Oberlandesgericht München – Bauten im Überschwemmungsgebiet
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in der Sache gegen Christian St. in Bamberg und den Fuhrwerksbesitzer Georg A. daselbst wegen Zuwiderhandlung gegen das Wasserbenützungsgesetz und gegen baupolizeiliche Vorschriften.
Christian St. hat im Januar oder Februar 1882 auf seinem im Ueberschwemmungsgebiete der Regnitz gelegenen Grundstücke am Reitwege in Bamberg eine Bodenmulde aufgefüllt und daselbst eine offene Halle mit 24,12 qm Grundfläche ohne polizeiliche Genehmigung aufführen lassen. Daraufhin wurde er vom Schöffengerichte am 15. Dezember 1882 wegen Uebertretung des Art. 10 des Wasserbenützungsgesetzes in sachlichem Zusammenflusse mit einer Uebertretung nach § 367 Nr. 15 des Strafgesetzbuchs zu Geldstrafen von 10 und 3 Mark sowie in die Kosten verurtheilt und die Polizeibehörde zur Beseitigung des ordnungswidrigen Zustandes ermächtigt.
St. hat ferner einen Theil des vorerwähnten Grundstücks, nachdem er die Bodenmulde aufgefüllt hatte, dem Fuhrwerkbesitzer Georg A. in Bamberg zur Erbauung einer weiteren Halle pachtweise überlassen, worauf dieser im Herbste 1882 auf dem Grundstücke eine Halle mit 103 qm Grundfläche ebenfalls ohne polizeiliche Erlaubniß aufführte, in Folge dessen Georg A. und dessen Baumeister, der Zimmermeister Kaspar A. in Bamberg, wegen Uebertretung nach § 367 Nr. 15 des Strafgesetzbuchs durch rechtskräftig gewordenen amtsgerichtlichen Strafbefehl vom 12. Januar 1883 je in eine Geldstrafe von 15 Mark verurtheilt wurden.
Durch Urtheil des Schöffengerichts vom 8. Mai vor. Jahres endlich wurde der Antrag des Amtsanwalts, der Polizeibehörde nachträglich die Befugniß einzuräumen, die von Georg A. ordnungswidrig aufgeführte Holzhalle zu beseitigen, abgelehnt.
Die Beschwerde des Staatsanwalts, daß durch die Verwerfung der amtsanwaltschaftlichen Berufung gegen das schöffengerichtliche [57] Urtheil vom 8. Mai vor. Js. die Art. 105 und 18 des Polizeistrafgesetzbuchs verletzt worden seien, weil nicht nachträglich dem Georg A. gegenüber die Polizeibehörde zur Beseitigung der von demselben ohne polizeiliche Genehmigung errichteten Halle ermächtigt wurde, ist unbegründet. Denn diese Ermächtigung konnte, nachdem Georg A. wegen Errichtung der Halle nach § 367 Nr. 15 des Strafgesetzbuchs durch Strafbefehl vom 12. Januar vor. Js. rechtskräftig verurtheilt worden war, nicht mehr in einem gesonderten Verfahren auf Grund des Art. 105 Abs. 1 des Polizeistrafgesetzbuchs ausgesprochen werden, weil nach der letzteren Bestimmung, wenn, wie hier der Fall war, die Verfolgung oder Verurtheilung einer bestimmten Person ausführbar ist, der Ausspruch, durch welchen die Polizeibehörde zur Beseitigung des ordnungswidrigen Zustandes für berechtigt erklärt wird, mit dem Strafurtheil als Nebenstrafe verbunden werden muß. Dabei macht es keinen Unterschied, daß die Aufnahme einer derartigen Ermächtigung in den Strafbefehl, durch den gegen Georg A. wegen Uebertretung nach § 367 Nr. 15 des Strafgesetzbuchs auf Bestrafung erkannt wurde, gemäß § 447 der Strafprozeßordnung nicht zulässig war. Dies konnte den Amtsanwalt nur veranlassen, die Bestrafung des A. in einem Verfahren herbeizuführen, welches die gleichzeitige Anwendung des Art. 105 Abs. 1 des Polizeistrafgesetzbuchs ermöglichte, ihm aber nicht die Befugniß geben, entgegen der ebenbezeichneten Vorschrift das Schöffengericht um einen selbständigen Ausspruch auf Grund des Art. 18 des Polizeistrafgesetzbuchs anzugehen, welcher Letzterer nur dann Anwendung findet, wenn die Verfolgung oder Verurtheilung einer bestimmten Person nicht ausführbar ist, und der es in das Ermessen des Richters stellt, ob eine Ermächtigung der Polizeibehörde zur Erlassung der in Art. 105 Abs. 1 vorgesehenen Verfügungen einzutreten hat oder nicht, während im gegebenen Falle Georg A. wegen der treffenden Uebertretung verurtheilt wurde, und in Folge dessen die fragliche Ermächtigung der Polizeibehörde nach Art. 105 Abs. 1 gesetzlich geboten war.
Was die Revision des Christian St. anbelangt, so werden in der Revisionsbegründung seines Vertheidigers, des Rechtsanwalts k. Advokaten Rothlauf in Bamberg, die Bestimmungen des § 67 Abs. 3 und 4 des Strafgesetzbuchs, wornach die Strafverfolgung von Uebertretungen in drei Monaten verjährt, und die Verjährung mit dem Tage beginnt, an welchem die Handlung begangen ist, als verletzt bezeichnet, weil der Einwand der Verjährung von der Strafkammer zurückgewiesen worden sei, obgleich St. die Bodenmulde schon im Februar 1882 aufgefüllt und die Halle spätestens am 26. April desselben Jahres fertiggestellt, die erste, die Verjährung zu unterbrechen geeignete richterliche Handlung aber [58] nicht vor November 1882 stattgefunden habe. Jedoch mit Unrecht. Denn, nachdem feststeht, daß die hier in Frage stehende Auffüllung der Bodenmulde auf einem im Überschwemmungsgebiete der Regnitz gelegenen Grundstücke des Beschwerdeführers und die von demselben daselbst errichtete Halle geeignet sind, den freien Wasserlauf zu hindern und die Höhe des Wasserstandes zu beeinflussen, so daß die Art. 10 Abs. 1 und 97 Ziff. 1 des Wasserbenützungsgesetzes hier in Anwendung kommen, wornach die Herstellung solcher Anlagen wegen ihrer Beschaffenheit mit Strafe bedroht ist, liegt die Strafbarkeit der treffenden Handlungen des St. nicht in der bethätigten Eigenmächtigkeit, sondern in der Schaffung eines gefahrdrohenden gesetzwidrigen Zustandes, und dies ist auch bezüglich der durch die Errichtung der Halle begründeten Zuwiderhandlung gegen § 6 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a der allgemeinen Bauordnung der Fall, da diese, wie aus § 87 Ziff. 4 der Bauordnung hervorgeht, bei Bauführungen im Ueberschwemmungsgebiete öffentlicher Flüsse nicht minder als das Wasserbenützungsgesetz die mögliche Gefährlichkeit des Bauwerkes in Berücksichtigung zieht, und deshalb auch bei der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Uebertretung nach § 367 Nr. 15 des Strafgesetzbuchs die Schaffung des bauordnungswidrigen Zustandes das wesentliche Merkmal bildet. Beruht aber die Strafbarkeit der Handlungen des St. auf der Beschaffenheit des durch dieselben hergestellten Zustandes, so dauert die treffende That so lange fort, als der durch sie geschaffene Zustand währt, und kann in Folge dessen erst mit der Beendigung desselben die Verjährung beginnen. Es hat daher das Berufungsgericht, nachdem sowohl die Bodenauffüllung als die errichtete Halle noch besteht, mit Recht Verjährung für nicht vorliegend erklärt.
Die weitere Rüge, die Annahme des Berufungsgerichts, es sei sowohl zur Auffüllung der Mulde, als zur Errichtung der Halle nach Art. 10 des Wasserbenützungsgesetzes polizeiliche Erlaubniß erforderlich gewesen, beruhe auf einer irrigen Rechtsanschauung, ist nicht begründet. Denn nachdem die Bestimmung, daß ohne Erlaubniß der Verwaltungsbehörde innerhalb des Ueberschwemmungsgebietes eines öffentlichen Flusses keine Dämme oder ähnliche Anlagen errichtet werden dürfen, welche auf den Lauf des Wassers oder die Höhe des Wasserstandes Einfluß haben können, vom Flusse Alles ferne zu halten bezielt, was seine Verwendung als Verkehrsstraße zu beeinträchtigen, oder die Gefährdung der Anwohner oder anliegenden Grundstücke durch den Fluß zu erhöhen geeignet erscheint, und das Gesetz deshalb vorschreibt, daß die Ausführung jeder Anlage oder Vorrichtung, welche die im Art. 10 bezeichnete Eigenschaft hat, der polizeilichen Genehmigung bedarf, wurden von der Strafkammer auf Grund der hierorts nicht anfechtbaren Feststellung, [59] daß die von St. im Ueberschwemmungsgebiete der Regnitz vorgenommene Auffüllung der Bodenmulde und Erbauung der Halle Anlagen sind, welche den freien Wasserablauf hindern und auf die Höhe des Wasserstandes Einfluß haben können, diese mit Recht als Anlagen im Sinne des Art. 10 des Wasserbenützungsgesetzes erklärt.
Endlich macht Beschwerdeführer St. noch geltend, nach § 6 Abs. 2 lit. a der allgemeinen Bauordnung vom 19. September 1881 sei die von ihm errichtete Halle nur insoweit ordnungswidrig, als sie einen 20 qm übersteigenden Raum einnehme, und habe daher die Polizeibehörde nur zur Beseitigung des Theiles der Halle, welcher die 20 qm Grundfläche überschreite, berechtigt erklärt werden dürfen, sie sei aber zur Entfernung der ganzen Halle ermächtigt worden, was eine Verletzung des Art. 105 Abs. 1 des Polizeistrafgesetzbuchs begründe. Allein die von St. ohne polizeiliche Genehmigung erbaute Halle bildet, nachdem sie eine Grundfläche von mehr als 20 qm hat, gemäß § 6 Abs. 1 und 2a der Bauordnung so, wie sie errichtet wurde, also nicht blos in einem bestimmten Theil, sondern als Ganzes, einen ordnungswidrigen Zustand im Sinne des Art. 105 Abs. 1 des Polizeistrafgesetzbuchs und mußte sohin die Polizeibehörde, wie solches geschehen ist, vom Strafgericht für berechtigt erklärt werden, die Beseitigung dieses ordnungswidrigen Zustandes anzuordnen und zu diesem Zwecke die Sicherstellung, Abänderung, den gänzlichen oder theilweisen Abbruch des Bauwerks zu verfügen. In welcher Weise von der Ermächtigung Gebrauch zu machen ist, hat die Verwaltungsbehörde zu bemessen, dem Gerichte steht nur zu, den in Art. 105 Abs. 1 vorgeschriebenen Ausspruch zu erlassen. Es ist demnach auch diese Beschwerde unbegründet.