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Oberlandesgericht München – Illegale Abfallentsorgung

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Autor: Oberlandesgericht München
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Titel: Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichts München vom 7. Dezember 1888
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aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1889, Nr. 1, Seite 6–12
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Kurzbeschreibung: Ortspolizeiliche Vorschriften sind zu beachten
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Auszug aus dem Urtheile des k. Oberlandesgerichts München vom 7. Dezember 1888
in der Sache gegen den Fuhrwerksbesitzer Konrad B. in N. wegen Uebertretung reinlichkeitspolizeilicher Vorschriften.

Nach der Feststellung der Ferienstrafkammer ließ der Fuhrwerkbesitzer Konrad B. in N., welcher auf Grund eines Vertrages mit dem dortigen Stadtmagistrate die Abfuhr des Kehrichts ans der Stadt N. besorgte, am 27. Februar d. J. und an den nächstfolgenden Tagen fortgesetzt durch einige Knechte täglich 6 bis 8 Fuhren Kehricht, welcher nicht blos aus animalischen und vegetabilischen Abfallstoffen aller Art, sondern auch aus Steinen, Gläsern, Scherben u. dergl. bestand, in dem zwischen F. und D. gelegenen, zum Bezirke der politischen Gemeinde Gl. gehörigen Birkenwäldchen ablagern, und zwar einige hundert Schritte von den nächstgelegenen Häusern, sowie ungefähr 100 Schritte von der den Gemeindebezirk Gl. durchziehenden Fahrstraße und dem diesen Bezirk berührenden Spazierwege von N. nach Gl. entfernt. – Dieser nicht in sog. Sandlöcher, sondern auf der natürlichen Oberfläche ohne Eindeckung gelagerte Kehricht belästigte nicht nur die Spaziergänger dadurch, daß Staub und Papierfetzen auf den genannten Spazierweg getrieben wurden, sondern verbreitete auch einen üblen, stinkenden Geruch, so daß sich die Bewohner von F. und D. beim Bürgermeister von Gl. beschwerten.

In der Handlung des Konrad B. fand die Ferienstrafkammer in Uebereinstimmung mit dem Schöffengerichte eine Zuwiderhandlung gegen die von der Gemeindeverwaltung Gl. in Bezug auf das Abladen von Unrath u. dergl. erlassene ortspolizeiliche Vorschrift vom 31. August 1887 und verwarf die Berufung des Angeklagten gegen das schöffengerichtliche Urtheil vom 7. Mai d. J., durch welches derselbe wegen dieser Zuwiderhandlung in eine Geldstrafe von sechs Mark und in die Kosten verurtheilt wurde.

In der für den Angeklagten angebrachten Revisionsschrift wird die gesetzliche Giltigkeit der obenerwähnten ortspolizeilichen Vorschrift bestritten. Jedoch mit Unrecht.

Durch diese von der Gemeindeverwaltung Gl. zu Art. 94 des P.-Str.-G.-B. erlassene ortspolizeiliche Vorschrift vom 31. August 1887 ist das Abladen von Unrath und Kehrichtstoffen, sowie übelriechenden faulen Abfällen aus gewerblichen Betrieben auf Wegen aller Art, fremde und eigene Grundstücke, soweit diese Stoffe nicht zur Düngung der betreffenden Grundstücke nothwendig sind, oder soweit sie nicht in dicht verschlossenen, von Ortschaften, einzelnen Gebäuden, Friedhöfen und anderen öffentlichen oder privaten Anstalten , dann Wegen aller Art genügend entfernte Gruben entleert [7] werden, verboten. – Diesem Verbote hat Konrad B. zuwidergehandelt, da er vom 27. Februar d. J. an längere Zeit fortgesetzt in einem im Bezirke der Gemeinde Gl. gelegenen Wäldchen Kehricht, welcher zum Düngen des Letzteren weder geeignet noch bestimmt war, auf der natürlichen Oberfläche und nicht in verschlossenen Gruben ablagern ließ. – Es fragt sich daher, ob derselbe hierwegen gestraft werden kann, ob nämlich die ortspolizeiliche Vorschrift vom 31. August 1887 rechtlich giltig ist. – Der Rechtsgiltigkeit dieser Vorschrift steht in soferne kein Bedenken entgegen, als dieselbe durch Entschließung der k. Regierung von Mittelfranken, Kammer des Innern, vom 10. September v. J. für vollstreckbar erklärt, auch in ortsüblicher Weise bekannt gemacht wurde und mit einem Gesetze, einer Verordnung oder competenzmäßigen Vorschrift einer höheren Behörde nicht im Widerspruche steht, und es ist daher zu prüfen, ob der Art. 94 des P.-Str.-G.-B., zu welchem die ortspolizeiliche Vorschrift erlassen wurde, die gesetzliche Ermächtigung hiezu gibt. Der ebenerwähnte Art. 94 bestimmt, daß an Geld bis zu 60 ℳ. oder mit Haft bis zu 14 Tagen gestraft wird, wer außer den Fällen des § 366 Nr. 10 des R.-Str.-G.-B. den ortspolizeilichen Vorschriften oder in Ermangelung von solchen den distriktspolizeilichen Anordnungen über öffentliche Reinlichkeit in Städten, Märkten, Dörfern und sonstigen Ortschaften zuwiderhandelt. Derselbe handelt sohin nicht besonders von dem Abladen von Unrath u. dergl, sondern spricht nur im Allgemeinen von der öffentlichen Reinlichkeit und zwar von solcher in den Städten, Märkten, Dörfern und sonstigen Ortschaften und räumt daher schon nach seinem Wortlaute der Orts-, bezw. Distriktspolizeibehörde nur das Recht ein, hinsichtlich der Reinlichkeit innerhalb der Städte und der anderen daselbst angeführten Orte, also innerhalb des Umkreises der diese Orte bildenden Wohnplätze Anordnungen zu erlassen, ermächtigt sie daher nicht zur Erlassung solcher Vorschriften für den diese Wohnplätze überschreitenden Flurbezirk, für die ganze Flurmarkung. Die Strafkammer glaubt zwar, daß der Wortlaut des Art. 94 gegen die Absicht spreche, daß durch denselben nur die Reinlichkeit innerhalb der Häuserreihen der Städte u. s. w. geschützt werden solle, da sonst der Gesetzgeber, welchem bekannt sein müsse, daß der Begriff: „Stadt, Markt, Dorf, Ortschaft“ keineswegs die Zugehörigkeit von unbebautem Grundbesitze ausschließe, und daß auch Ortschaften existirten, bei welchen Gebäude und Flur nicht strengräumlich geschieden seien, einen desfallsigen beschränkenden Ausdruck gebraucht hätte. Allein gerade aus der Fassung des Art. 94 geht hervor, daß durch denselben nur die Reinlichkeit innerhalb der Ortschaften geschützt werden soll, worunter selbstverständlich auch die zwischen den Wohnplätzen befindlichen, aber noch im Wohnungsbezirke gelegenen Grundstücke, auf welchen keine Gebäude stehen, begriffen sind. [8]

Denn nach Art. 3 des P.-Str.-G.-B. erstreckt sich die Rechtswirksamkeit einer ortspolizeilichen Vorschrift ohnehin auf den ganzen Bezirk der örtlichen Polizeiverwaltung, und es hätte daher die Beifügung der Worte: „in Städten u. s. w.“ keine Bedeutung, wenn nicht hiedurch die Zulässigkeit in der angeführten Weise hätte beschränkt werden wollen.

Dies geht aber auch aus der Entstehungsgeschichte des Art. 94 des P.-Str.-G.-B. hervor. Von dem Referenten des Gesetzgebungsausschusses der Kammer der Abgeordneten wurde derselbe für absolut unnöthig erklärt und daher dessen Streichung beantragt, weil die hier vorgesehenen Vorschriften auf Grund des § 366 Nr. 10 des R.-St.-G.-B. erlassen werden könnten; allein von dem Gesetzgebungs-Ausschusse wurde dieser Antrag abgelehnt, nachdem von Seite eines Vertreters der Staatsregierung geltend gemacht worden war, daß der § 366 Nr. 10 keineswegs die hier vorgesehenen Fälle decke, indem derselbe nur von der zur Erhaltung der Reinlichkeit auf den öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen erlassenen Anordnungen spreche, es sich aber auch, namentlich in großen Städten, um die Reinlichkeit unter den Straßen, um die Reinlichkeit in den Zufuhrkanälen handele (Verhandl. des Gesetzg.-Ausschusses der Kammer der Abgeord. von 1871/72 Bd. I S. 112. Bd. II S. 37). Ueberdies wurde von dem Referenten des Gesetzgebungs-Ausschusses der Kammer der Reichsräthe zu Art. 161 Abs. 2 des P.-Str.-G.-B. von 1861, welcher dem mehrerwähnten Art. 84 entspricht, und der ebensowenig wie der Art. 187 des Entwurfes des P.-Str.-G.-B. von 1861 die Erlassung distriktspolizeilicher Vorschriften für zulässig erklärte, bemerkt, daß hier die Vorsorgung von Oberpolizeiwegen nothwendig sei, da in manchen Landestheilen über die öffentliche Reinlichkeit in Städten, Märkten und Dörfern sehr begründete Beschwerden bestünden und hier die Einwirkung der Oberpolizei unbedingt geboten erscheine, besonders für diejenigen Märkte und Städte, welche durch die neueröffneten Eisenbahnen dem großen Publikum zum kürzeren oder längeren Aufenthalte dienen und wo die ankommenden Reisenden im Schmutz waten müßten, weil es dem Bürgermeister oder Gemeindevorsteher nicht einfalle, für Einhaltung der bestehenden Vorschriften über Reinlichkeit Sorge zu tragen (Verhdlg. des Gesetzgebungs-Ausschusses der Kammer der Reichsräthe von 1859/61 Beil.-Bd. S. 346), Hieraus geht hervor, daß auch die gesetzgebenden Faktoren von der Ansicht ausgingen, daß der Art. 161 Abs. 2 des P.-Str.-G.-B. von 1861 und ebenso der Art. 94 des nunmehr geltenden P.-Str.-G.-B. sich nur auf die Reinlichkeit innerhalb des Wohnungskreises der Städte, Märkte und Dörfer beziehen, und daher auf Grund derselben auch nur in dieser beschränkten Richtung ortspolizeiliche Vorschriften erlassen werden dürfen.

Die Gemeindeverwaltung Gl. war demnach nicht durch den [9] ebenerwähnten Art. 94 ermächtigt, mittels ortspolizeilicher Vorschrift das Abladen von Unrath auf die außerhalb des Wohnungsrayons dieser Gemeinde gelegenen Grundstücke zu verbieten. Dagegen ist, wie das Schöffengericht mit Recht angenommen hat, in dem Art. 93 des P.-Str.-G.-B. die gesetzliche Ermächtigung zur Erlassung eines solchen Verbotes enthalten. – Nach dieser Gesetzesbestimmung ist nämlich an Geld bis zu 15 ℳ. zu bestrafen, wer außer den in § 366 Nr. 10 des Str.-G.-B. erwähnten Fällen den Anordnungen der Ortspolizeibehörde über das Abladen von Unrath, Bauschutt, Schnee oder Eis zuwiderhandelt. – Das Berufungsgericht ist zwar der Ansicht, der ebenbezeichnete Art. 93 gestatte nicht die Erlassung ortspolizeilicher Vorschriften, da er nur von den Anordnungen der Ortspolizeibehörde spreche, nach Art. 138 der Gemeindeordnung vom 29. April 1869 aber die Handhabung der Ortspolizei dem Bürgermeister allein übertragen sei, während nach Art. 140 dieses Gesetzes die Erlassung ortspolizeilicher Vorschriften zur Zuständigkeit des Gemeindeausschusses gehöre, und diese Vorschriften daher einen Gegensatz zu den von dem Bürgermeister in eigener Zuständigkeit getroffenen polizeilichen Anordnungen, Geboten und Verboten an einzelne Personen oder in bestimmten Fällen bildeten. – Diese Ansicht ist jedoch nicht richtig.

Der Art. 93 des nunmehr geltenden P.-Str.-G.-B. ist dem Art. 161 Abs. 1 des P.-Str.-G.-B. von 1861 entnommen, welcher bestimmte, daß zu bestrafen sei, wer Unrath, Bauschutt, Schnee und Eis an anderen als den von der Ortspolizeibehörde hiefür bestimmten Platzen unbefugt ableert. – Diese Fassung stimmt zwar mit jener des obenerwähnten Art. 93 nicht vollkommen überein; allein deshalb sollte, wie aus den Motiven zu dem neuen P.-Str.-G.-B. hervorgeht, abgesehen von der Ausscheidung der unter den §. 366 Nr. 10 des R.-Str.-G.-B. fallenden Zuwiderhandlungen an der früheren Vorschrift im Wesentlichen nichts geändert werden. Die Anordnung der Ortspolizeibehörde über das Abladen von Unrath, von welcher der Art. 93 spricht, ist daher gleichbedeutend mit der in Art. 161 Abs. 1 des früheren P.-Str.-G.-B. erwähnten Bestimmung dieser Behörde von Plätzen für ein solches Abladen, und es geht hieraus allerdings hervor, daß es zu einer derartigen Anordnung oder Bestimmung nicht der Erlassung einer ortspolizeilichen Vorschrift bedarf, sondern dieselben von der Behörde der Ortspolizei, im vorliegenden Falle also, in welchem es sich um eine Gemeinde mit Landgemeinde-Verfassung handelt, gemäß Art. 138 der Gemeindeordnung von dem Bürgermeister allein getroffen werden können. Dies entspricht auch insoferne der Natur der Sache, als, wie die Strafkammer richtig bemerkt, in solchen Fällen oft rasch eingegriffen werden muß, und es nicht immer möglich ist, im Voraus und für alle Zeiten die Oertlichkeiten, an welchen die im Gesetze bezeichneten Gegenstände [10] abgelagert werden dürfen, zu bestimmen. Allein deshalb ist es nicht verboten, die nach Art. 93 des jetzt geltenden P.-Str.-G.-B. zulässigen Anordnungen der Ortspolizeibehörde auch in der Form von ortspolizeilichen Vorschriften zu treffen. – Denn weder dieses P.-Str.-G.-B, noch jenes von 1861 geben einen Anhaltspunkt für die Annahme, daß die Ausdrücke: „Anordnungen der Ortspolizeibehörde“ und „ortspolizeiliche Vorschriften“ sich gegenseitig derart ausschließen, daß in den Fällen, in welchen das Gesetz den ersteren Ausdruck gebraucht, die Erlassung ortspolizeilicher Vorschriften nicht gestattet ist. – Die beiden ebenangeführten Gesetzbücher unterscheiden systematisch nur zwischen allgemeinen Anordnungen, welche innerhalb des Gebietes ihrer Geltung für Jedermann verbindlich sind, und die wieder nach der Zuständigkeit zu ihrer Erlassung in Verordnungen, oberpolizeiliche, distrikts- und ortspolizeiliche Vorschriften zerfallen, und besonderen Anordnungen, welche die Polizeibehörden innerhalb ihrer Zuständigkeit an einzelne Personen und in bestimmten Fällen zu verfügen haben (Verhandlungen des Gesetzgebungs-Ausschusses der Kammer der Abgeordneten von 1871/72 Bd. I S. 95). Hiernach stellen sich aber die ortspolizeilichen Vorschriften ebenfalls als Anordnungen der Ortspolizeibehörden dar und zwar als allgemeine im Gegensatze zu den an einzelne Personen oder in bestimmten Fällen zu erlassenden besonderen Anordnungen. Die beiden Polizeistrafgesetzbücher gebrauchen denn auch die Ausdrücke: „ortspolizeiliche Verfügungen, ortspolizeiliche Verbote, ortspolizeiliche Anordnungen“ in solchen Fällen, in welchen es sich nach ihrer Natur nicht um an einzelne Personen oder in bestimmten Fällen zu erlassende Verfügungen, sondern um allgemein verbindliche Anordnungen handelt, welche daher nach dem System dieser Gesetzbücher nur durch eine ortspolizeiliche Vorschrift getroffen werden können und auch in dieser Form mehrfach getroffen worden sind. (Vergl. insbesondere die Art. 62. 142 Abs. 1 Ziff. 3 u. 156 Abs. 1 Ziff. 2 des P.-Str.-G.-B. von 1861, dann Art. 37 Abs. 1 Ziff. 1 und 2, 51, 62, 75 Abs. 2, 79 und 83 Abs. 1 Ziff. 3 des P.-Str.-G.-B. von 1871 sowie die bezüglich der letzteren Gesetzesbestimmung ergangenen diesgerichtlichen Urtheile vom 26. Juni 1883, 9. Mai und 7. August 1886 und 29. Mai 1887, – Sammlung der Entscheidung Bd. II S. 387. Bd. III S. 75. 191. Bd. IV S. 541).

Hieraus geht hervor, daß in der durch das P.-Str.-G.-B. der Ortspolizeibehörde ertheilten Befugniß, eine Anordnung zu treffen, die Ermächtigung enthalten ist, dieselbe jedenfalls dann, wenn sie allgemeiner Natur, also innerhalb ihres Geltungsgebietes für Jedermann verbindlich ist, durch Erlassung einer ortspolizeilichen Vorschrift zu verfügen, woraus weiter folgt, daß dann, wenn das P.-Str.-G.-B. für einen derartigen Fall eine Anordnung der Ortspolizeibehörde voraussetzt, die hiefür getroffene Anordnung nicht deshalb ungiltig [11] ist, weil sie in der Form einer ortspolizeilichen Vorschrift und daher in einer Landgemeinde nicht von dem Bürgermeister, sondern von dem Gemeindeausschusse erlassen wurde, während allerdings entgegengesetzten Falles da, wo das P.-Str.-G.-B. eine ortspolizeiliche Vorschrift verlangt, eine einfache Anordnung der Ortspolizeibehörde nicht genügt. –

Was nun namentlich den hier in Frage kommenden Art. 93 des P.-Str.-G.-B. von 1871 anbelangt, so kann es sich in den dort vorgesehenen Fällen um Anordnungen an einzelne Personen oder in bestimmten Fällen handeln, welche nach dem Systeme dieses Gesetzbuchs von der Polizeibehörde zu erlassen sind, und bezüglich deren das Gesetz keine besondere Vorschrift über die Form der Erlassung enthält. – Es kann sich hiebei aber auch um allgemein verbindliche Anordnungen handeln, und dann besteht sicherlich kein Hinderniß, dieselben in der Form von ortspolizeilichen Vorschriften zu erlassen. – Denn nach dem oben obenerwähnten Systeme sind solche allgemeine Anordnungen überhaupt in dieser Form zu verfügen, und außerdem ist, nachdem die nach §. 366 Nr. 10 des R.-Str.-G.-B. zulässigen Polizeiverordnungen, also auch jene über das Abladen von Unrath, Bauschutt, Schnee und Eis auf den öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen gemäß Art. 2 Ziff. 6 des P.-Str.-G.-B. durch ober-, distrikts- oder ortspolizeiliche Vorschriften erlassen werden müssen, nicht abzusehen, warum nicht auch auf Grund des mehrgenannten Art. 93 über das Abladen solcher Gegenstände auf andere Plätze ortspolizeiliche Vorschriften erlassen werden können. Auch der Referent des Gesetzgebungs-Ausschusses der Kammer der Abgeordneten, Dr. Edel, muß dieß für zulässig erachtet haben, da er sonst nicht beantragt hätte, den Art. 93 um deswillen zu streichen, weil dessen Aufrechthaltung gegenüber der allgemeinen Fassung des §. 366 Nr. 10 des Str.-G.-B. nicht nothwendig sei, und wenn der Gesetzgebungs-Ausschuß auch diesen Antrag ablehnte, so besteht doch kein Anhaltspunkt dafür, daß dieses deshalb geschehen sei, weil der Ausschuß in den durch den Art. 93 vorgesehenen Fällen die Erlassung ortspolizeilicher Vorschriften für unstatthaft gehalten habe (Verhandlungen des Gesetzgebungs-Ausschusses der Kammer der Abgeordneten von 1871/72 Bd. I S. 112, Bd. II S. 37). Auch in dem Handbuche der inneren Verwaltung von Krais (Bd. I S. 9) ist unter den Vorschriften, zu welchen ortspolizeiliche Vorschriften zulässig sind, der Art. 93 des P.-Str.-G.-B. aufgeführt, und ebenso ist in dem Commentare zu diesem Gesetzbuche von Riedl in Note 1 zu Art. 93 hervorgehoben, daß die auf Grund des Art. 161 Abs. 1 des P.-Str.-G.-B. von 1861 erlassenen polizeilichen Anordnungen entweder kraft dieses Art. 93 oder zufolge des §. 366 Nr. 10 des R.-Str.-G.-B. bis auf Weiteres giltig seien. – [12]

Wenn es aber hiernach gesetzlich nicht unzulässig ist, die in Art. 93 des P.-Str.-G.-B. erwähnten Anordnungen der Ortspolizeibehörde über das Abladen von Unrath, Bauschutt, Schnee und Eis in der Form von ortspolizeilichen Vorschriften zu erlassen, so kann die rechtliche Giltigkeit der von der Gemeindeverwaltung Gl. am 31. August 1887 erlassenen ortspolizeilichen Vorschrift, besonders da dieselbe nach Inhalt und Zweck nicht für einzelne Personen oder bestimmte Fälle verfügt wurde, sondern ein allgemeines für Jedermann im Ortspolizeibezirke der Gemeinde Gl. verbindliches Verbot enthält, nicht beanstandet werden. – Denn wenn auch der Art. 94 des P.-Str.-G.-B., zu welchem diese Vorschrift erlassen wurde, nicht hierher paßt, so ist dieselbe deshalb doch nicht ungiltig, da die Ermächtigung zu deren Erlassung durch den Art. 93 des P.-Str.-G.-B. gegeben, und demgegenüber die Anführung des Art. 94 am Eingange der Vorschrift von untergeordneter Bedeutung ist (Sammlung der Entscheidungen des vormaligen Cassationshofes Bd. I S. 392 und des vormaligen obersten Gerichtshofes Bd. V S. 596). –

Die Strafkammer hat demnach dadurch, daß sie den Angeklagten, welcher, wie auch feststeht, den Inhalt der fraglichen oberpolizeilichen Vorschriften kannte, der ihm zur Last gelegten strafbaren Handlung für schuldig erklärte und deshalb die Berufung desselben gegen das erstinstanzielle Urtheil, durch welches Konrad B. zu einer den in Art. 93 des P.-Str.-G.-B. festgesetzten Strafrahmen nicht übersteigenden Geldstrafe verurtheilt wurde, das Gesetz nicht verletzt.