Oberlandesgericht München – Schankgenehmigung
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Aus den Gründen eines Urtheiles des k. Oberlandesgerichts München vom 15. Juni 1888 in der Sache gegen den Fabrikheizer und Spezereihändler G. H. von W. wegen Zuwiderhandlung gegen die Gewerbeordnung ist folgendes hervorzuheben:
Weder eine ausdrückliche Bestimmung des Straf-Gesetz-Buchs noch ein aus dem Sinne und Zusammenhange der Vorschriften desselben sich ergebender Grundsatz berechtigt zu der Annahme, daß das Bewußtsein der Strafwürdigkeit oder Rechtswidrigkeit eine allgemeine Voraussetzung für die Strafbarkeit bilde, oder daß die Unkenntniß des Thäters über das Verbotensein seiner Handlung die Ausschließung der Strafbarkeit begründe. Eine Ausnahme hievon besteht allerdings dann, wenn die Widerrechtlichkeit in die Begriffsbestimmung des treffenden Delikts aufgenommen ist, in welchem Falle in subjektiver Beziehung auch das Bewußtsein dieser Widerrechtlichkeit zum Thatbestande gehört. Allein der § 147 Ziff. 1 der Gewerbeordnung, welcher dahin lautet, daß mit Geldstrafe bis zu 300 Mark und im Unvermögensfalle mit Haft bestraft wird, wer den selbstständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes, zu dessen Beginn eine besondere polizeiliche Genehmigung (Konzession, Approbation, Bestallung) erforderlich ist, ohne die vorschriftsmäßige Genehmigung unternimmt oder fortsetzt oder von den in der Genehmigung festgesetzten Bedingungen abweicht, erwähnt nichts von der Rechtswidrigkeit oder Widerrechtlichkeit, und es ist daher weder nach allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen noch nach dem Wortlaute dieser Strafbestimmung die Anwendung der Letzteren durch das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit bedingt. Hiezu kommt aber weiter, daß die in § 33 der Gewerbeordnung aufgestellte Konzessionspflicht auf sitten- und sicherheitspolizeilichen Gründen beruht; der Zweck dieser polizeilichen Vorschriften, welchen durch die Strafandrohung des § 147 Ziff. 1 der Gewerbeordnung eine genaue Beachtung Seitens der Gewerbetreibenden gesichert werden soll, erfordert aber, daß nicht blos die vorsätzlichen Handlungen unter Strafe gestellt werden, und es setzt auch mit Rücksicht hierauf die vorerwähnte Strafbestimmung zu ihrer Anwendung kein vorsätzliches Handeln voraus (Rechtsprechung des Reichsgerichts Bd. II S. 256, Bd. IX S. 57, 169). Wenn aber hiernach zum Thatbestand einer Zuwiderhandlung nach § 147 Ziff. 1 der Gewerbeordnung das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit und Strafbarkeit nicht erforderlich ist, so besteht keine Veranlassung, zu Prüfen, ob die Strafkammer mit Recht aus den von ihr angeführten Gründen zu der Annahme dieses Bewußtseins gelangte. Die Freisprechung des Angeklagten wegen Mangels des ebenbezeichneten Bewußtseins war daher gesetzlich nicht gerechtfertigt.