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Oberlandesgericht München – Abspülwasserableitung aus Schulhaus

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Oberlandesgericht München
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Titel: Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichts München vom 8. Januar 1886
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aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1886, Nr. 8, Seite 52–53
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Kurzbeschreibung: Ableitung von Abwässern auf öffentliche Straßen ist verboten
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Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichts München vom 8. Januar 1886

in der Sache gegen die Schullehrerseheleute Heinrich und Lina H. von M. wegen Übertretung straßenpolizeilicher Vorschriften.

Die von der k. Regierung von Mittelfranken auf Grund des Art. 2 Nr. 6 des Pol.-Straf-Ges.-Bchs. zu §. 366 Nr. 10 des Reichs-Straf-Ges.-Bchs. und zu Art. 90 des Pol.-Straf-Ges.-Bchs. für den Umfang ihres Bezirks erlassene Polizeiverordnung vom 16. Februar 1881 verbietet in ihrem von der Revision als verletzt bezeichneten §. 2, auf öffentliche Wege, Straßen oder Plätze und deren Zubehörungen, Jauche aus Düngerstatten, Dünger- und Jauchengruben oder Ställen, Blut- oder Spülwasser, Abtrittsflüssigkeiten, oder sonstige übelriechende oder verunreinigende Flüssigkeiten abzuleiten, auszuschütten oder ablaufen zu lassen. Diese im Kreisamtsblatt für Mittelfranken von 1881 in Nr. 18 S. 170 vorschriftsmäßig veröffentlichte, sohin als Ergänzungsvorschrift zu §. 366 Nr. 10 des Reichs-Straf-Ges.-Bchs. gesetzliche Geltung genießende Polizeiverordnung bezielt die Erhaltung der Sicherheit, Bequemlichkeit, Reinlichkeit und Ruhe auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen, dann die Sicherstellung der Staatsstraßen und deren Zugehörungen gegen Beschädigungen, ist daher im öffentlichen Interesse getroffen und in Folge dessen für Jedermann verpflichtend, also auch für Denjenigen, welcher bis zur Erlassung dieses Verbots berechtigt gewesen sein sollte, sein Spülwasser in Benützung einer Ableitungs-Vorrichtung in den Straßengraben ablaufen zu lassen. Sie ist ein Ausfluß der Polizeihoheit, vermöge deren dem Staate zusteht, soweit die öffentliche Wohlfahrt es erheischt, selbst in Vermögens- und Besitzrechte im Wege der Gesetzgebung einzugreifen und die Beachtung eines in dieser Beziehung zu erlassenden Verbots durch Strafandrohung zu sichern. Es ist daher für die Bescheidung der vorliegenden Strafsache gleichgiltig, ob den Angeklagten bis dahin das Recht zustand oder gestattet wurde, das Spülwasser in den Straßengraben ableiten zu dürfen, woraus von selbst folgt, daß die Handlung der Angeklagten eine Uebertretung nach §. 366 Nr. 10 des Straf-Ges.-Bchs. begründet. Eine solche liegt auch dann vor, wenn die Angeklagten, wie die Revision behauptet, im guten Glauben und ohne die Absicht der Begehung einer strafbaren Handlung die Ableitungsvorrichtung benützt haben, denn das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit ist nicht Merkmal im Thatbestande des §. 366 Nr. 10 des Straf-Ges.-Bchs. und es ist belanglos, daß die bisherigen Uebertretungen strafrechtlich nicht verfolgt wurden. Die Strafkammer hat aber auch die Bedeutung des in §. 2 der oberpolizeilichen Vorschriften gebrauchten Ausdruckes „ableiten“ nicht verkannt. Denn [53] unter Ableiten versteht man jede Handlung, durch welche die Richtung für die Bewegung der Flüssigkeit nach dem verbotenen Ziele bewirkt wird und bildet die Abgußröhre nur Mittel zum Zwecke, deren Benützung unter der Herrschaft des §. 2 der oberpolizeilichen Vorschriften auch Niemand gestatten kann.

Der Strafrichter hat das Strafgesetz anzuwenden, sobald die Merkmale im Thatbestande desselben nachgewiesen sind, was hier in der Richtung gegen beide Angeklagte der Fall ist, da sie, wie feststeht, das Abspülwasser aus ihrer Küche durch die darin befindliche Abgußröhre in den, einen Bestandtheil der Staatsstraße bildenden Straßengraben abgeleitet haben, und hat derselbe die Frage, auf welche Weise sich der Nutznießer der im Schulhause zu M. befindlichen Wohnung des Spülwassers zu entledigen hat, nicht zu entscheiden. Sollten die Angeklagten wirklich der Meinung gewesen sein, daß die Benützung der einmal vorhandenen Ausgußröhre von dem Verbote des § 2 nicht betroffen werde, so läge hierin ein ihre Strafbarkeit nicht ausschließender Irrthum über die Tragweite der Strafvorschrift, keineswegs aber ein Irrthum über einen zum gesetzlichen Thatbestand gehörigen Thatumstand, welcher den in der Revision beanspruchten Schutz des §. 59 des Straf-Ges.-Bchs. gewähren könnte.