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Oberlandesgericht München – Aufgeblasenes Fleisch

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Textdaten
Autor: Oberlandesgericht München
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Titel: Auszug aus einem Erkenntnisse des k. Oberlandesgerichtes München vom 30. Oktober 1890
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aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1890, Nr. 33, Seite 462–464
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Kurzbeschreibung: Veränderungen zur Verschlechterung von Nahrungsmitteln sind verboten
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Auszug aus einem Erkenntnisse des k. Oberlandesgerichtes München vom 30. Oktober 1890
in der Anklagesache gegen den Kaufmann L. B. in V. wegen Verkaufes verdorbener Eßwaaren.

Der Angeklagte L. B. in V hat nach der Entscheidung des Berufungsgerichts am 12. April l. Js. ein 14 Tage altes Zwillingskalb geschlachtet, das Fleisch desselben, um die Haut leichter abziehen zu können, aufgeblasen, und von diesem Fleische 4 Pfund an den Gutsbesitzer R. M. und 2 bis 3 Pfund an die Bauersfrau K. H. von da verkauft.

Hiebet hat er nur eine in V. allgemein übliche, den Käufern bekannte Behandlung des Fleisches vorgenommen; aber durch das Aufblasen des Fleisches wurde dieses nach oberrichterlicher Feststellung verdorben; denn es ist erwiesen, daß das Aufblasen des Fleisches dessen normalen und ursprünglichen Zustand insoferne zum Schlechtern verändert hat, als durch die dem Fleische eingeblasene Luft dessen Feuchtigkeitsgehalt vermehrt, seine Empfänglichkeit zur Aufnahme der Fäulnißerreger erhöht, unter Beförderung der Keime der Zersetzung die Fäulniß des Fleisches beschleunigt und hienach die Tauglichkeit und Verwerthbarkeit desselben vermindert worden ist. Die durch das Aufblasen des Fleisches hervorgerufene Veränderung desselben war im gegebenen Falle eine gesteigerte, weil das Aufblasen im April, somit zur wärmeren Frühlingszeit, geschah, und unter dem Einfluße der Frühjahrswärme raschere Wirkung übte.

So wie es dem Angeklagten ferne lag, dem Fleische den Schein besserer Beschaffenheit zum Zwecke der Täuschung der Abnehmer zu verschaffen, so ist auch nicht erwiesen, daß er die Verdorbenheit des am 13. April l. Js. an die namentlich bezeichneten Personen verkauften Fleisches gekannt habe; es kann ihn aber die Unkenntniß des von ihm verkauften Fleisches nicht straflos machen; denn diese Unkenntniß gereicht ihm selbst zur Schuld, da es, weil er das Fleisch an Dritte zum Genuße verkauft hat, seine Pflicht war, sich vorher über die Wirkungen des Aufblasens und über den hiedurch hervorgerufenen verdorbenen Zustand desselben zu unterrichten, was er eben, obwohl es ihm sehr leicht gewesen wäre, schuldhaft versäumte.

Auf Grund dieser Feststellungen und der hieraufhin getroffenen Schlußfeststellung, daß der Angeklagte am 13. April 1890 verdorbenes Fleisch in selbstverschuldeter Untenntniß der objektiven Verdorbenheit desselben und in successiver Verwirklichung eines und desselben Entschlusses an R. M. und K. H. verkauft habe, hat die Ferienkammer des k. Landgerichts Sch. auf Berufung des Angeklagten das Urtheil des Schöffengerichts beim k. Amtsgerichte H. vom [463] 11. Juni 1890, wodurch derselbe wegen zweier unter sich im sachlichen Zusammenflusse stehender Vergehen nach § 10 Ziff. 2 des Gesetzes vom 14. Mai 1879, betreffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln etc. in eine Gefängnißstrafe von 2 Tagen und in die Kosten des Verfahrens und des Strafvollzugs verfällt worden war, mit Urtheil vom 25. Juli 1890 aufgehoben, und den Angeklagten einer Uebertretung nach § 367 Ziff. 7 des R.-St.-G.-B. für schuldig erachtet, und in eine Geldstrafe von 10 Mark, im Falle der Uneinbringlichkeit umgewandelt in eine Haft von 2 Tagen verurtheilt.

Die Revision des Angeklagten, welche Aufhebung des Urtheils der Strafkammer und kostenlose Freisprechung, eventuell Zurückverweisung der Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das k. Landgericht Sch. oder an ein benachbartes Gericht gleicher Ordnung beantragte, bezeichnet die in dem angefochtenen Urtheile angewendeten Rechtsnormen, insbesondere den § 367 Ziff. 7 des R.-St.-G.-B. als verletzt und irrig angewendet; sie ist jedoch in der Hauptsache nicht begründet.

Nach § 367 Ziff. 7 des St.-G.-B., welche Strafbestimmung durch die Vorschriften der §§ 10–12 des Gesetzes vom 14. Mai 1879 betreffend den Verkehr mit Nahrungs- und Genußmitteln u. dgl. wohl beschränkt, aber nicht beseitigt ist, (Reichst.-Verhandl. 1879 Bd. IV S, 180/1) (Entsch. des R.-G. Bd, VI S. 34. 269) wird mit Geld bis 150 Mark oder mit Haft bestraft, wer verfälschte oder verdorbene Getränke oder Eßwaaren, insbesonders trichinenhaltiges Fleisch feilhält oder verkauft. Das Moment des Verdorbenseins besteht in einer Veränderung des ursprünglich vorhanden gewesenen oder normalen Zustandes des Nahrungs- und Genußmittels mit der Folge verminderter Tauglichkeit und Verwerthbarkeit zu einem bestimmten Zwecke, gleichviel ob diese durch innere Zersetzung oder durch äußere Einwirkung herbeigeführt wurde, erfordert aber weder Gesundheits-Schädlichkeit, noch Ungenießbarkeit desselben. (Rechtsspr. des R.-G. Bd. III S. 594. XI S. 355.) Wenn die Strafkammer nun als erwiesen erklärt hat, daß das vom Angeklagten verkaufte Kalbfleisch durch das von demselben ausgegangene Aufblasen des Fleisches in seinem normalen und ursprünglichen Zustande zum Schlechtern verändert und die Tauglichkeit und Verwerthbarkeit desselben vermindert worden ist, so hat sie den Begriff „verdorben“ nicht verkannt; die Richtigkeit der von der Strafkammer als erwiesen angenommenen Thatsachen und der hieraus gezogenen Folgerung, daß der normale und ursprüngliche Zustand des vom Angeklagten verkauften Fleisches zum Schlechtern verändert und dessen Tauglichkeit und Verwerthbarkeit herabgemindert worden sei, kann aber gemäß § 260, 373, 376 der St.-P.-O. hierorts nicht nachgeprüft werden, und wird daher von der Revision vergeblich bekämpft. [464]

Es bedurfte auch der von der Beschwerde vermißten Feststellung nicht, daß das Fleisch seinem Zwecke, als gesundes Nahrungsmittel zu dienen, nicht mehr entsprochen habe, da, wie gezeigt, zum Begriffe des Verdorbenseins einer Eßwaare deren Gesundheitsschädlichkeit nicht erfordert wird, und fallen deshalb die dießbezüglichen Ausführungen der Beschwerde als gegenstandslos hinweg.

Wenn die Beschwerde geltend macht, nicht schon die Möglichkeit des Verdorbenseins einer Eßwaare, sondern ein Zustand, der in erhöhtem Grade deren Genießbarkeit und Zuträglichkeit beeinträchtiget, begründe den Thatbestand des § 367 Nr. 7 des St.-G.-B., so übersieht sie, daß die Strafkammer festgestellt hat, daß das verkaufte Fleisch verdorben, keineswegs aber, daß nur die Möglichkeit hiezu gegeben war, und daß, da eine Eßwaare als verdorben zu erachten ist, wenn sich deren ursprünglicher oder normaler Zustand zum Schlechtern verändert hat, nichts darauf ankommt, bis zu welchem Grade deren Tauglichkeit und Verwerthbarkeit herabgemindert, oder beeinträchtigt worden ist.

Insoferne die Beschwerde behauptet, das Gesetz sei irrig angewendet, weil aus keinen andern als den festgestellten Thatsachen der Begriff des Verdorbenseins gefolgert worden sei, wird dem Urtheile mangelhafte Begründung vorgeworfen, hiemit aber Verletzung des § 266 der St.-P.-O., also einer Rechtsnorm über das Verfahren, gerügt; jedoch gleichfalls ohne Erfolg, weil gemäß § 380 ibid. die Revision gegen die in der Berufungsinstanz erlassenen Urtheile der Landgerichte wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren nur auf die hier außer Frage stehende Vorschrift des § 398 der St.-P.-O. gestützt werden kann.

Nachdem ferners durch die Verurtheilung des Angeklagten zur Strafe auch kein anderes materielles Recht enthaltendes Gesetz verletzt ist, stellt sich die Revision als unbegründet dar.