Oberlandesgericht München – Gewerbsmäßige Unzucht
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in der Sache gegen die Lohndienersfrau N. wegen gewerbsmäßiger Unzucht.
Nach der Feststellung des Berufungsgerichts hatte die verheirathete, jedoch von ihrem Ehemanne getrennt lebende Lohndienersfrau N., eine arbeitsscheue und der gewerbsmäßigen Unzucht ergebene Person, im Sommer und Herbst 1883, namentlich im Monate September vorigen Jahres weder Arbeit noch sonstigen ehrlichen Verdienst, vermochte sich nicht auszuweisen, wodurch sie sich ihren Lebensunterhalt erwerbe, und stellte sich namentlich ihre Behauptung, sie sei bei der Tändlerin A. als Ausgeherin ständig bedienstet, als unwahr heraus. Vielmehr wurde die Angeklagte um jene Zeit Seitens der Gendarmeriemannschaft sowohl bei Tag als auch bei Nacht auf den Straßen der Stadt in Begleitung eines gewissen, als Louis bekannten B., einmal sogar Morgens nach 2 Uhr, herumstreunend betreten.
Wie weiter feststeht, forderte dieselbe am 20. September vorigen Jahres in der Wirthschaft zum ewigen Licht den Kaufmann C. auf, den Beischlaf mit ihr zu vollziehen, und nahm denselben, unter in Anspruchnahme einer Entlohnung von 2 ℳ., zu diesem Zwecke mit sich in ihre Wohnung, wo es jedoch nur um deßwillen nicht zum Vollzuge des Beischlafes kam, weil C. nur 1 ℳ. 50 ₰. bezahlte, welche Summe die N., trotz wiederholter Aufforderung, nicht mehr herausgab, sondern für sich behielt.
Unter der Annahme, daß durch diese Umstände als erwiesen zu erachten sei, es habe die einer polizeilichen Ueberwachung nicht unterstellte, aber wegen gewerbsmäßiger Unzucht schon mehrfach bestrafte N. im Sommer und Herbste, insbesondere im Monate September 1883 gewerbsmäßig Unzucht getrieben und unter Aufrechthaltung der Feststellung des Schöffengerichts, daß, wenn es auch am 20. September 1883 nicht zum Vollzuge des Beischlafes gekommen sei, die Angeklagte doch als eine moralisch verkommene und aus den Erträgnissen der Unzucht ihren Lebensunterhalt suchende Person aus dem geschlechtlichen Umgange mit Männern ein Gewerbe mache, erachtete das Berufungsgericht mit Recht den Thatbestand des §. 361 Nr. 6 des St.-G.-B. gegeben und verwarf die Berufung der N. gegen das schöffengerichtliche Urtheil vom 21. März dieses Jahres, durch welches die Angeklagte wegen einer Uebertretung im Sinne des voraufgeführten Paragraphen in eine Haftstrafe von 14 Tagen und zur Tragung der Kosten verurtheilt wurde.
In der Revision wird behauptet, daß das oberrichterliche Urtheil [230] auf einer Verletzung des §. 361 Nr. 6 des St.-G.-B. beruhe, weil die der Angeklagten nachgewiesene Handlung vom 20. September vorigen Jahres sich, beim Mangel des Beischlafvollzugs, nur als ein strafloser Versuch zu einer Uebertretung der gewerbsmäßigen Unzucht darstelle, und auch die weiteren Feststellungen nur im Vereine mit wenigstens einem vollendeten Unzuchtsfalle den Thatbestand der gewerbsmäßigen Unzucht erschöpfen, für sich allein aber die Bestrafung der Angeklagten ebensowenig rechtfertigen könnten, als die weitere Feststellung, daß sie früher hiewegen schon öfter bestraft worden sei, einen Grund für ihre neuerliche Bestrafung abgeben könne.
Diese Rüge ist jedoch nicht begründet.
Der §. 361 Nr. 6 des St.-G.-B. bestimmt, daß eine Weibsperson, welche wegen gewerbsmäßiger Unzucht polizeilicher Aufsicht unterstellt ist, wenn sie den in dieser Hinsicht zur Sicherung der Gesundheit, der öffentlichen Ordnung, des öffentlichen Anstandes erlassenen Vorschriften zuwiderhandelt, oder welche, ohne einer solchen Aufsicht unterstellt zu sein, gewerbsmäßig Unzucht treibt, mit Haft bestraft werde, will sohin einerseits den gegen die treffenden polizeilichen Vorschriften verstoßenden Betrieb der gewerbsmäßigen Unzucht, anderseits aber letztere selbst bestraft wissen, stellt sohin, wie schon aus seiner Entstehungsgeschichte (Verhandlungen des Reichstages Bd. III S. 178 und 179) erhellt, die Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Unzucht als Regel auf, und läßt Straflosigkeit nur dann eintreten, wenn die Polizeibehörde ausdrücklich Duldung unter Kontrole gewährt. Da in vorliegendem Falle feststeht, daß die Angeklagte einer polizeilichen Kontrole nicht unterstellt ist, kann es sich lediglich um die Frage handeln, ob die Anwendung der zweiten Alternative des §. 361 Nr. 6 des Straf-G.-B. in der Richtung gegen die Angeklagte gerechtfertigt erscheine. Diese Frage hat das Berufungsgericht unter der Annahme bejaht, daß die N. aus dem fortgesetzten unzüchtigen Verkehre mit Männern sich eine Erwerbsquelle geschaffen habe, indem es aus der Gesammtsumme der der Angeklagten nachgewiesenen Thatsachen, nämlich ihrer Arbeitsscheue, ihrer Verdienstlosigkeit, dem Umstände, daß sie sich über anderweitige Beschaffung ihres Lebensunterhalts nicht auszuweisen vermochte, ja über eine ständige Bedienstung während der fraglichen Zeit eine unwahre Angabe machte, ihrem Streunen auf den Straßen bei Tag und Nacht in Begleitung eines als Louis bekannten Mannes, aus ihrem Gebahren dem Kaufmann C. gegenüber, im Zusammenhalte mit ihrem Vorleben und ihren mehrfachen wegen gewerbsmäßiger Unzucht erlittenen Strafen, den Schluß zog, daß sie auch im Sommer und Herbste und namentlich im September 1883 gewerbsmäßige Unzucht getrieben habe. [231]
Hiemit hat das Berufungsgericht eine auf thatsächliche Voraussetzungen sich stützende Entscheidung zur Beweisfrage getroffen, deren Richtigkeit vor dem Revisionsgerichte nur dann angefochten und von demselben nachgeprüft werden könnte, wenn sie auf einem Rechtsirrthum beruhen würde. Letzteres ist jedoch nicht der Fall, da ja das Berufungsgericht bei der Feststellung des gewerbsmäßigen Unzuchtsbetriebes Seitens der Angeklagten das Hauptgewicht auf ihren fortgesetzten geschlechtlichen Umgang mit Männern während der bezeichneten Zeit gelegt hat, was auch daraus erhellt, daß es die vom Schöffengerichte für seine Gesetzesanwendung in der Richtung gegen die Angeklagte unter Anderem angeführte Begründung, daß, wenn es auch am 20. September 1883 nicht zum Vollzuge des Beischlafes gekommen sei, doch feststehe, daß die Angeklagte als eine moralisch herabgekommene und aus den Erträgnissen der Unzucht ihren Lebensunterhalt suchende Person aus dem geschlechtlichen Umgang mit Männern ein Gewerbe mache, als zu Recht bestehend erklärt, und hiemit auch die derselben zu Grunde liegenden Thatsachen als richtig anerkannt hat.
Hienach stellt sich die Behauptung der Revision, es sei der Angeklagten mehr nicht als ihre früheren Bestrafungen wegen gewerbsmäßiger Unzucht und das Aufsuchen von Gelegenheit zur Ausübung derselben nachgewiesen, nicht als stichhaltig dar, indem ja die Schuldfrage in der Richtung gegen die Beschwerdeführerin nicht auf Grund dieses oder jenes Einzelnumstandes, sondern vielmehr auf Grund ihres Gesammtverhaltens zur kritischen Zeit ihre Lösung gefunden hat, und zwar ohne Unterlaufens eines Rechtsirrthums, da ja der Thatrichter, der nach §. 260 der Str.-Proz.-O. über das Ergebniß der Beweisführung nach seiner freien, aus dem Inbegriffe der Verhandlung geschöpften Ueberzeugung zu entscheiden hat, bei Bejahung der Frage, ob die Angeklagte zur mehrberegten Zeit aus dem fortgesetzten unzüchtigen Verkehre mit Männern sich Erwerb verschafft habe, keineswegs eines direkten Nachweises bedurfte, daß erstere mit diesem oder jenem Manne zu Erwerbszwecken in unzüchtigem Verkehre betroffen worden sei, sondern hiezu auch auf dem Wege der Schlußfolgerung aus andern Thatsachen gelangen konnte und gelangt ist.
Die Bezugnahme der Revision auf das in Stenglein’s Zeitschrift Band II S. 371 und Band III S. 20 abgedruckte Urtheil des Kassationshofes vom 31. August 1883 stellt sich, weil es auf vorwürfigen Fall nicht paßt, als belanglos dar.
Demgemäß war die von der N. eingelegte Revision zu verwerfen.