe, und sich hiezu für berechtigt halte, erscheint nicht begründet.

Nach §. 367 Nr. 3 des Str.-G.-B. wird mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft bestraft, wer ohne polizeiliche [48] Erlaubniß Arzneien, soweit der Handel mit denselben nicht freigegeben ist, zubereitet, feilhält, verkauft oder sonst an Andere überläßt. Auf Grund der Bestimmung in §. 6 Abs. 2 der Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869, wonach durch kaiserliche Verordnung zu bestimmen ist, welche Apothekerwaaren dem freien Verkehr zu überlassen sind, erschien die kaiserliche Verordnung vom 4. Januar 1875, betr. den Verkehr mit Arzneimitteln, und nach §. 1 dieser Verordnung ist das Feilhalten und der Verkauf der in dem anliegenden Verzeichnisse A aufgeführten Zubereitungen als Heilmittel nur in Apotheken gestattet, ohne Unterschied, ob diese Zubereitungen aus arzneilich wirksamen oder aus solchen Stoffen bestehen, welche an und für sich zum medizinischen Gebrauch nicht geeignet sind. In dem Verzeichnisse A werden als solche Zubereitungen die Arznei-Abkochungen (decocta medicinalia) aufgeführt, und diese Eigenschaft tragen nach den Feststellungen die von der Angeklagten hergestellten, an G. L. zur Heilung seines Leidens zum äußerlichen und innerlichen Gebrauch, demnach als Heilmittel verkauften Zubereitungen an sich. Der zu Heilzwecken erfolgte Verkauf dieser als Arzneien sich darstellenden Zubereitungen ist sohin, da bezüglich ihrer der Handel nicht freigegeben ist, mit Recht als unter die Strafvorschrift des § 367 Nr. 3 des St.-G.-B. fallend, erklärt worden.

Bei dem Umstände, daß das Verfahren gegen M. M. von vorneherein davon ausging, daß die Abgabe der in Frage stehenden Arzneien von Seite der Angeklagten ohne polizeiliche Erlaubniß geschah, war eine eigene Feststellung bezüglich des Mangels dieser Erlaubniß nicht erforderlich.

Nach dem Inhalte der Strafvorschrift ist es für deren Anwendung gleichgiltig, ob die Angeklagte die von ihr hergestellten Zubereitungen in größerer oder geringerer Menge abgegeben hat, gleichwie es am Thatbestande nichts ändert, aus welchen Stoffen sie bestanden.

Aber auch der Umstand, daß die Angeklagte sich zur Abgabe fraglicher Zubereitungen berechtigt gehalten hatte, beseitigt die Anwendung der in Frage stehenden Strafvorschrift nicht, denn das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit ist nicht Merkmal im Thatbestande der Strafvorschrift des §. 367 Nr. 3 des St.-G.-B., da diese nicht eine Rechtsverletzung zum Gegenstände hat, sondern im öffentlichen Interesse die Verhütung von Gefährdungen der menschlichen Gesundheit bezielt, und bei diesem ihrem Zwecke sich auch gegen Aerzte und Hebammen richtet. Letztere müssen Arzneien, deren Abgabe ihnen bei Ausübung ihres Berufes gestattet ist, zu denen übrigens die Arznei-Abkochungen nicht gehören, ohne Rücksicht auf Nothfälle aus Apotheken beziehen. (§. 4 der Bekanntmachung des k. Staatsministeriums des Innern, vom 3. Dezember 1875, die Instruktion für die Hebammen betr., §. 27 Ziff. 1, 2, 4, 5 der k. Verordnung [49] vom 25. April 1877, die Zubereitung und Feilhaltung von Arzneien betr., in der Fassung der k. Verordnung vom 9. November 1882).

Die Bezugnahme der Angeklagten auf einen übrigens auch nicht festgestellten Nothfall außerhalb ihrer Berufsausübung erscheint sonach verfehlt.

Hiernach, und da auch im Uebrigen eine Gesetzesverletzung nicht ersichtlich, war entsprechend dem Antrage des diesgerichtlichen Staatsanwaltes unter Anwendung des §. 505 Abs. 1 der St.-Proz.-O. die eingelegte Revision zu verwerfen.