Oberlandesgericht München – Abwesender Spritzenmann
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in der Sache gegen Peter Sch., Viktualienhändler von O., wegen Zuwiderhandlung gegen feuerpolizeiliche Anordnungen:
- Die von Peter Sch. gegen das Urtheil der Strafkammer des kgl. Landgerichts Eichstädt vom 20. Oktober 1882 eingelegte Revision wird unter Verurtheilung des Beschwerdeführers in die hiedurch veranlaßten Kosten verworfen.
etc. etc.
Nach § 368 Nr. 8 des St.-G.-B. wird mit einer Geldstrafe bis zu 60 ℳ oder mit Haft bis zu 14 Tagen bestraft, wer feuerpolizeiliche Anordnungen nicht befolgt, und bestimmt hiezu der Art. 2 Ziff. 14 des bayer. P.-St.-G.-B., daß die Feuerlöschordnungen durch distrikts- und ortspolizeiliche Vorschriften erlassen werden. Daraufhin hat das kgl. Bezirksamt H. am 13. Mai 1881 über das Feuerlöschwesen, unter der Bezeichnung: „Distriktsfeuerlöschordnung für den Amtsbezirk H.“ distriktspolizeiliche Vorschriften ergehen lassen, welche durch Entschließung der kgl. Regierung von Mittelfranken vom 8. Juni 1881 als vollziehbar erklärt und im bezirksamtlichen Wochenblatte vom Jahrgange 1881 veröffentlicht wurden. Nach § 1, § 2 und § 3 Ziffer 1 dieser Feuerlöschordnung sind alle männlichen Bewohner eines Gemeindebezirkes vom zurückgelegten 18. bis zum vollendeten 55. Lebensjahre feuerwehrpflichtig und in dieser Eigenschaft gehalten, bei Feuerlöschübungen, Bränden und Brandwachen nach Maßgabe der Bestimmungen der Feuerlöschordnung persönlich Dienste zu leisten, wobei jedoch unter Anderen körperlich Untaugliche von der Feuerwehrpflicht[63] ausgenommen sind. Nach § 29 kann vom Bürgermeister aus besonders triftigen Gründen, wie Erkrankung eines Pflichtigen, schwerer Erkrankungsfall in dessen Familie oder unaufschiebliche Geschäfte, Befreiung von der Theilnahme an einzelnen Uebungen gewährt werden. Das Gesuch ist, Nothfälle ausgenommen, mindestens 24 Stunden vorher mündlich in Person oder durch einen Vertreter vorzubringen. Zuwiderhandlungen gegen diese Vorschriften der Feuerlöschordnung sind im § 65 mit der Strafe des § 368 Nr. 8 des St.-G.-B. bedroht.
In Gemäßheit dieser Bestimmungen fällt aber dem Angeklagten, nachdem derselbe, wie feststeht, als Feuerwehrpflichtiger der Gemeinde O. bei der am 18. Juni dieß Jahres daselbst abgehaltenen Feuerwehrübung, obwohl zu derselben geladen, unentschuldigt ausgeblieben ist, eine Uebertretung nach § 368, Nr. 8 des St.-G.-B. zur Last. Was in der Revisionsausführung hiegegen vorgebracht wird, ist unbehelflich.
Daß Peter Sch. dem Gemeindediener bei der Ladung erklärte, er könne der Uebung vom 18. Juni dieß Jahres nicht beiwohnen, weil er in Geschäften verreise, auch wegen körperlichen Leidens den Spritzendienst nicht zu versehen vermöge, ist in dem angefochtenen Urtheile nicht festgestellt, und überdieß ohne rechtlichen Belang. Denn nach der, wie die Strafkammer als erwiesen annimmt, dem Angeklagten bekannten Bestimmung des § 29 der Feuerlöschordnung hatte derselbe, wenn er von der Theilnahme an der erwähnten Uebung befreit sein wollte, nicht bei dem Gemeindediener, sondern bei dem Bürgermeister in O. sich zu entschuldigen, welchem allein die Befugniß zukam, ihm eine solche Befreiung zu gewähren. Daß er aber der irrigen Meinung gewesen sei, der Ortsbürgermeister habe ihn von der Verpflichtung des Erscheinens bei der Uebung entbunden, ist von dem Angeklagten gar nicht behauptet worden, und war er der Meinung, es genüge zu seiner Enthebung von der fraglichen Verpflichtung, wenn er den Gemeindediener in Kenntniß setze, daß und aus welchem Grunde er der Uebung nicht beiwohnen werde, so befand sich Sch. nicht im Irrthume über einen Thatumstand, dessen Vorhandensein ihn von dem Erscheinen befreit hätte, sondern, indem er die Vorschrift des § 29 der die Strafbestimmung des § 368 Nr. 7. 8. des St.-G- B. ergänzenden Feuerlöschordnung unbeachtet ließ, in einem Irrthume über die Strafbarkeit seines Nichterscheinens, welcher Rechtsirrthum nicht berücksichtigt werden kann.
Nachdem ferner im Art. 2 Ziff. 14 des P.-Str-G.-B. unter Bezugnahme auf § 368 Nr. 8 des St.-G.-B. bestimmt ist, daß die Feuerlöschordnungen durch distrikts- oder ortspolizeiliche Vorschriften zu erlassen sind, und die Regelung der Frage, unter welchen Voraussetzungen Jemand in einem Orte feuerwehrpflichtig,[64] und wie in dieser Eigenschaft von ihm Dienst zu leisten ist, einen Gegenstand der Feuerlöschordnung bildet, steht den Verwaltungsbehörden die Entscheidung darüber zu, ob ein Mitglied der Feuerwehr wegen körperlicher Untauglichkeit zu beanspruchen berechtigt ist, von der Zuziehung zu der Feuerwehr oder der Zuweisung zu einer bestimmten Abtheilung derselben freigelassen zu werden. Der Strafrichter hat nur die gesetzliche Giltigkeit der treffenden Vorschriften nach Maßgabe der Bestimmungen der Art. 10 und 15 des P.-St.-G.-B. zu prüfen. Der Vollzug der Vorschriften über die Einreihung in die Feuerwehr ist Sache der Verwaltungsbehörden. Wenn daher der Angeklagte sich für körperlich unfähig erachtet, den Dienst eines Spritzenmannes bei der Feuerwehr zu O. fernerhin zu versehen, so kann dieß nur vor der Verwaltungsbehörde geltend gemacht werden, wie solches auch die §§ 9 und 24 der Feuerlöschordnung vom 13. Mai 1881 besagen, nicht aber vor dem Strafrichter, also auch nicht zur Abwendung einer Bestrafung. Ein nach den Bestimmungen der Feuerlöschordnung der Feuerwehr Angehöriger hat so lange, bis er seine Befreiung von der Feuerwehrpflicht erwirkt, den Obliegenheiten als Feuerwehrmann nachzukommen, widrigen Falles ihn, wenn er solches unterläßt, Bestrafung nach § 368 Nr. 8 des St.-G.-B. trifft. Die Strafbarkeit seines Handelns wird in diesem Punkte lediglich dadurch bedingt, daß er in die Feuerwehr eingereiht ist. Es ist dieß in der Rechtsprechung des bayer. Kassationshofes anerkannt. Sammlung VII S. 118. VIII S. 83.
Der heutige Einwand des Vertreters des Angeklagten, daß dieser zur Feuerwehrübung vom 18. Juni dieses Jahres nicht vorschriftsmäßig geladen worden sei, ist schon darum unerheblich, weil nach § 28 Abs. 3 der Feuerlöschordnung eine nicht ordnungsmäßig erfolgte Ladung das Wegbleiben des Pflichtigen von der Uebung nicht entschuldigt, wenn er von dem Stattfinden derselben anderweitige Kenntniß erhalten hat, und diese Voraussetzung jedenfalls hier vorliegt, da der Angeklagte zu der in Frage stehenden Uebung durch den Gemeindediener vorgeladen wurde.
Hiernach kann weder von einer Verletzung des § 59 noch von einer Verletzung des § 54 des St.-G.-B. gesprochen werden, vielmehr stellt sich die Revision als ungerechtfertigt dar, weßhalb unter Anwendung des § 505 Abs. 1 der St.-P.-O. erkannt werden mußte, wie geschehen ist.