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Oberlandesgericht München – Ankauf ohne Wandergewerbeschein

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Textdaten
Autor: Oberlandesgericht München
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Titel: Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichts München vom 11. November 1884
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aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1885, Nr. 1, Seite 10–12
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Kurzbeschreibung: Zum Ankauf von Lebensmitteln im Hausieren wird ein Wandergewerbeschein benötigt
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Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichts München vom 11. November 1884.

Die Angeklagte Margaretha M. von W., welche schon seit Jahren den Viktualienhandel ohne irgendwo eine gewerbliche Niederlassung begründet zu haben in der Weise betreibt, daß sie auf dem Lande im Umherziehen Lebensmittel aufkauft und solche zum Wiederverkaufe nach Ansbach auf den Wochenmarkt bringt, hat, wie feststeht, am 13. Mai dieses Jahres ohne mit einem Wandergewerbeschein versehen zu sein, in der, außerhalb des Gemeindebezirks ihres Wohnortes W. in einem anderen Bezirksamtssprengel liegenden Ortschaft B. Eier, Schmalz, Butter und sonstige Lebensmittel bei anderen Personen als Kaufleuten und nicht in offenen Verkaufsstellen zum Zweck des Wiederverkaufs auf dem Ansbacher Wochenmarkte ohne vorgängige Bestellung in eigener Person angekauft. Daraufhin wurde vom Berufungsgericht, indem dasselbe den Umstand, daß die angekauften Lebensmittel zum Verkauf auf einem Wochenmarkte bestimmt waren, und daß Margaretha M. beim Bezirksamt die Belehrung erhalten hatte, sie bedürfe eines Wandergewerbescheins nicht, für unerheblich erklärte, in Uebereinstimmung mit dem Schöffengerichte die Angeklagte einer Uebertretung nach §. 148 Abs. 1 Ziff. 7 in Verbindung mit §. 55 Ziff. 2 der Gewerbeordnung schuldig erkannt.

In den Gründen des Urtheils des Oberlandesgerichts München vom 11. November 1884, durch welches die Revision der Marg. M. verworfen wurde, ist ausgeführt:

Mit Unrecht werden in der Revision der Angeklagten die §§. 55 und 148 der Gewerbeordnung als verletzt bezeichnet, weil das Berufungsgericht die gesetzliche Freiheit des Verkehrs auf dem Wochenmarkt, für den die Gegenstände angekauft wurden, sowie den Irrthum, in welchen Marg. M., die für ihren Gewerbebetrieb Steuer zahlen müsse, in Folge der ihr ertheilten Belehrung versetzt worden sei, und den Nothstand, in dem sie in Folge der Versagung der Ausstellung eines Wandergewerbescheins gehandelt, nicht berücksichtigt habe. Wer abgesehen von dem in §. 44a der revidirten Gewerbeordnung bezeichneten, hier nicht in Frage stehenden, Falle außerhalb des Gemeindebezirks seines Wohnorts oder der durch besondere Anordnung der höheren Verwaltungsbehörde dem Gemeindebezirk des Wohnorts gleichgestellten nächsten Umgebung desselben ohne Begründung einer gewerblichen Niederlassung und ohne vorgängige Bestellung in eigener Person bei anderen Personen als bei Kaufleuten, oder an anderen Orten, als in offenen Verkaufsstellen Waaren zum Wiederverkauf ankauft, bedarf nach §. 55 Ziff. 2 der Gewerbeordnung eines Wandergewerbescheins, und wer ohne diesen gesetzlichen Wandergewerbeschein ein Gewerbe im Umherziehen betreibt, macht sich der [11] im §. 148 Ziff. 7 daselbst vorgesehenen Uebertretung schuldig. Dies gilt nun zwar gemäß §. 64 Abs. 1 der Gewerbeordnung, wornach der Besuch der Jahr- und Wochenmärkte sowie der Kauf und Verkauf auf denselben einem Jeden mit gleichen Befugnissen zusteht, nicht auch bezüglich des auf dem Wochenmarkt stattfindenden Ankaufs von Gegenständen zum Zweck des Wiederverkaufs Seitens eines sein Gewerbe nach §. 55 Ziff. 2 im Umherziehen betreibenden Käufers. Zu einem solchen Ankauf bedarf derselbe keines Wandergewerbescheines. Im gegebenen Fall handelt es sich aber nicht um ein Ankaufen von Lebensmitteln auf einem Wochenmarkte. Marg. M. ist angeklagt, die treffenden Lebensmittel nicht auf einem Markte, sondern in der in §. 55 Ziff. 2 bezeichneten Weise im Umherziehen gekauft zu haben. Die von ihr angekauften Gegenstände waren nur zumVerkauf auf einem Wochenmarkte bestimmt. Dies ist jedoch für die bezüglich der Anwendbarkeit des §. 148 Ziff. 7 entscheidende Frage, ob die Angeklagte zu ihrem Ankauf von Lebensmitteln im Orte B. eines Wandergewerbescheins bedurfte, gleichgiltig. Denn das Gesetz unterscheidet im §. 55 Ziff. 2 nicht, in welcher Weise der Wiederverkauf zu dem die Waaren angekauft wurden, erfolgen soll, ob bezweckt wird, den gekauften Gegenstand auf einem Markte oder anderwärts zu verkaufen. Es bedarf daher auch derjenige, welcher bei dem Betrieb seines Gewerbs im Umherziehen eine Waare in der im §. 55 Ziff. 2 angegebenen Weise zum Wiederverkauf auf einem Wochenmarkte ankauft, eines Wandergewerbescheins, und er unterliegt in Folge dessen der im §. 148 Ziff. 7 angedrohten Bestrafung, wenn er zur Zeit des eben erwähnten Ankaufens der Waare den erforderlichen Wandergewerbeschein nicht besitzt. Wenn sohin auch die von der Angeklagten im Orte B. gekauften Lebensmittel zum Verkauf auf dem Wochenmarkt in Ansbach bestimmt waren, so macht dies die Strafvorschrift des §. 148 Ziff. 7 der Gewerbeordnung, nachdem alle Voraussetzungen des Reats gegeben sind, gegen sie nicht unanwendbar.

Daß die Angeklagte bei ihrem Ansuchen um Ausstellung eines Wandergewerbescheines unrichtig belehrt und dadurch in den Irrthum versetzt wurde, sie bedürfe eines solchen nicht, ist ohne rechtliche Bedeutung. Zum Begriffe der Uebertretung nach §. 148 Ziff. 7 der Gewerbeordnung wird nicht erfordert, daß der Thäter der Unbefugtheit seines Handelns sich bewußt war, und die irrige Meinung der Angeklagten hatte nicht das Vorhandensein eines zum Thatbestand gehörenden Thatumstands (§. 59 des Straf-Ges.-Bchs.), sondern die Anwendbarkeit des §. 148 Ziff. 7 zum Gegenstand, beruhte sohin auf einer unrichtigen Auffassung der einschlägigen strafgesetzlichen Bestimmungen, welche diesen gegenüber nicht beachtet werden kann.

Auch daß die Angeklagte, wie in der Revision behauptet wird, [12] wegen ihres Gewerbebetriebs Steuer zahlt, ist unerheblich, da die Entrichtung einer Steuer die Strafbarkeit einer Verfehlung nach §. 148 Ziff. 7 der Reichs-Gewerbe-Ordnung nicht ausschließt. Ob aber allenfalls Marg. M. durch ihre hier in Frage stehenden Handlungen zugleich gegen ein Steuergesetz sich verfehlt hat, und deßhalb auf Grund der Bestimmung des §. 148 Abs. 2 der Gewerbeordnung, wornach in den im ersten Absatz bezeichneten Fällen die Strafe ausgeschlossen bleibt, wenn die strafbare Handlung zugleich eine Zuwiderhandlung gegen die Steuergesetze enthält, statt der erfolgten Bestrafung der Angeklagten wegen Uebertretung nach §. 148 Abs. 1 Ziff. 7 der Gewerbeordnung eine Bestrafung wegen Zuwiderhandlung gegen das Gesetz vom 10. März 1879 über die Besteuerung des Gewerbebetriebs im Umherziehen hätte eintreten sollen, war, nachdem gegen das schöffengerichtliche Urtheil nur die Angeklagte Berufung einlegte, gemäß §. 372 der Straf-Proz.-Ord. von der Ferienstrafkammer nicht zu untersuchen, und ist daher auch hierorts einer Prüfung nicht zu unterstellen, und zwar um so weniger, als auf die gesetzlich niedrigste Uebertretungsstrafe von einer Mark in zweiter Instanz erkannt wurde, so daß die Angeklagte hiedurch keinesfalls beschwert erscheint.

Von einem die Strafe ausschließenden Nothstand kann bei dem Mangel der Voraussetzung des §. 54 des Straf-Ges.-Bchs., daß die strafbare Handlung zur Rettung aus einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben des Thäters oder eines Angehörigen begangen wurde, hier nicht gesprochen werden, und die Versagung eines Wandergewerbescheins Seitens des Bezirksamts konnte nur zu einer Beschwerdeführung nach §. 63 der Gewerbeordnung veranlassen, die Angeklagte aber nicht berechtigen, ihr Gewerbe im Umherziehen dem eben erwähnten Reichsgesetze zuwider ohne Wandergewerbeschein zu betreiben.