Oberlandesgericht München – Konkubinat
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in der Sache gegen den Gärtner Wilhelm L. und die Dienstmagd Barbara Sch., beide in H., wegen Konkubinats.
Nach der Feststellung des Berufungsgerichtes leben die beiden Angeklagten, der verwittwete Wilhelm L. und die ledige Barbara Sch., seine Dienstmagd, seit drei Jahren ununterbrochen in außerehelicher Geschlechtsverbindung häuslich zusammen. Die Barbara Sch. hat während dieser Zeit zweimal geboren, und ist Wilhelm L. der Vater ihrer beiden Kinder. Die Geschlechtsverbindung ist der Zweck ihres Zusammenlebens, das Dienstverhältniß, in welchem die Sch. zu L. steht, soll dieselbe nur verdecken. Trotz mehrfacher polizeilicher Aufforderung zur Trennung setzen die Angeklagten ihr häusliches Zusammenleben in außerehelicher Geschlechtsverbindung fort und geben hiedurch in ihrem Wohnorte H. zu öffentlichem Aergerniß Anlaß. Auf Grund dieser als erwiesen angenommenen Thatsachen hat die Strafkammer, in Uebereinstimmung mit dem Schöffengerichte, die Angeklagten je einer Uebertretung nach § 50a des Polizeistrafgesetzbuches schuldig erklärt.
Nach der Revision soll hiedurch das Gesetz verletzt worden sein, weil die festgestellten Thatsachen zu einer Verurtheilung wegen Uebertretung nach § 50a des Polizeistrafgesetzbuches nicht genügten, indem Barbara Sch. blos Magd im Hause des L. sei, weder Tisch noch Bett mit demselben theile, die vor längerer Zeit bestandene Geschlechtsverbindung aber, seitdem sich ihrer beabsichtigten Verehelichung Hindernisse entgegengestellt hätten, von den Angeklagten nicht mehr fortgesetzt werde, und kein Zeuge eine Thatsache angegeben habe, aus welcher die Erregung öffentlichen Aergernisses sich folgern lasse. Die Revision ist jedoch nicht begründet.
Der durch das Gesetz vom 20. März 1882 dem Polizeistrafgesetzbuche beigefügte Art. 50a bedroht mit den daselbst bezeichneten Strafen diejenigen Personen, welche durch fortgesetztes häusliches Zusammenleben in außerehelicher Geschlechtsverbindung zu öffentlichem Aergernisse Veranlassung geben, und fordert daher zum Begriff der Uebertretung außer dem eben erwähnten Zusammenleben nichts weiter, als daß hiedurch zu öffentlichem Aergerniß Veranlassung gegeben wird. Daß Jemand wirklich Aergerniß genommen hat, wird nicht verlangt. Es ergibt sich dieß aus dem Wortlaute des Gesetzes in Verbindung mit den Gesetzgebungsverhandlungen, bei welchen in der Kammer der Reichsräthe zur Begründung des Ausschußantrages, die in Frage stehende Bestimmung in der Weise, wie es dann geschehen ist, zu fassen, hervorgehoben wurde: durch[206] die Worte „zu öffentlichem Aergernisse Veranlassung geben“ solle ausgedrückt werden, daß die objektive Erscheinung des Verhältnisses die Grundlage der Strafbarkeit bilde, daß die in dem Verhältnisse an sich liegende Veranlassung zum öffentlichen Aergernisse allein von Gewicht sei, und nichts darauf ankomme, daß erwiesen werde, ob und wie viele Personen thatsächlich Aergerniß genommen haben, es also nicht entscheidend sei, ob die Veranlassung des Aergernisses auch eine thatsächliche Folge hatte, ob wirklich Aergerniß gegeben, das heißt von bestimmten Personen Aergerniß genommen worden ist. (Verhandlung der Kammer der Reichsräthe 1881/82 Pr. Band I S. 507 mit Beil. Band I S. 518 und 540.) Hiegegen wurde von keiner Seite etwas erinnert. Es genügt daher zum Begriff der Uebertretung, daß das fortgesetzte häusliche Zusammenleben in außerehelicher Geschlechtsverbindung geeignet ist, bei einer unbestimmten Zahl von Personen, und damit öffentlich, Aergerniß zu erregen (Verhandlung der Kammer der Reichsräthe Beil.-Band I S. 518.) Dieß wurde auch bei der Verhandlung über die von der Kammer der Reichsräthe beschlossene Fassung des Gesetzes in der Kammer der Abgeordneten von dieser und von dem Vertreter der Staatsregierung anerkannt. (Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1882. Stenographische Berichte Band II S. 106 und 108.) Hiernach wird mit Unrecht in der Revision bemängelt, es fehle der Nachweis, daß die Angeklagten durch ihr Zusammenleben Aergerniß erregt haben. Vielmehr erschöpfen die ohne Rechtsirrthum festgestellten Thatsachen den Thatbestand der den Angeklagten zur Last gelegten Uebertretung. Was in der Revisionsinstanz noch weiter vorgebracht wurde, enthält nur eine nach § 376 mit § 260 der Strafprozeßordnung unzulässige Bestreitung der Richtigkeit der Feststellung, daß die Angeklagten fortgesetzt in Geschlechtsverbindung leben. Die Strafkammer hat mithin den Art. 50a des Polizeistrafgesetzbuches richtig angewendet.