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Oberlandesgericht München – Anordnung bei Hochwassergefahr

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Textdaten
Autor: Oberlandesgericht München
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Titel: Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichts München vom 3. Oktober 1889
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aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1889, Nr. 30, Seite 319–321
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Kurzbeschreibung: Anordnungen bei Hochwassergefahr sind unverzüglich umzusetzen
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Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichts München vom 3. Oktober 1889
in der Sache gegen den Mühlbesitzer Friedrich M. von B. wegen Uebertretung des Gesetzes über den Uferschutz und den Schutz gegen Ueberschwemmungen.

Das Gesetz vom 28. Mai 1852 über den Uferschutz und den Schutz gegen Ueberschwemmungen (Ges.-Blatt 1852 Seite 577 u. flg.) bestimmt in seiner zweiten, den Schutz gegen außerordentliche Wassergefahr und Überschwemmungen behandelnden, Abtheilung und zwar in Art. 17:

„Sind zur Anwendung drohender oder bereits eingetretener Wassergefahr augenblickliche Vorkehrungen nothwendig, so sind alle benachbarten Besitzer und Gemeinden zu Hand- und Spanndiensten, ohne Rücksicht darauf, ob sie innerhalb des vom Wasser bedrohten Gebietes liegen oder nicht, verbunden. [320]
Jede Polizeibehörde hat in solchem Falle in ihrem Distrikte die augenblicklich nöthigen Vorkehrungen zu treffen und vollziehen zu lassen, wogegen keine Einsprache, sondern nur nachträgliche Beschwerde zulässig ist.
Die Gemeindebehörden sind verpflichtet, den Polizei- und Baubehörden die nöthige Beihilfe zu leisten, und für die schnellste Stellung von Mannschaften und Lieferung von Materialien zu sorgen.“

Nach dem seither (Art. 164 des Pol.-Straf-Ges. vom 10. November 1861, Art. 3 Ziff. 10 lit. f des Einführungsgesetzes vom 26. Dezember 1871 und Art. 3 Ziff. 10 lit. d des Ausführungsgesetzes zur Reichsstrafprozeßordnung vom 18. August 1879) aufrecht erhaltenen Art. 26 Abs. 1 des Gesetzes vom 28. Mai 1852 unterliegen Uebertretungen dieses Gesetzes und der in Anwendung der Art. 7 Abs. 2, Art. 17 und Art. 18 Abs. 2 desselben getroffenen polizeilichen Anordnungen, soferne sie nicht schon durch andere Gesetze mit höherer Strafe bedroht sind, einer Polizeistrafe bis zu dreißig Tagen Haft oder einhundertachtzig Mark in Geld (Art. 5 des Ausführungsgesetzes zur Strafprozeßordnung und Art. 1 des Gesetzes vom 8. November 1871, betreffend die Bestimmung von Geldstrafen).

Die Voraussetzung zur Anwendung dieser Strafvorschrift ist gegeben, denn hienach ist nur erforderlich die an den benachbarten Besitzer in Anwendung des Art. 17 erlassene polizeiliche Anordnung und die Nichtbefolgung dieser Anordnung, und nach den thatsächlichen Feststellungen hat der vom Stadtmagistrate B. als der zuständigen Polizeibehörde mittels Beschlusses vom 10. Februar 1888 zur Anwendung und Durchführung der aus polizeilichen Rücksichten bei Eisansammlungen im linksseitigen Regnitzarme veranlaßten Maßnahmen, insbesonders Schließen der Mühlschützen, beauftragte und ermächtigte städtische Wasserinspektor N. N. am 14. Januar 1889 die dem Angeklagten eröffnete Anordnung, seine Mühlschützen zu dem Eingangs erwähnten Zwecke zu schließen, mithin in Anwendung des Art. 17, getroffen, der Angeklagte aber dieser Anordnung während deren Durchführung nicht entsprochen und seine Mühlschützen nicht geschlossen gehalten.

Ob die Anordnung augenblicklich nothwendig und zweckentsprechend war, ist für die Anwendung der Strafbestimmung des Art. 26 gleichgiltig, da diese nur die in Anwendung des Art. 17 getroffene polizeiliche Anordnung voraussetzt.

Das Gesetz trägt, indem es einerseits den Besitzstand der Grundeigenthümer gegen Beschädigung durch Wasser sichern, anderseits Ueberschwemmungen, die sowohl dem Grundbesitzer als solchem, als der übrigen Bevölkerung Nachtheile bereiten können, verhüten will, indem es mithin sicherheits- und gesundheitspolizeiliche Zwecke verfolgt, vorherrschend einen öffentlich-rechtlichen Charakter an sich. [321]

Dies lassen insbesonders die unbeanstandet gebliebenen Motive zu Art. 17 (Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1851 Beilage Band I Seite 593; Beilage Band III Seite 547, 567) ersehen, nach welchen der Eisgang als eine drohende Gefahr erscheint, welche zur Nothhilfe verpflichtet, und es bald natürlich angenommen wird, daß bei Leistung derselben keine Ausrede oder Zögerung, überhaupt keine längere Verhandlung zulässig und deshalb den Behörden die Befugniß zustehen müsse, alle etwa Säumigen sogleich zur Leistung der Hilfe anzuhalten, und diese nöthigenfalls zu erzwingen, weil jede Verzögerung unberechenbaren Schaden für die gesammten Uferbewohner verursachen könnte.

Es ist mithin bedeutungslos, ob die Annahme des Strafrichters, daß eine drohende Wassergefahr vorhanden, und die zu deren Abwendung getroffene polizeiliche Anordnung augenblicklich nothwendig war, richtig ist, wenn nur feststeht, und dies ist hier gegeben, daß die Polizeibehörde die getroffene Anordnung zur Abwendung einer drohenden Wassergefahr augenblicklich nothwendig erachtet, sie also auf Grund des Art. 17 getroffen hat. Nur das Vorliegen dieser Voraussetzung, nicht die Nothwendigkeit oder Zweckmäßigkeit der polizeilichen Anordnung ist, wie schon mehrfach oberrichterlich ausgesprochen wurde, vom Strafrichter zu prüfen.

Die Annahme, daß der Angeklagte kein Recht hatte, gegen die getroffene polizeiliche Anordnung Einspruch zu erheben, und daß er sich nur nachträglich hiegegen beschweren konnte, ist aber nicht rechtsirrthümlich, dieser Grundsatz vielmehr ausdrücklich im zweiten Absatze des Art. 17 ausgesprochen. Auf dem Boden des Gesetzes steht aber die fragliche Anordnung, weil sie im Ausflusse des Art. 17 erlassen ist. Der Uebertragung der nach Art. 17 Abs. 2 der Polizeibehörde zustehenden Vorkehrungen an einen Beamten dieser Behörde steht eine gesetzliche Bestimmung nicht entgegen, so daß auch die in heutiger Verhandlung vorgebrachte Bemängelung, die Anordnung des Wasserinspektors N. N. erscheine nicht als eine von der Polizeibehörde erlassene, sich als unbehelflich darstellt.

Das Interesse des Einzelnen endlich kann bei solchen Anordnungen nicht in Frage kommen, wo es sich, wie die Gesetzesmotive sagen, um Abwendung einer übermächtigen, eine große Anzahl von Unterthanen bedrohenden, Gefahr handelt.